"Man soll die Dinge so einfach wie möglich machen,

aber nicht einfacher."
                                                                                                                                                                                  Albert Einstein 

 

 Theoretische Erklärung

und

Nachschlagewerk

 

 

Die Theorie über die Stimmfunktion stellt die anatomischen, physiologischen, biologischen, neurologischen, akustischen und psychologischen Zusammenhänge der Funktion des menschlichen Instrumentes Stimme nach momentanen wissenschaftlichen Kenntnissen dar. Es handelt sich nicht um eine abgeschlossene Lehrmeinung, sondern um einen Erkenntnisprozess, der jetzt und in Zukunft ständig erneuert und erweitert wird.

Zitat Rabine-Institut

 

 

 

 

 

Gesang als elementare Möglichkeit zur Äußerung von Innerlichem, als Quelle von Freude und Gesundheit, als kulturelle, rituelle und spirituelle menschliche Ausdrucksform ist elementarer Bestandteil des Lebens, seit es Menschen gibt. Mehr noch: Die Art zu singen, wie wir Menschen es tun, ist tatsächlich etwas, was unsere Spezies, den homo sapiens sapiens, von allen anderen Spezies unterscheidet: Durch unseren speziellen Körperbau sind wir als Einzige in der Lage, diese Lautäußerung hervorzubringen.
Singen in der Form, die Eugen Rabine als „Funktionalen Gesang“ bezeichnet hat, ist der komplexeste zusammengesetzte Reflex, den der menschliche Körper besitzt. Jeder Mensch hat ihn und kann ihn für das eigene Wohlbefinden nutzen.
Die Aufgabe, singen zu lernen, besteht also nicht darin, etwas Neues, dem natürlichen Verhalten Widersprechendes oder zumindest Aufgesetztes zu erlernen. Es geht vielmehr darum, etwas bereits Vorhandenes von Gewohnheiten und Schutzmechanismen zu befreien, die daran beteiligten Parameter und Körperbereiche für eine „Luxusfunktion“ zu optimieren. So wird das, was schon von Natur aus angelegt ist, durch die Selbstheilungskraft des Körpers zur Entfaltung aus sich selbst heraus gebracht. Damit kann die emotionale Funktion dieses Verhaltens in vollem Maß erfüllt werden, nämlich, die komplexe Psyche des Menschen durch die Ausschüttung von Glückshormonen, insbesondere Endorphinen, Serotonin und Dopamin, von innen heraus zu regulieren. Inzwischen belegen zahlreche Studien die euphorisierende Wirkung des Singens. Mehr noch, durch das immer feiner wahrnehmbare Zusammenspiel der Atmung mit der Erweiterung und Tonisierung des Körpers und der regelmäßigen Vibration des gesungenen Tones wird Verbundenheit von Körper und Bewusstsein im Augenblick erfahrbar, wie es in passiverer Form ja auch Ziel jeder Meditationstechnik ist. So wird die Fähigkeit zu singen zu einer jederzeit verfügbaren Oase des Wohlgefühls, einem Rückzugsort in die eigene innere Harmonie, unabhängig davon, welche äußeren Umstände und Einflüsse geraden herrschen.

Das funktionale Stimmtraining eignet sich für alle Stilrichtungen und genauso für Menschen in Sprechberufen. Der stimmige, natürliche Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und das Auflösen von Fehl- bzw. Schutzspannungen verbessert die Stimmfunktion grundsätzlich. Es wird nicht nur in der Gesangspädagogik, sondern auch in den Bereichen der Logopädie, Phoniatrie, Musiktherapie, Psychotherapie und zur Entwicklung neuer therapeutischer Richtungen angewendet. Die ganzheitliche Auswirkung dieser Körperarbeit führt zur Steigerung der Gesundheit sowohl in körperlicher als auch emotionaler Hinsicht. Singen ist ein neuronales Programm, das Physis und Psyche ausbalanciert und heilt, und an dem alle Anteile der menschlichen Existenz beteiligt sind.

 

 

 

Beim Saugreflex wird durch die sich vergrößernde Kieferöffnung bei aktivem Lippenring der Rachenraum immer mehr horizontal und vertikal erweitert, der Kehlkopf immer weiter abgesenkt und so der Sog erhöht. Der Vokaltrakt setzt der einströmenden Atemluft geringstmöglichen Widerstand entgegen, so dass die Einatmung optimal schnell und effektiv erfolgen kann. Dadurch wird die die Einatmungsmuskulatur bestmöglich trainiert und fähig, die Muskelspannung auch während der Ausatmung dominant aufrechtzuerhalten.

 

 

VORWORT

Diese Seite ist gedacht zur Information für interessierte Menschen, die mit der  Stimme arbeiten, ob im Sänger- und Sprecherberuf  oder auf pädagogischer Ebene in Schule und Chor, und für alle, denen ein gesunder und natürlicher Umgang mit den Ressourcen und Möglichkeiten des menschlichen Körpers zu Selbstausdruck und Selbstheilung ein Anliegen ist. Ein wichtiger Aspekt dabei ist auch, zu erkennen, welche Ansätze das unterstützen, und welche dem zuwiderlaufen, was von Natur aus im Organismus angelegt ist. 

Die Fähigkeit zu singen ist nach der funktionalen Definition ein reflektorisches Geschehen und als Anlage angeboren. Die Besonderheit dabei ist, dass während der Ausatmung die Dominanz der ausdehnenden Einatmungsmuskulatur leitend erhalten bleibt. Diese Form zu singen ist ein nicht ins Tagesbewusstsein dringender Vorgang, wie alle anderen autonom ablaufenden Körperfunktionen auch. Deshalb sind die Schutzhaltungen, die ihn begleiten, ebenfalls nicht bewusst erkennbar, außer man richtet gezielt seine Aufmerksamkeit darauf. Um die persönlichen Strategien umzuprogrammieren, ist es nötig, sukzessive schützende Alternativen anzubieten, damit der Organismus bereit ist, die selbst installierten Gewohnheiten aufzugeben. 

Das kann sicher und effektiv nur eine Lehrperson mit einschlägigem Fachwissen und geübter Beobachtungsgabe leisten, die sich mit den komplexen Vorgängen des Gesangsreflexes sehr gut auskennt und auch praktisch über die Fähigkeit verfügt, funktional zu singen. Das funktionale Hören, Sehen und Fühlen wird gesteuert über Empathie. Sie wird durch Übung in der Wahrnehmung gebildet, am eigenen Organismus und dem des Menschen, der einem gegenübersteht. Unterrichten nach bestimmten Schemata ist demnach sinnlos und unmöglich. Jede Situation, jede Unterrichtseinheit ist in Bezug auf die Einzigartigkeit jedes Menschen, seine Prägungen, Erfahrungen und Gewohnheiten sowie seine Entwicklungsstufe und Tagesform unwiederholbar.

 

FUNKTIONAL SINGEN, WAS IST DAS?

MÖGLICHST EINFACHER ERKLÄRUNGSANSATZ EINES SEHR KOMPLEXEN GESCHEHENS

 

Haltung, Aufrichtung, Atmung 

Um als Sänger ein möglichst effizientes „Instrument“ zur Verfügung zu haben, ist es sehr hilfreich, die Zusammenhänge zwischen der Körperaufrichtung, einer speziell sängerischen Atmung und der Funktion unserer Klangquelle zu berücksichtigen.

Unsere Stimmlippen sind evolutionär gesehen das letzte und auch zuletzt entstandene Ventil zum Schutz der Lunge. Es schützt sie durch seine Fähigkeit zu vegetativ gesteuerter, blitzschneller Schließung bei geringster Irritation vor dem Eindringen von Fremdkörpern. (Man stelle sich nur das berühmte eingeatmete Staubkorn vor, das zu sofortiger Schließung der Stimmlippen mit darauf folgender Hustenattacke führt!) Weil Fremdkörper von außen in uns eindringen, sind die Stimmlippen neuronal mit der Einatmungsmuskulatur verkoppelt. Das heißt, in jeder Einatmung, besonders natürlich in einer großen, haben sie eine erhöhte Bewegungs- und Schließbereitschaft. Sie sind in der Lage, von selbst zu schließen. Ihr Verschluss fühlt sich präzise an, manchmal kaum fühlbar. Deutlich wird dieser Reflex beim Schluckauf, nach heutigem Kenntnisstand einem vorgeburtlichen Training der Einatmungsmuskeln. 

Eine weitere Funktion, der Stimmlippen ist, dass durch ihre Schließung in der Einatmung und den daraus folgenden Unterdruck in der Lunge eine dominante Kraftanwendung zum Körper hin möglich wird, z. B. ein Klimmzug. Von der Funktion her sind sie also ein Unterdruckventil: Sie schützen die Lunge vor Aufblähung. Auch wenn das Ventil geschlossen ist, bleibt die Flexibilität des Körpers vollständig erhalten, denn es ist entstanden, um bestimmte Bewegungen ausführen zu können.

Dem entgegen steht ein weiteres, etwa einen Zentimeter oberhalb der Stimmlippen gelegenes Ventil: Das sind die sogenannten Taschenfalten. Sie hängen als Schleimhautlappen in die Luftröhre hinein. Sie können während der Ausatmung von Nacken- und Rachenringmuskeln sowie der Zunge geschlossen werden. Sie haben selbst keine Muskeln. Sie dienen der Stabilität des Rumpfes bei dominanter Kraftanwendung weg vom Körper, wie Gebären oder Schieben. Daher sind sie neuronal mit den Ausatmungsmuskeln verkoppelt. Für die Ausatmung verengt sich unser Rumpf durch die Kontraktion der Bauchmuskeln.

Der davon ausgelöste teilweise Verschluss der Taschenfalten fühlt sich eher großflächig an, der Hals geht „zu“. Je mehr Druck wir aufwenden, umso größer wird die Verschlussfläche. 

Die Natur hat uns den Luxus in die Wiege gelegt, unsere Stimmlippen zum Singen nutzen zu können. Möglicherweise ist das eine von der Evolution vorgesehene Möglichkeit zur Selbstregulation unserer differenzierten und deshalb störanfälligen Psyche. Sicher ist, dass Singen als einzige Tätigkeit ohne direkten Bezug zu den lebenserhaltenden Körperfunktionen in sehr hohem Maße Endorphine ausschüttet. 

Um in den Modus des Gesangsreflexes zu kommen, nutzen wir die Verschaltung unserer Stimmlippen mit der Einatmungsmuskulatur, weil sie dadurch zu hoher Bewegungsbereitschaft angeregt werden. Der erste Schritt ist also eine große, effektive Einatmung. Ab 50 % Lungenvolumen können wir von einer vollständigen sängerischen Einatmung sprechen, die diesen Regelkreis aktiviert. Am Ende einer solchen Einatmung erleben wir eine leichte Außenrotation unserer Schulterblätter. Diese Bewegung, verbunden mit einem Gefühl des „Aufatmens“, löst im Idealfall den Gesangsreflex neuronal aus.

Wenn wir singen, was wir in der Ausatmung tun, ist es wichtig, dass die Einatmungsmuskulatur weiter aktiv bleibt, um die Stimmlippen im Aktivitätsmodus zu halten. Die Ausatmung ist daher sanft, mit wenig Luftdruck unter den Stimmlippen, und immer von den Einatmungsmuskeln aktiv balanciert. Der Hals bleibt „offen“. Rabine nennt das „Unterdruckfunktion“. 

Im Gegensatz zum Singen ist Schreien eine Ausatmungsfunktion. Es entsteht durch die Aktivierung der schrägen Bauchmuskeln und ist daher mit Überdruck gekoppelt. In gefährlichen Situationen ist eine Anspannung der Bauchdecke und eine davon ausgelöste Verengung der oberen Luftwege bei gleichzeitiger Tongebung durchaus sinnvoll. Dadurch ist der sowohl der Schutz der Lungen, als auch der der Weichteile gewährleistet. Dass diese Art der Tonerzeugung die Stimmbänder strapaziert, ist in solchen Augenblicken angesichts ihrer Bedrohlichkeit sekundär.

Also ist die Tätigkeit des Singens auf der einen Seite beglückend und befreiend, auf der anderen Seite ist sie nur in einem geschützten Rahmen optimal möglich: Nur wenn der Mensch sich sicher fühlt, kann er sich und damit den Vokaltrakt in der Weise öffnen, dass diese Öffnung zum Gesangsreflex führt. 

Die Bauchmuskeln, die Haupt-Ausatmungsmuskeln, sind am Beginn der Klangerzeugung durch die Erweiterung der Rippen gedehnt. Sie werden während des Singens immer aktiver, je länger die Phrase dauert. Der Bauch darf also nach innen gehen. Das ist eine antagonistische Reaktion auf die kontrollierte Entspannung und Aufwärtsbewegung des Zwerchfells in der Ausatmung. Das geschieht ganz von selbst, wenn die Einatmungsmuskeln im Bereich der oberen Rippen aktiv bleiben. Denn dann sinkt der Brustkorb nicht zusammen. Der Luftverlust bei der Ausatmung führt also zu einer Verengung im Bereich der freien Rippen unterhalb des Brustbeins, und darunter im Oberbauch. Eine bewusste Kontraktion des Bauches während des Singens ist aber kontraproduktiv. Sie würde den Regelkreis der „Überdruckfunktion“ in Gang setzen. Die Taschenfalten würden nach innen gedrückt und der Resonanzraum dadurch verengt. Der Gesangsreflex würde zusammenbrechen. 

Da die Stimmlippen primär ein Schutzorgan sind, setzt eine Schließtendenz bei jeder Irritation im Vokaltrakt ein. Auch bei Luftverwirbelungen durch Resonanzstörung auf Grund von auf akustischen Interferenzen, den sogenannten „Brüchen“, reagiert der Körper mit Schließung. Deshalb ist es unangenehm, auf Höhe des „Bruchs“ bzw. „Übergangs“ Töne zu erzeugen.

Das Zwerchfell ist der einzige reine Einatmungsmuskel, alle anderen Muskelgruppen sind zuerst für die Körperaufrichtung zuständig. Erst wenn die Aufrichtung gewährleistet ist, werden diese Muskelgruppen auch für die Einatmungsbewegung aktiv. Ein hoher und flexibler Tonus in unserer Beinmuskulatur wirkt deshalb unterstützend auf ihre Aktivität. Denn die Beinmuskulatur ist ja reine Aufrichtungsmuskulatur. Nur eine stabile und flexible Kette der Aufrichtungsmuskulatur von den Fußsohlen bis zum Atlas ermöglicht deshalb eine Einatmungsaktivität, die für das Auslösen des Gesangsreflexes ausreicht.  

Aus diesem Grund ist es Kindern bis mindestens zum siebten Lebensjahr, normalerweise aber bis zum Ende der Pubertät, nicht möglich, einen vollständigen Gesangsreflex aufzubauen. Ihre Körperaufrichtung und der nötige Körpertonus sind noch nicht vollständig ausgebildet. Das heißt, Kinder singen in einer anderen Funktion als Erwachsene. Sie ist dem Schreien ähnlicher. Deshalb entwickeln Kinder in den allermeisten Fällen auch kein Vibrato. Es kann nur ab einer bestimmten Reife der Muskulatur entstehen, denn erst dann kann sie die erforderliche Spannung entwickeln.

Die Art der Stimmgebung von Kindern wird heute häufig in den Erwachsenengesang übernommen. Oft wird sie in der Popkultur verwendet und nimmt da eine ästhetisch recht beachtliche Stellung ein. Demgegenüber ist das Singen mit Vibrato für viele Ohren ungewohnt, weil es auch in der Kindheit oft nicht gehört wurde. Es ist heute seltener zu finden als früher, als noch eine andere Ästhetik vorherrschte. Weil sich aber bei hoher Muskelspannung und gleichzeitig effizienter Balance zwischen Agonist und Antagonist von selbst eine Art Entlastungszittern in der Muskulatur einstellt, ist Singen mit Vibrato in Wahrheit die natürlichste und gesündeste Singweise. Denn bei den klangerzeugenden Stimmmuskeln wird diese regelmäßige Schwingung zusammen mit der erzeugten Tonfrequenz hörbar.

 

Vokaltraktgestaltung, Klangerzeugung 

WIE die Luft durch unseren Mund nach innen kommt, hat auch ganz wesentliche Einflüsse auf die Qualität unserer Atmung und unseres Singens. Generell gilt: Die optimale Mundöffnung beim Singen beträgt etwa drei bis vier Zentimeter, eventuell je nach Körperbau leicht abweichend. Allerdings ist die Dehnungsbereitschaft unseres großen Kaumuskels, des kräftigsten Muskels im ganzen Körper, oft eingeschränkt durch psychosomatische Erinnerungsmuster. Es kann ein langwieriger Prozess sein, sie durch vorsichtige Dehnungsübungen und Massage wiederherzustellen.

Im Normalfall „hilft“ die Zunge bei der Kieferöffnung: Sie drückt durch Kontraktion ihrer hinteren Anteile den Kiefer nach unten und zieht gleichzeitig den Kehlkopf hoch. Dadurch wird er angehoben, der Kehldeckel wird gegen die Zungenwurzel gedrückt und schließt den Rachenraum. Denn es ist evolutionär die primäre Aufgabe des Kehlkopfs, bei der Mundöffnung die Atemwege vor dem Eindringen von Fremdkörpern zu schützen. Dabei wird der Vokaltrakt verengt, im Extremfall fast ganz verschlossen. Das hat eine „gequetschte“, „enge“, „knödelnde“ Klanggebung zur Folge. Diese Schließung des Resonanzraumes verlangt den Stimmlippen eine viel größere Anstrengung für die gleiche Lautstärke ab. 

Der Kieferöffnungsmuskel ist ein sehr schwacher Muskel, der von der Unterseite des Kinns ausgeht, und der gegen den übermächtigen Schließer Kaumuskel keine Chance hat. Darum ist Kieferöffnung ohne Zungendruck ein komplexer Bewegungsablauf. Er bezieht sehr viele Muskeln mit ein und kann deshalb nicht willentlich angesteuert werden. Am ehesten ist er mit der Öffnungsbewegung zu vergleichen, die unbewusst ausgeführt wird, bevor man aus einer Flasche einen großen Schluck trinkt. (Wenn man sich dabei beobachtet, merkt man, dass man instinktiv dabei einatmet.)

Für das Singen ist es sehr hilfreich, durch „Schürzen“ geschlossenen Lippen wie zum Küssen den Unterkiefer schlittenartig vorzuziehen, und dabei die Mimikmuskulatur dehnen zu lassen. Sobald es ohne Druck möglich ist, öffnen die kontrahierten Lippen zu „u“, dann „o“, bis zu einem dunklen, ovalen „a“. Die Zunge bleibt dabei vorne. In den Lippenringmuskeln und speziell in den Mundwinkeln bleibt eine dauernde Restkontraktion erhalten. Sonst springen andere Muskelgruppen, vorzugsweise die Zunge, sofort „helfend“ ein, um die verlorengegangene Schutzfunktion des Lippenrings zu kompensieren. Im Idealfall bleibt diese Hierarchie erhalten bis zur vollständigen Dehnung der Stimmfalte. Dehnung entspricht Bewegungs- und Schließbereitschaft. So ist ein optimaler Schutz der Luftröhre gegeben, und gleichzeitig sind die Stimmlippen bereit, bei der folgenden Klangerzeugung die dominante Rolle übernehmen.

Die oberen Atemwege sind eine zentrale, lebenserhaltende Schutzzone unseres Körpers. Ein unachtsames Vorgehen wird reflektorisch immer eine größere (Schutz-)Schließung auslösen. Darum ist Behutsamkeit bei der Mundöffnungsbewegung das A und O! Das Ergebnis ist dann eine mühelose, äußerst schnelle und lautlose Einatmung.

Die Qualität der Mundöffnung bestimmt die Qualität der Phonation. 

Durch sie wird der Vokaltrakt gestaltet, der sich von den Stimmlippen bis nach oben zum weichen Gaumen und nach vorne zur Mundhöhle erstreckt. Eine sängerisch günstige Gestaltung dieses Raumes gewährleistet eine optimale Resonanz und Klangverstärkung. Sie erleichtert dem tongebenden Organ auf diese Weise äußerst effektiv die Arbeit. Der Vokaltrakt kann seine Form extrem verändern. Die Qualität unseres Klanges, übrigens auch beim Sprechen, hängt zu einem sehr großen Teil von der Gestaltung dieses Raumes ab.

Die Position des Kehlkopfs ist variabel. Eine möglichst tiefe Senkung ist für die Klangverstärkung natürlich wünschenswert. Ein großes Instrument klingt voller und reicher als ein kleines! Allerdings darf diese Senkung nicht durch Druck der Zunge nach unten geschehen. Denn das hätte ja wieder eine Verkleinerung des Resonators und eine Dämpfung der entstehenden Klangwellen zur Folge.

Für das Singen nutzt man auch dafür eine vollständige Einatmung. Diese sorgt durch die fasziale Verbindung des Kehlkopfs mit dem Zwerchfell über die Lunge dafür, dass er durch die Zwerchfellkontraktion mit nach unten gezogen wird, und die Stimmfalte sich öffnet. In der funktionalen Fachsprache heißt das „Trachealer Zug“. 

Eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Raumgestaltung ist auch die Bereitschaft der Schluckmuskulatur, nachzugeben, zu öffnen und zu runden. Das sind die komplementären Bewegungsabläufe zu denen, die bei der Primärfunktion dieser Muskelgruppe aktiviert werden.  Schlucken bedeutet Schließen. Daher sind sie sehr ungewohnt und nicht leicht anzusteuern. Einzig bei den Schlundmuskeln, auf lateinisch Constrictoren, ist in der Funktion des Würgens eine Rundungskomponente auch reflektorisch vorgesehen. Das alles zu erkennen und zu erlauben ist nicht einfach und kann physisch und psychisch herausfordernd sein. Es braucht Geduld, Achtsamkeit und Zeit. Sonst löst es Stress aus, was dann zu größerer Schließung führt.

Neben der reinen Klangverstärkung kann unser Vokaltrakt durch kleine Veränderungen in Zunge, Lippen und Rachenrückwand auch eine Veränderung der Vokale bewirken. Im besten Fall ändern diese Artikulationsbewegungen nichts an der Form des Resonanzraumes und der Klangqualität. Dann bleibt die direkt am Kehlkopf fühlbare tiefe Frequenz verbunden mit der hohen Frequenz am weichen Gaumen, ohne dass sich die Zunge als dämpfende und verengende Komponente störend dazwischenschiebt.

Das ist dann die sängerische Artikulationsbewegung. Ihr Hauptziel ist die ungestörte Klangentwicklung. Deshalb weist sie zur Artikulationsbewegung beim Sprechen gravierende Unterschiede auf, besonders bei den „schließenden“ Vokalen. Das helle „a“ und das geschlossene „i“ kommen in der sängerischen Artikulation in der Form gar nicht vor, wie sie beim Sprechen gebraucht werden. Diese Vokale werden für die sängerische Artikulation ganz anders gebildet. Bei der Sprache liegt der Fokus auf Textverständlichkeit und Informationsaustausch, und der Stimmklang wird deshalb im Zweifelsfall sekundär behandelt. Beim Singen ist es naturgemäß genau umgekehrt. 

Auch für die Raumgestaltung beim Singen gilt immer, zuerst den Körper zu tonisieren, um eine vollständige Atmung zu ermöglichen. Nur wenn die Haltungsmuskeln stabil und zugleich flexibel sind, können die feinen und differenzierten Bewegungen in Atmungsapparat und Vokaltrakt effizient ausgeführt werden.

Um ein Stück zu erarbeiten, bietet sich daher folgende Vorgehensweise an: 

Wir singen die Melodie auf einem Vokal (gerne „o“) oder auf zwei Vokalen im lockeren Wechsel („a“ und „o“). Das erhöht die Flexibilität und beugt starren Artikulationshaltungen vor.

Im nächsten Schritt machen wir uns die Vokale des Textes bewusst. Sie stimmen sehr oft nicht mit den geschriebenen Vokalen überein! Diese Vokalfolge singen wir dann auf einem Ton bzw. auf zwei Tönen im lockeren Wechsel. Dann fügen wir Melodie und Vokalfolgen zusammen. 

Um die Konsonanten in der gewünschten Feinheit und Präzision zu erkennen, können wir anschließend den Text leise flüstern, mit so wenig Luftdruck, wie wir beim Singen verwenden würden, am besten während einer Einatmung. Das löst eine andere Form der Öffnung des Mundraums aus, als es während einer Ausatmung der Fall wäre. Auch die Mundöffnung dabei sollte zu der beim Singen passen. 

Im letzten Schritt nehmen wir die Konsonanten zum Stück dazu, ohne den unaufhörlich schwingenden Raum damit zu stören. Sie werden immer etwa auf Sprachtonhöhe gebildet. Der Grund dafür ist folgender: Für die Bildung von Konsonanten muss der Kiefer meistens geschlossen werden. Das bedeutet aber, dass der Kehlkopf dann zu hoch steht für gesunde funktionale Tonerzeugung. Um den Übergang zum gesungenen Vokal jedoch unhörbar, ohne „Schleifer“ zu bewerkstelligen, stellt man sich dafür am besten einen Oktav- oder Quintsprung vor, weil diese Intervalle in den größtmöglichen ganzzahligen Verhältnissen zur angestrebten Tonhöhe stehen. Dafür ist sicher einige Übung nötig. Das entspricht funktional aber einem Tonsprung. Auch der wird ja nicht willentlich angesteuert, sondern über die Tonvorstellung von den Stimmlippen unwillkürlich ausgeführt. 

Ist während des Stücks ein Nachatmen nötig, so geschieht das im Idealfall sehr schnell, effektiv, mühelos und geräuschlos . Grund dafür ist die dauernd vorhandene Dominanz der Einatmungsmuskeln, die bei Beendigung der Ausatmungsaktivität sofort eine Einatmungsbewegung auslöst. Die reflektorische Öffnung der Stimmlippen bei Beendigung der Tonschwingung und die schon vorhandene optimale Raumgestaltung durch den Vorgang des Singens beseitigen praktisch alle Widerstände in den Atemwegen. Diese sängerische Nachatmung führt dann genauso effektiv und mühelos zum nächsten Toneinsatz durch die Selbstschließung der Stimmlippen.

Anders ausgedrückt, der Modus des Singens wird das ganze Stück hindurch beibehalten und erst nach dem letzten Ton beendet. 

EVOLUTION DES SINGENS

EVOLUTION DES SINGENS 

Singen in der funktionalen Weise, wie Eugen Rabine es versteht, ist eine Art, den Körper zur Klangerzeugung zu nutzen, die dem Menschen auf Grund seiner vollständigen Aufrichtung als einzigem Lebewesen zur Verfügung steht. Allein die echte Aufrichtung des Körpers mit seinem Klangraum im Inneren ermöglicht nämlich die Entstehung einer stehenden Klangsäule.

Der Vokaltrakt erstreckt sich von den schwingenden Stimmlippen bis zum geschlossenen Gaumensegel, etwa 12 bis 15 cm vertikal nach oben beim erwachsenen Menschen. Seine Funktion bei der Klangerzeugung ist in sich so differenziert, dass ein sich selbst regulierender reflektorischer Ablauf zwischen dem Vokalismuskel und dem Ringknorpel-Schildknorpelmuskel entstehen kann. Dabei sorgt ein Grundtremor der antagonistisch arbeitenden Muskulatur von etwa 5-7 Hz für ausgleichende Entlastung während der kontinuierlichen Belastung.

Diese Balance kann nur erreicht werden durch die starke Senkung des Kehlkopfes während der Entwicklung von Kind zum Erwachsenen, die so nur beim Menschen vorkommt. Sonst wären die anatomischen und akustischen Voraussetzungen für eine derartig differenzierte Erzeugung von Tönen nicht gegeben. Anders gesagt, die aufgerichtete Körperhaltung ist die Voraussetzung für das Singen. Sie ist es auch für den flexiblen, differenzierten Gebrauch unserer Artikulations- und Mimikmuskulatur beim Sprechen, und auf diese Weise für die Entwicklung der menschlichen Kultur allgemein. 

Nach neueren Erkenntnissen hat sich diese Haltung, die uns von allen anderen  Tieren unterscheidet, in zwei Schritten vollzogen: Als die frühen Vorfahren des  Menschen sich auf die Bäume schwangen, um neue sichere und nahrungsreiche  Lebensräume zu erschließen, wurde außer dem Überdruckventil, den Taschenfalten, das die Ausübung von Druck weg vom Körper ermöglicht, ein Unterdruckventil nötig, um bei über den Kopf gehobenen Armen eine allzu starke Aufblähung der Lunge zu verhindern. Das waren die Vorläufer der Stimmlippen.

Später, in einem als „second waterperiod“ bezeichneten Entwicklungsschritt, verlegten die Hominiden ihren Lebensraum von den Bäumen an die Ufer der Flüsse, Seen und Ozeane, um ihr Nahrungsangebot zu erweitern. Sie lernten, im seichten Wasser Fische zu fangen. Dafür spricht auch der stromlinienförmige Körperbau , der sich von dem aller anderen Primaten unterscheidet und die Form und Position des menschlichen Beckens vertikal über den Beinen. Die horizontale Nasenöffnung, die das Eindringen von Wasser erschwert, die Fähigkeit, mit Hilfe des weichen Gaumens die Nase von innen zu schließen und die Reste von Schwimmhäuten zwischen den Fingern lassen ebenfalls auf Aktivitäten im und unter Wasser schließen. Unsere angeborene Vorliebe für Wasser und Leben an Gewässern sowie Größe und Eiweißbedarf unseres Gehirns, der allein durch die Nahrung der anderen Primaten niemals gedeckt werden könnte, sind weitere Hinweise dafür.

Allmählich veränderte sich der Körperbau, durch den Auftrieb des Wassers unterstützt, bis die vollständige Aufrichtung möglich wurde. Dadurch senkte sich der Kehlkopf sich in den verlängerten Hals ab und nahm stark an Beweglichkeit zu. Damit waren die anatomischen Voraussetzungen für Gesang und Sprache geschaffen.

Noch heute entwickelt sich jedes neugeborene Kind auf die gleiche Weise, und funktionaler Gesang mit dem Vibrato als Regulativ ist daher auch erst nach der Pubertät, der vollständigen Kehlkopfsenkung möglich. Davor gibt es in der Regel nur eine Form des Rufens bzw. auch Schreiens, um Töne zu erzeugen. 

BELCANTOBEGRIFFE UND FACHAUSDRÜCKE FUNKTIONAL ERKLÄRT A - E

ANSATZ -> SITZ / VORDERSITZ

ANSATZROHR -> VOKALTRAKT

 

APERTO MA CUPERTO 

Der Begriff „suono aperto“, „offener Klang“, bezieht sich auf den horizontalen Durchmesser des Vokaltrakts: Die Constrictoren, die Schlundmuskeln, bilden die hintere Wand, der hintere Zungenrücken die vordere Wand des Vokaltrakts. Je mehr die Constrictoren runden und je weiter vorne die Position des Zungenrückens ist, desto weiter geöffnet ist der Vokaltrakt. 

Der Begriff „offene Vokale“ wird im deutschen Sprachgebrauch in einer anderen Bedeutung gebraucht: Damit wird der Grad der Kieferöffnung bezeichnet („offen – Ofen“!). Offene Vokale in dieser Bedeutung gibt es im Deutschen nur als kurze Vokale, lang gesprochene Vokale sind immer geschlossen. In anderen Sprachen, etwa im Italienischen, gibt es andere Strategien für die Bildung von offenen Vokalen. Das im Deutschen dafür nötige Aufklappen des Unterkiefers nach unten ist aber nicht gleichzusetzen mit der horizontalen Weite des Klangraumes. Im Gegenteil: Ab einer Öffnung über etwa drei bis vier Zentimeter vorderer Zahnreihenabstand ist es sogar kontraproduktiv. So weit könnte der Unterkiefer auf Grund seiner Anatomie nur mit Hilfe von Zungendruck geöffnet werden. Das hätte zur Folge, dass der Zungenrücken nach hinten in den Rachen geschoben würde. Er würde den Vokaltrakt also teilweise wieder verschließen.

Grundton und 1. Vokalformant werden aber im unteren Teil des Vokaltrakts verstärkt. Die dunklen Anteile des Stimmklangs werden demnach nur hörbar, wenn der untere Vokaltrakt offen und stabil ist. Dann dringen alle Anteile des Klangspektrums nach außen. Ohne Verengungen entsteht auch keine Dämpfung der tiefen Frequenzen der Schwingung. 

„Suono cuperto“, „gedeckter Klang“, bezieht sich auf die Kuppelform des geschlossenen Gaumensegels. Sie stellt sich bei Kieferöffung über zwei Zentimenter mit gerundeten Lippen, die gleichzeitige reflektorische Öffnung des oberen Riechwegs der Nase und die Senkung des Kehlkopfs als Folge des Saugreflexes ein.

 

APPOGGIARE LA VOCE

Appoggiare la voce in petto“ oder auch appoggiarsi in petto“ ist ein Belcantobegriff, der sich auf die Wahrnehmung bezieht, dass das menschliche „Instrument“ eine spürbare Begrenzung hat, die aber keine einengende, sondern vielmehr eine die Stimmgebung (unter-)stützende Empfindung hervorruft. Er beschreibt die Empfindung, „die Stimme von innen am Brustkorb anzulehnen“ im Augenblick des Stimmeinsatzes. 

Aus der Sicht der Atemorganisation ist die Gesangsfunktion definiert als: 

Die Beibehaltung der Dominanz der Aktivität der Einatmungsmuskulatur über die Aktivität der Ausatmungsmuskulatur während der Ausatmung.

Das bewirkt eine Drosselung der Fließgeschwindigkeit der ausströmenden Atemluft. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit dem kontrollierten Absetzen eines schweren Gegenstandes, bei dem die hebende Muskulatur, in dem Fall der Bizeps, die Bewegung kontrolliert. Das ist eine sehr komplexe, vom Gehirn gesteuerte Balance zwischen der Aktivität von zwei gleichzeitig antagonistisch arbeitenden Muskelgruppen. Auf die Atemmuskulatur übertragen heißt das: Die Einatmungsmuskeln, das Zwerchfell und die äußeren Zwischenrippenmuskeln, halten ihre Aktivität aufrecht und erhöhen sie zur Stabilisierung sogar in dem Augenblick, in dem die Ausatmungsmuskeln aktiv werden. Das bewirkt eine leichte Vergrößerung des Brustdurchmessers von hinten nach vorne, vom Rückgrat zum Brustbein, im Moment des Einsatzes. Dieser Effekt stellt sich allerdings nur ein bei seitlicher Erweiterung der Rippen in der Einatmung. Die Bauchdecke wird dieser Art der Einatmung passiv leicht nach innen gezogen durch die Rippenerweiterung.

Verwechslungsgefahr besteht mit dem nach aktiven nach innen Drücken der Bauchdecke durch die schräge Bauchmuskulatur: Das würde Dominanz der Ausatmungsmuskulatur über die Einatmungsmuskulatur bedeuten, und somit Überdruckfunktion. Denn die schrägen Bauchmuskeln sind die Haupt-Ausatmungsmuskeln.

 

ARTIKULATION 

Der Begriff Artikulation kommt in zweierlei Hinsicht beim Gesang vor: Auf der stimmlichen Ebene bedeutet er, dass verschiedene Tonhöhen, Tonlängen oder dynamische Abstufungen klar voneinander getrennt wahrnehmbar sind. Diese Ausdrucksweise ist übernommen vom Instrumentalspiel. Beim Gesang ist aber ein neuronales Programm für all diese Abstufungen zuständig. Der Versuch einer willentlichen Steuerung kann das komplexe Geschehen nicht unterstützen, nur stören. Deshalb gibt es für diese Form der Artikulation beim Singen auch keine direkt erlernbaren Techniken, wie das beim Instrument der Fall ist.

Die Erfahrung, dass die Stimme ein Eigenleben führt und all das ohne willentliches Zutun, nur über „Wünschen“ bewerkstelligt, ist Ziel und Endpunkt des funktionalen Werdegangs („Es singt.“). Überlässt man nämlich das Geschehen der unwillkürlichen autonomen Steuerung, beginnt das System, über die Stimmlippen die Funktion zu regeln. Schwingungsfrequenz und Vibrato sind dann die organisierenden Parameter. So entstehen „perlende“ Tonwechsel, die mit der viel zu schwerfälligen willentlichen oder muskulären Kontrolle niemals erreicht werden könnten. Ein häufig dafür verwendeter Begriff ist auch der der „agilita”, der „Geläufigkeit“. Der am ehesten dazu passende Belcantobegriff lautet „non saponare“, „nicht schmieren“. Ähnlich wie bei der auch recht komplexen Aktivität des Schreibens setzt diese Forderung vor allem die mentale Bereitschaft zu Sorgfalt und Achtsamkeit in der Wahrnehmung voraus. Und das ist der Schlüssel zum Gesangsreflex: Energie folgt der Aufmerksamkeit. 

Das Programm der Artikulation in Bezug auf die Wortbildung hingegen ist ein ganz tiefer Inprint im Gehirn. Er wurde im frühen Kindesalter erworben, bei noch extrem hochstehendem Kehlkopf und unvollständiger Körperaufrichtung. Bei der Sprachartikulation wird der Klangstrom von geräuschhaften Konsonanten immer wieder unterbrochen. Beim Singen dagegen schwingt der Vokal durch alle Konsonanten durch. Das ist ein komplett anderes Artikulationsprogramm. Die Prämisse dabei ist die Qualität der ungestörten Stimmlippenschwingung. Ihr ordnen sich alle Artikulationsbewegungen unter. 

Tonerzeugung und Textartikulation sind beim Gesang demnach getrennte Funktionen. Die Zunge leitet die Bildung der Vokale und Konsonanten, der Kiefer folgt nur und bleibt so weit offen wie möglich. Die Vokalbildung findet in der Hauptsache direkt über dem Kehlkopf in waagerechter Richtung statt, ähnlich wie bei der Technik des „Bauchredens“. Artikulations- und Klangempfindung sind getrennt: Die Artikulation der Vokale geschieht vor allem zwischen Rachenringmuskulatur und Zungenwurzel. Gleichzeitig wird aber die Resonanz im Kopf immer stärker, je höher der gesungene Ton ist. Die Konsonantenartikulation erfolgt dazwischen im vorderen Mundraum im Bereich des harten Gaumens. Im Unterschied zur Spracherzeugung werden Konsonanten beim Gesang nicht mit Überdruck gebildet, sondern gewissermaßen im „Einatmungsmodus“. Grund ist die dominant leitende Einatmungsmuskulatur während des Singens.

Diese Form der Artikulationsbewegung wird von der Rundung des Rachenraumes geleitet. Sie muss wie eine fremde Sprache mit bisher unbekannten Vokalfarben neu erlernt werden. Das ist ein wesentlicher Bestandteil von funktionaler Stimmbildung. 

 

ATMUNG

EINATMUNG

Die Einatmungsaktivität ist eine muskuläre Aktivität. Sie ist nach unten und zu allen Seiten gerichtet, damit eine Erweiterung der Lungen möglich wird. 

Die effizienteste Atmung bei allen körperlichen Aktivitäten ist Mundatmung. Nasenatmung ist Ruheatmung. Der Luftaustausch erfolgt viel langsamer. Ihre Vorteile liegen hauptsächlich in der Filterung und Erwärmung der Luft.

Je weiter die Mundöffnung für den zu erzeugenden Sog ist, desto weiter hinten wird das Zwerchfell aktiviert, weil es sich hinten weiter absenken kann. Umso tiefer wird dann die Einatmungsbewegung. Die Öffnung des Brustkorbs findet dabei von unten nach oben statt. Was bereitgestellt wird durch diese muskuläre Erweiterung des Lungenraumes, wird durch den davon erzeugten Luftdruckunterschied zwischen Außen- und Innenbereich mit Luft gefüllt. Konkret ist Einatmung also eine Positionsänderung, kein Zug. Durch sie öffnen sich die Luftwege reflektorisch. Der Kehlkopf wird bei der Einatmung mit nach unten bewegt.

Beim Singen bleibt das Einatmungsprogramm aktiv. Dadurch ist gewährleistet, dass die Luftwege vollständig geöffnet bleiben. Das ist für die Resonanz von entscheidender Bedeutung. Der Kehlkopf bleibt in Tiefstellung trotz erfolgender Ausatmung. Durch diese tiefe Kehlkopfposition ist der weiche Gaumen reflektorisch gehoben, und der „obere Luftweg“, der für das Riechen zuständig ist, geöffnet. (Zitat Enrico Caruso: „Beim Singen atmen, als ob man an einer Rose riecht“). Dieses Bild gilt allerdings nur für den Beginn der Einatmung: Sängerische Einatmung ist Mundatmung mit geöffnetem Riechweg. Die Nase ist geschlossen. Der weiche Gaumen schließt sie bei etwa 1/3 der möglichen Kieferöffnung reflexhaft.

Ideal ist ein Einatmungsvolumen der Lunge von ca. 75%. Am Ende der Einatmung werden sowohl der innere Hüftmuskel als auch der große Brustmuskel aktiv. Bei noch größerer Einatmung besteht die Gefahr, dass sich weitere Hilfsmuskeln, vor allem im Nackenbereich, dazuschalten. Das würde dem System die Flexibilität nehmen, die für die subtilen Vorgänge beim Singen nötig ist.

Das Signal für das Ende der Einatmung ist eine sehr angenehme Erweiterungswahrnehmung im Rücken, auf Höhe der 5. Rippen, die auch den Nies- und Gähnreflex auslöst. Beim Räkeln, der exzentrischen Kontraktion der Atemmuskulatur, spielt diese Wahrnehmung ebenfalls eine Rolle. Diese feine Atemdosierung wurde in Italien schon im 17. Jahrhundert als „forza naturale del petto“, als „natürliche Aktivität der Brust“ bezeichnet. 

Bei vollständiger Einatmung gibt es eine Neurokopplung zwischen der Einatmungsmuskulatur und den Stimmlippen. Die löst am Ende der Einatmung reflektorisch eine Stimmlippenschließung und damit den Gesangsreflex aus. Eine Kontrolle über den Atemablauf unterhalb des Mundraums ist nicht möglich. Er ist lebenserhaltend und deshalb vorprogrammiert.

Durch die Kehlkopfsenkung werden die Stimmlippen geöffnet und gedehnt. Die Belcantoschule hat dazu den Satz geprägt: „Gut atmen heißt den Grund der Kehle öffnen“. Sie erhalten dadurch mehr Tonus, wie eine Saite, die gespannt wird. Dadurch erhöht sich ihre Schließbereitschaft, nicht nur mechanisch, sondern auch von der Anzahl der neuronalen Impulse her. Beim Toneinsatz wird das in kinetische (Bewegungs-)Energie umgewandelt.

 

AUSATMUNG

Bei der Ausatmung schließen die Atemwege leicht. Das hat evolutionäre Gründe: Zu schneller Luftverlust würde die Gefahr mit sich bringen, dass das Lungengewebe zusammenfällt. Bei starker körperlicher Anstrengung entsteht deshalb ein keuchendes Geräusch durch Widerstände in den Atemwegen. Diese Form der Ausatmung ist für das Singen selbstverständlich sehr ungünstig.

Das funktionale Singen zeichnet sich daher durch eine spezielle Sonderform der Ausatmung aus: Die Einatmungsmuskulatur wirkt dabei dominant weiter, obwohl die Klangerzeugung ja während der Ausatembewegung geschieht.

Dabei ist am Beginn des erzeugten Tones der quere Bauchmuskel der einzige aktive Ausatmungsmuskel. Die schrägen Bauchmuskeln, die eigentlichen Ausatmungsmuskeln, können sich am Ende von langen Phrasen dazuschalten, um das untere Drittel der Lunge zu komprimieren. Sie werden aber immer geleitet von der weiterbestehenden Einatmungstendenz. Sind die Atemmuskeln gut trainiert, ist sängerische Ausatmung auf diese Weise möglich bis zum Residualvolumen über das Ruheatmungsvolumen hinaus. Die Einatmungstendenz bleibt dabei erhalten: Die Einatmungsmuskeln halten immer mehr dagegen und dosieren so die Ausatmungsaktivität. Durch dieses Programm schließt sich an das Ende der Tonerzeugung sofort die nächste Einatmung an. Die Einatmungsmuskeln sind ja gerade dann höchst aktiv.

Die sehr langsame Ausatmung beim Singen aktiviert den Vagusnerv, ähnlich wie bei einer Meditation. Sehr suggestiv sagt die Belcantoschule zu dieser sängerischen Atemführung „portare la voce“, „die Stimme tragen“, auf dem Atem, genauer gesagt, auf der Einatmungsmuskulatur. Wechselt die Dominanz von der Einatmungs- zur Ausatmungsmuskulatur, in die Überdruckfunktion, stoppt der Gesangsreflex. 

 

AUFRICHTUNG 

Der Sänger stehe wie ein Baum“ ist ein beliebter Belcanto-Ausspruch. Schon Pier Francesco Tosi (1654-1732) beschrieb in seinen „opinioni de cantori“ eine aufrechte, würdige Haltung als Voraussetzung für einen störungsfreien Stimmklang. Singen ist jedoch permanente Mikrobewegung im Stehen. Erstarrung oder Fixierung in irgendeinem Teil des Systems behindert die nötige Anpassung an die sich durch die Atembewegung ständig ändernden Bedingungen. Ein Baum ist zugleich stabil und flexibel. Die Balance zwischen diesen beiden Parametern ist die Basis des funktional stimmigen Gesangs.

Die Wirbelsäule mit ihrer Doppel-S-Form bildet bei optimaler Aufrichtung eine Linie von der unteren Lordose bis zum Atlas. Allerdings ist diese Krümmung bei vollständiger Aufrichtung „von den Hacken bis zum Nacken“ nur noch in geringem Maße vorhanden. Einzig die Lendenwirbelsäule wird durch die Innervierung von Bein- und Beckenbodenmuskulatur stärker gekrümmt. Dadurch kippt das untere Becken nach vorne.

Die Aufrichtung der Wirbelsäule beginnt am oberen Rand des Beckens und setzt sich fort bis zum Atlasgelenk, auf dem der Schädel sitzt. Die untere Beckenkippung ist die komplementäre Gegenbewegung dazu. Diesen Bewegungsimpuls bezeichnete Caruso als „vom Unterleib her ansetzen“. Sie erfolgt während der ersten sängerischen Einatmung und verstärkt sich weiter durch alle nachfolgenden Phonations- und Nachatmungsphasen hindurch. Die entsprechende Muskulatur gewinnt durch Gesangstraining immer mehr an Kraft und Ausdauer. So kann beim Singen schließlich bis zur Residualluft ausgeatmet werden, ohne dass die dominante Einatmungstendenz verloren geht.

Unterstützend dabei wirkt auch die neurologische Verbindung zwischen dem unteren Sphinktersystem des Beckenbodens und dem oberen der Atemwege. (Ein Sphinktersystem ist ein ringförmiges Muskelsystem, das in Schließung gehen kann.) Sie sind so verschaltet, dass immer, wenn das eine System Öffnung erlaubt, das andere schließt. Diese Verbindung dient der Fähigkeit, im Brust- und Bauchbereich Druck aufzubauen: Wenn das obere System schließt, kann Überdruck entstehen, wenn das untere schließt, entsteht Unterdruck. Wenn also die Beckenbodenmuskulatur kontrahiert, erlaubt das den oberen Atemwegen auch neuronal die Öffnung.

Im Grunde ist die typische „Sängerhaltung“, das „sich in Positur Stellen“ durch die dadurch bewirkte Erweiterung des oberen Brustraumes praktisch gleichbedeutend mit der sängerischen Einatmung. Das ist auch der Grund, warum für ungeübte Augen der Eindruck entsteht, Profis würden überhaupt nicht einatmen, bevor sie zu singen beginnen: Sie nehmen gern die Hände vor der Brust zusammen, richten sich „würdevoll“ auf, erheben den  Blick „bis in den zweiten Rang des Opernhauses“ und schürzen ganz leicht die  Lippen, wie wenn sie „an einer Rose riechen“ (Caruso). Dann öffnen sie einfach den Mund. All das entfaltet den Vokaltrakt, vom oberen Nasenweg bis zu den Stimmlippen, und entfächert die Rippen. Durch den entstehenden Sog „fällt die Luft“ von selbst in das sich öffnenden Vakuum. Durch den Zug vom Zwerchfell werden die Stimmlippen zwischen Schildknorpel und Stellknorpeln „gespannt“ und sind bereit für den Stimmeinsatz. 

Während des Singens werden dann häufig die Arme zu beiden Seiten geöffnet. Dadurch wird die Erweiterung der oberen Rippen aufrechterhalten und damit das Neuroprogramm der Einatmung unterstützt. Die ständigen minimalen, aber gleichzeitig äußerst differenzierten Bewegungen, die den Luftverlust ausgleichen, sind so wenig von außen wahrnehmbar, dass die italienischen Gesangslehre für die Haltung beim Singen zwei Begriffe geprägt hat: „stare come una statua“, „stehen wie eine Statue“, und „stare su una barca ancorata“, „auf einem Boot stehen, das vor Anker liegt“. Diese beiden Bilder beschreiben anschaulich die Attribute der sängerischen Aufrichtung: Stabilität und Flexibilität.

Die durch die ständige Veränderung des Körperschwerpunkts in der Ein- und Ausatmung nötige Nachregulierung der Balance wird von den balanciert schwingenden Stimmlippen neuronal gesteuert. 

Die komplette Statik reagiert auf die Atmung, denn die sekundäre Atemmuskulatur ist in erster Linie Körperaufrichtungsmuskulatur. Stimmt die Statik nicht, ist eine vollständige Einatmung unmöglich. Von hinten unten über vorne oben nach vorne unten ist die Richtung der aufrichtenden Muskelschlinge, ähnlich dem Prinzip beim Hissen eines Segels. Dabei kann die innere Raumwahrnehmung als Orientierung für gleichmäßige Aufrichtung dienen. Dieser Bewegungsablauf ist uns assoziativ vertraut als Aufrichtungsprogramm beim Auftauchen vom Grund eines Gewässers: Der erste und dominante Impuls geht von den Fersen aus. Daraufhin strecken sich Beine und Rücken. Die Hebung und Schwimmbewegung der Arme, die Streckung der Körpervorderseite folgen. Am Ende wird der Kopf gehoben.

Die Anweisung aus dem Belcanto, „die Knie locker zu lassen bei großer Höhe“, bezieht sich vermutlich auf das Loslassen der Kniescheiben. Das Hochziehen der Kniescheiben ist eine schließende Schutzbewegung. Sie kann andere schließende Reaktionen hervorrufen.

Die größtmögliche Aufrichtung beinhaltet auch eine größtmögliche Öffnung.  „Con expansione“ heißt das in der Belcantosprache. Dabei wird vom Einatmungsprogramm für die sängerische Klangerzeugung die Aufrichtungsbewegung so organisiert, dass vollständige sängerische Einatmung möglich wird.

Die Qualität der Aufrichtung bestimmt die Qualität der Einatmung.

Haltung, sowohl in der körperlichen Position als auch im Kehlkopf selbst, ist bewusst nicht wahrnehmbar. Das Gehirn gewöhnt sich schnell an Zustände und realisiert sie dann nicht mehr. Bewusst spürbar ist nur Bewegung und Veränderung. Das macht es schwer, die eigenen gewohnheitsmäßigen Haltungen selbst zu erkennen, um sie durch zielführendere Strategien zu ersetzen. Deshalb ist für die funktionale Entfaltung der Stimme jemand notwendig, der von außen supervidiert. Nur so wird eine echte Neuprogrammierung des Systems möglich.

 

BAUCHMUSKULATUR 

Die Bauchmuskulatur besteht aus drei Schichten: Außen liegt der schräge Bauchmuskel: Er ist der stärkste Ausatmungsmuskel. Außerdem ist er für die Beugung des Rumpfes zuständig. Er reicht von den Achseln hinunter bis in die Bauchmitte. Der darunter liegende gerade Bauchmuskel („Sixpack“), fungiert als Stabilisator der Körpervorderseite. Damit ist er der Gegenspieler der Wirbelsäule. Ganz innen liegt der quere Bauchmuskel: Er ist ein differenziert arbeitender Ausatmungsmuskel. Wie die gesamte bewegliche Bauchmuskulatur ist er zusammen mit der Rückenmuskulatur auch für die Körperaufrichtung zuständig.

Daneben gibt es noch weitere Funktionen, die diese Muskelgruppen erfüllen: Wenn die Bauchmuskeln aktiv werden, werden es auch die Kaumuskeln, denn zwischen beiden Muskelgruppen besteht eine Neurokopplung. Mehr noch, die sogenannte „Bauchpresse“ durch die schräge Bauchmuskulatur führt immer zur Schließung der Taschenfalten als Vorbereitung für den Schluckvorgang.

Auf emotionaler Ebene gibt es einen reziproken Zusammenhang: Bei Angst und Stress kontrahiert die Bauchmuskulatur in einem Schutzreflex. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass eine kontrahierte Bauchmuskulatur Gefühle von Angst und Stress triggern kann. Für das Singen ist daher eine Atmung ohne Bauchpresse von höchster Priorität, um die Schließung der Vokaltrakts, des Resonanzraumes zu verhindern. Ausatmung muss aber erlaubt werden, da ja die Phonation ein Ausatmungsprogramm ist. Wird die Ausatmung behindert, kollabiert in Folge der Schultergürtel und somit die Aufrichtung.

Wesentlich für die sängerische Ausatmung ist daher, dass die Einatmungstendenz regulierend wirksam bleibt. Das bedeutet: Auch bei aktiver Ausatmungsmuskulatur sollen die schrägen Bauchmuskeln gedehnt und die oberen Rippen erweitert bleiben. Bei dieser Form der Ausatmung ist zunächst nur der quere Bauchmuskel aktiv, der wie ein Gürtel die Körpermitte umspannt. Das ist ein komplexer Vorgang, der über die Stimmlippen, organisiert wird: Die Dehnung der schrägen Bauchmuskulatur aktiviert sie, denn sie sind das Unterdruckventil. Das Anspannen der Bauchmuskulatur dagegen aktiviert das Überdruckventil, die Taschenfalten.

Deshalb ist Bauchmuskeltraining als Sport für Sänger ungeeignet, denn es bildet Synapsen für die Schließaktivität des Vokaltrakts aus.

 

BELTING 

Als Belting („Schmettern“) bezeichnet man eine modifizierte Überdruckfunktion. Durch den höheren Luftdruck erhöht sich die Schließintensität der Stimmlippen, und der Kehlkopf wird etwas nach oben getrieben. Beim Belten hört meistens das Vibrato auf. Die selben Muskeln, die beim Singen ohne Vibrato die Stimmlippen von der Seite her etwas zusammenschieben, um die Vibratoschwingung zu drosseln, rufen auch den dichteren Stimmlippenschluss hervor. Der Vokaltrakt wird kürzer, denn das Gaumensegel flacht ab wegen des geringeren Gegenzugs der Einatmungsmuskulatur. Der Vokal wird breiter. Geringere innere Rundung und ein lächelnder Gesichtsausdruck sind die Folge, anders als beim funktional stimmigen Gesang. Es entsteht eine Brechung der von den waagrecht schwingenden Stimmlippen erzeugten stehenden Klangwelle. Dadurch entsteht eine Vibrationswahrnehmung am harten Gaumen, statt im weichen Gaumen, wie es beim klassischen Singen der Fall ist. Der 2. Vokalformant resoniert weiter vorne, nicht direkt vertikal über den Stimmlippen, sondern schräg nach oben in Richtung des harten Gaumens im Mundraum. Das Klangergebnis ist heller und härter, daher die Bezeichnung „Belting“

Diese Variante ist nicht per se schädlich für das sängerische „Instrument“: Die Belastung ist etwas höher, und das Klangergebnis ist nicht so tragfähig wie das Singen mit optimaler Tiefstellung des Kehlkopfes, weil der Vokaltrakt kürzer ist. Deshalb wird die Obertonreihe nicht vollständig gebildet. Das ist der Grund, warum dann ein Mikrofon zur Verstärkung nötig wird, anders als beim klassischen Gesang.

 

BEWEGUNG 

Singen ist permanente komplexe Bewegung im Stehen. Haltungen sind dabei hinderlich und störend. Aber auch unkontrollierter, oft unbewusster Bewegungsdrang ist meistens das Resultat von Fixierungen irgendwo im Körper. Er entsteht aus dem Versuch, die nötige Flexibilität für die Klangerzeugung wieder herzustellen.

Harte, schnelle Bewegungen triggern die Gefühlszustände von Angst, Flucht oder Verteidigungsbereitschaft. Das erzeugt (Schutz-) Schließungen. Daher ist es wichtig, beim Singen weiche, langsame Bewegungen zu machen, erst in Richtung entlang der Achse, dann seitlich davon, so, wie es den Funktionen der Körperausrichtung entspricht. 

 

BEWUSSTSEIN 

Bewusstsein ist ein Begriff, der auf vielfältige Weise interpretiert werden kann. Die Bewusstseinsform, die das funktionale Singen organisiert, entsteht immer aus der Wahrnehmung dessen, was gerade geschieht. Die Wahrnehmung selbst wird bewusst. Ich möchte das als Wahrnehmungsbewusstsein bezeichnen. In Meditationspraktiken wird es Achtsamkeit genannt.

Im Gegensatz dazu meint Wissens- oder Willensbewusstsein die Kontrolle über das, was geschehen soll. Bewusste Kontrolle ist aber immer grob, denn die unterbewussten Abläufe und Reaktionen sind so subtil und vielschichtig, dass das Tagesbewusstsein sie niemals vollständig erfassen kann.

Darum kann man die unbewussten Funktionen des Körpers nicht bewusst positiv beeinflussen, nur negativ. Man kann nur wahrnehmen, erleben, und so aus dem Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsmodus in den Ruhe- und Bindungsmodus wechseln. Dann beginnen die Selbstregulationsmechanismen des Körpers, das Geschehen zu heilen, zu differenzieren und zu optimieren. Auf dieser Basis beruhen auch sehr vielen Heilmethoden. Exemplarisch hierfür sei die Feldenkrais- Methode genannt. Dieser kreativ- körperbewusste Ansatz war ein wichtiger Teilaspekt bei der Entwicklung des funktionalen Gesangstrainings durch Eugen Rabine.

Das Wahrnehmungsbewusstsein lässt sich durch Achtsamkeit immer weiter verfeinern. Nach und nach entwickelt sich eine immer optimalere Körperbehandlung, und eine immer klarere Anbindung an das reine Bewusstsein, anders ausgedrückt an die Intuition. Der intuitive Ansatz, der vielen Gesangsschulen zugrunde liegt, ist geeignet, diese Zusammenhänge zu unterstützen.

Singen ist eine höchst emotionale Ausdrucksform des Menschen. Im Grunde laufen die Steuerungsmechanismen des funktionalen Singens in den selben Hirnregionen ab wie die Emotionen. Die lehrende Person muss allerdings genau wissen, welcher Weg und welche Strategien zielführend sind. So kann sie die lernende Person anleiten, sich dem reflektorischen Geschehen beim Gesang immer mehr anzuvertrauen, und störende, meistens unbewusste Gewohnheiten nach und nach durch sinnvollere Strategien zu ersetzen.

Je weniger bewusst gewollt wird, desto dominanter agiert das parasympathische, unwillkürliche Nervensystem, das die Reflexe und Emotionen autonom steuert.  Je mehr Wollen im Spiel ist, desto mehr übernimmt das sympathische, willentliche Nervensystem die Kontrolle. Es kann jedoch die höchst komplexen und äußerst differenzierten Vorgänge beim Gesangsreflex weder erkennen noch optimal leiten. 

Im Endeffekt bedeutet das, dass das Leistungsprinzip, der Wille, etwas herbeizuführen mit all seinen Auswirkungen auf Körper und Psyche in diametralem Gegensatz zu dem steht, was Singen im Kern ausmacht. Das ist nämlich Lust, Freude, das Gefühl von Befreiung und sogar Glück. Was den funktionalen Entfaltungsvorgang fördert, ist erlauben statt zu erzwingen, geschehen lassen statt zu wollen.

 

BOCCA RIDENTE

Die Rundung des Lippenringmuskels, die nötig ist, um die Einatmungstendenz für die sängerische Klangerzeugung zu gewährleisten, erlaubt nicht, dass ein lächelnder Gesichtsausdruck beim Singen entstehen kann.

Lächeln ist eine vom Zähnefletschen abstammende mimische Aktion. Sie ist dem Beißen verwandt, denn sie wird durch Aktivierung der Lippenheber hervorgerufen. Diese Muskeln gehören wie alle Mimikmuskeln zur schließenden Muskulatur.

Mit „bocca ridente“ gemeint ist wohl, dass bei der Mundöffnung für den Saugreflex die Oberlippe nicht an der oberen Zahnreihe anliegt. Eine zweite Analogie zum Lachen bildet der offene, fröhlich-entspannte Blick, mit entspannter Augenringmuskulatur bei glatter, faltenfreier Stirn.

Durch die Erlaubnis, dass sich die Mimikmuskulatur maximal dehnen lässt, entsteht an der Schädelmuskulatur ein Dehnungsreiz, im Extremfall auch eine gewisse kinetische Energie, also eine Bereitschaft zu kontrahieren, die dem Impuls ähnelt, den man bei freudiger Überraschung und auch beim sogenannten Schmunzeln verspürt. Die gleichzeitige Öffnung des Mundes verstärkt die Dehnung der Mimikmuskeln noch. Vielleicht rührt daher die Assoziation zu dem Gefühl der Belustigung. Der Belcantobegriff „bocca ridente“ könnte aus funktionaler Sicht also mit „offener Mund wie beim Lachen“, statt mit „lächelnder Mund“ übersetzt werden. 

Auch durch die verbreitete mimische Variante, „Bäckchen wie beim Lächeln“ zu bilden, schließt der Raum. Davon wird der Kiefer und damit der Kehlkopf hochgezogen. Das verkürzt den Vokaltrakt und verhindert die wichtige Rundung der Rachenmuskulatur.

 

CANTO FIORITO 

Das heißt „Verzierter Gesang“, auch bezeichnet als „bocca dei fiori“, „Blumenmund“, und beschreibt ein Ziel der Belcantoschule des 19. Jahrhunderts: Durch die eigenständige Bewegung der sich selbst und den ganzen Körper regulierenden Stimmlippen wird es möglich, damit Triller, Koloraturen, schnelle Läufe und Portamenti auszuführen, ohne dass die Ausatmungsmuskulatur eingreift. Es sind gewissermaßen verschiedene Modi, die zusätzlich zur regelmäßigen Schwingung der Klangerzeugung im Gesangsreflex „vorinstalliert“ sind.

Sie werden über das Vibrato organisiert, und nicht über Luftdruckspitzen durch stoßweise Kontraktionen der Bauchmuskulatur, wie das heute leider allgemein verbreitet ist. Werden sie auf diese Weise ausgeführt, entsteht ein vollkommenes, akzentfreies Legatogefühl in der Atemführung. So können die äußerst differenzierten Bewegungen im Kehlkopf ganz ungestört und unbeeinflusst stattfinden. Das Klangergebnis ist ästhetisch, elegant und flüssig.

Ein wunderbares Beispiel dafür, wie mühelos, störungsfrei und quasi wie von selbst dann die schnellsten Koloraturen gelingen können, ist die Aufnahme von Bellinis „Casta Diva“, gesungen von Renee Fleming: https://youtu.be/wB3boBn_CHM?si=nJ6YDBm9abFnK4OX

 

CANTO SUL FIATO 

Das bedeutet übersetzt „Gesang auf dem Atem“. Der Begriff beschreibt die Wahrnehmung, dass das Körpergefühl, das durch große, vollständige Einatmung entsteht, während des Singens beständig erhalten bleibt. Ein Gefühl des Ausatmens im Sinne von Verlust von Atemluft tritt zu keiner Zeit ein, da ja die Dominanz der Einatmungsmuskulatur, und so eben das Gefühl des Einatmens beim Singen, bestehen bleibt. Das ist vergleichbar mit dem Gefühl, auf dem Wasser zu schwimmen, vom Auftrieb getragen zu werden, im Unterschied dazu, im Wasser durch eigene Kraftanstrengung nicht unterzugehen.

Die Ausdrucksweise „auf dem Zwerchfell singen“ bedeutet dasselbe, nämlich, dass das Zwerchfell während der Tonerzeugung überwiegend kontrahiert bleibt. Dabei entspannen nur die unteren seitlichen Zwerchfellanteile, damit überhaupt Luft nach außen fließen kann. 

 

CHIAROSCURO 

Das ist eine Beschreibung des Stimmklangs, der bei optimal geöffnetem Vokaltrakt entsteht: Helldunkel, beide Klangfarben gleichzeitig. Die tiefen Frequenzen direkt über dem Kehlkopf werden durch die besondere, „offene“ Zungenstellung ohne Dämpfung hörbar. Durch den tiefstehenden Kehlkopf und die dadurch hervorgerufene Hebung des Gaumensegels verlängert sich der Vokaltrakt. So kann der Grundton sehr viele Obertöne bilden, bis hin zu den Sängerformanten. Also sind zugleich sehr hohe Frequenzen im Klang enthalten. 

 

COLPO DI PETTO

Gegen Ende einer vollständigen sängerischen Einatmung kontrahiert der große Brustmuskel, und erweitert so den Brustkorb horizontal nach vorne. Im Augenblick des Einsatzes bewirkt die impulshafte Kontraktion des queren Bauchmuskels eine Erhöhung des Innendrucks in der vorderen Brustregion. Daraus resultiert das Gefühl eines „Schlags gegen die Brust (von innen)“. Bleiben die Rippen dabei stabil und erweitert, ist eine Verstärkung der Einatemtendenz die Folge.

Ein „colpo di petto“ ist nur möglich nach vollständiger sängerischer Einatmung von der 10. Rippe aus.

Eugen Rabine nannte diese letzte Erweiterung des Brustkorbs vor dem Einsatz „sagittale Erweiterung“. Das Bild bezieht sich auf das Spannen eines Bogens, um einen Pfeil abzuschießen.

Das Gefühl ähnelt dem beim Aufstoßen, einem Vorgang, der aus anderen biologischen Gründen ebenfalls eine Verstärkung des Unterdrucks im oberen Brustbereich hervorrufen soll. Es ist ja üblich, das durch einen leichten Schlag auf das Brustbein zu unterstützen. Vielleicht stammt der Begriff auch von einer ähnlichen Vorgehensweise, um das „Inalare la voce“ auszulösen.

 

CONSTRICTOREN 

Die Constrictoren, die Würgemuskeln, sind übereinander geschichtete Muskelplatten von etwa 1 Millimeter Dicke. Beim Schluckvorgang schließen sie und verengen so die Speiseröhre, um die Nahrung nach unten in den Magen zu befördern.

Der obere Constrictor liegt „hinter der Nase“. Er beeinflusst die Reaktion des weichen Gaumens. Durch seine Kontraktion wird beim Schluckreflex die Nahrung in Richtung Speiseröhre geschoben.

Der 2. Constrictor reicht bis zum Zungenbein. Er hebt den Kehlkopf beim Schluckreflex, so dass sich der Kehldeckel über der Luftröhre schließen kann. Er beeinflusst auch die Lippenreaktion.

Der untere Constrictor reicht von der Mitte des 2. Constrictors bis zu den Stimmlippen. Kontrahiert er, wird die Nahrung in die Speiseröhre gedrückt. Er umfasst den Kehlkopf und beeinflusst die Kiefer- und Zungenreaktion.

Alle drei sind über Ligamente miteinander verbunden und bilden ein Kontinuum von unten nach oben, Faser für Faser.

Die Rundung der Rachenrückwand ist die entgegengesetzte Bewegung zum Schlucken. Im Ausatmungsmodus findet sie nur beim Würgereflex statt, im Einatmungsmodus beim Saugreflex, um einen Unterdruck herzustellen. Sie erfolgt von daher von unten nach oben: Der untere Constrictor, der größte, rundet zuerst, der mittlere, der schmalste, wird nur gedehnt und rundet nicht. Der obere rundet wieder.

Für den Gesang ist es wichtig zu wissen, dass der mittlere Constrictor den größten Anteil an der gemeinsamen Schutzfunktion hat. Deshalb wird die Dehnung oft unterbewusst vermieden. Durch diese Schutzhaltung kann aber der Kehlkopf nicht vollständig abgesenkt werden.

In Folge dieser Rundungsaktivität wird der Vokaltrakt lang, schmal und schlank. Durch das Artikulieren der Vokalreihe von „u-o-a“, der bevorzugten Vokalreihe im funktional orientierten Unterricht, erlaubt man den Constrictoren, zu reagieren. Die Dehnung der Wangen durch Kontraktion des Lippenringmuskels stellt die Verbindung zu den Constrictoren her und unterstützt ihre Rundung. Alle Aktivitäten der Lippen haben aus evolutionären Gründen nämlich ebenfalls immer Einfluss auf die Schlundmuskeln. Die Aktivität der gerundeten Rachenmuskulatur, der „Würgemuskeln“, wird dabei deutlich spürbar. Caruso nannte das „mit dem Nacken singen“ oder auch „tief hinten im Hals ansetzen“

Da die Constrictoren von unten nach oben runden, gestaltet sich auch der Vokaltrakt von unten nach oben. Der obere Constrictor kann nicht ohne den unteren runden. Die zu singende Tonhöhe hat auf diesen Zusammenhang keinen Einfluss.

 

CUPERTO / LA CUPULA 

Dieser Belcanto-Ausdruck beschreibt die Wahrnehmung im weichen Gaumen, die von der Rundungsaktivität der Schlundmuskeln ausgeht. Wenn sie aktiv werden, muss die Zunge reagieren: Sie wird schmaler und tonisierter, und der Zungenrücken hebt sich wie beim Saugvorgang.

Bei schmalen Vokalen („u, o, ü, ö“) hat der obere Constrictor eine andere Aktivität als bei breiten („a, ä, e, i“). Dadurch wölbt sich das Gaumensegel nach oben. Der Gaumenheber ist ein Antagonist zu den Kehlkopfsenkern. Das bedeutet, dass die kuppelförmige Hebung des weichen Gaumens die Kehlkopfsenkung unterstützt.

In höherer Lage spürt man diese Kuppelform deutlicher, weil die Resonanz der hohen Frequenzen im Bereich des weichen Gaumens besonders verstärkt wird, und deshalb sehr gut wahrnehmbar ist. 

Wenn der Tonus im oberen Constrictor nachlässt, schließt der Resonator, das Gaumensegel wird flach und der Kehlkopf steigt. Dann klingt auch die Stimme „flach“.

Gelingt es nicht, den Muskel differenziert zu runden, wird der obere Vokaltrakt diagonal zusammengeklemmt: Die Stimme klingt „spitz“.

 

DECKEN 

Das ist die etwas unglücklich gewählte Übersetzung des Belcanto-Ausdrucks „cuperto“. Der Klang wird nicht abgedeckt durch die kuppelförmige Rundung des Vokaltrakts. Im Gegenteil: Dadurch, dass ab dem zweiten Drittel der Kieferöffnung das Gaumensegel reflektorisch schließt, entsteht ein oben geschlossenes „Gedackt“-Instrument. Das bedeutet, dass die Schallwellen auf die Schallquelle zurückreflektiert werden.

Im Fall der Stimmlippen führt das zu einer erhöhten Tonisierung und Bewegungsbereitschaft. Da sie ja primär ein Schutzorgan sind, reagieren sie mit erhöhter Schließtendenz auf jede Luftverwirbelung, und erzeugen durch diese Aktivierung intensivere Schwingungen. Dadurch bildet sich das Phänomen der Rückkopplung.

Das ist einer der Hauptgründe, warum die menschliche Stimme so unglaublich tragfähig ist, obwohl der Resonator bei optimaler Tiefstellung des Kehlkopfs höchstens etwa 15 Zentimeter lang ist.

 

DEHNUNG 

Dehnung ist nach der funktionalen Definition die Erlaubnis eines angespannten, also kontrahierten Muskels, sich dehnen zu lassen. Ohne diese Erlaubnis ist eine Dehnung von antagonistischer Muskulatur nicht möglich. Bei einem Agonist-Antagonist-Muskelpaar ist immer der kontrahierte Muskel in seiner Kraft. Deshalb muss das Dehnungsgefühl, die „exzentrische Muskelarbeit“, die Bewegung leiten.

Durch das gedehnt Werden kann sich der angespannte Muskel entspannen. Das muss aber nicht zwangsläufig so sein. Er kann auch gegen die ihn dehnenden Kräfte eine Restkontraktion beibehalten. Der Fachausdruck dafür ist „exzentrische Kontraktion“: Der Muskel wird aktiv gedehnt, während er gegen einen größeren Widerstand arbeitet. Beispiele dafür sind das kontrollierte Absenken eines Gewichts, oder auch das Hinsetzen aus dem Stand. Diese Form von muskulärer Aktivität trainiert beide Muskelgruppen auf effektive Weise.

Bei der exzentrischen Kontraktion der Aufrichtungs- und Atemmuskeln, dem „Räkeln“, schließen die Stimmlippen reflektorisch. Dadurch wird ein Sog in der Lunge erzeugt, dem durch den Stimmlippenschluss nicht nachgegeben werden kann. So wird die Dehnung noch wesentlich effektiver. Dieser Reflex ist bekanntermaßen mit einem intensiven Wohlgefühl verbunden. Ein entsprechendes Gefühl stellt sich durch die permanente Dehnung der Ausatmungsmuskeln von den Einatmungsmuskeln auch beim funktionalen Singen ein. Das ist einer der Gründe, warum Singen die emotionale Stimmung hebt. Ein suggestives Bild dafür ist das des „Aufatmens“.

Beim Singen wird der Vocalismuskel durch den Ring- Schildknorpelmuskel, den einzigen äußeren Kehlkopfmuskel, schräg nach vorne unten gedehnt. Das hat zur Folge, dass die Frequenz der Schwingung sich erhöht und der Ton daraufhin höher klingt.

Im Dehnungsprogramm arbeiten die selben Agonist-Antagonist-Muskelpaare wie im Kontraktionsprogramm, nur mit vertauschter Dominanz und entgegengesetzter Atemtendenz: Etwas Wegschieben und sich nach etwas Aussstrecken sind Bewegungen in die gleiche Richtung. Allerdings geschieht das Wegschieben in der Ausatmungs- / Überdruckfunktion, „weg von“, und das Ausstrecken in der Einatmungs- / Unterdruckfunktion, „hin zu“. 

Eine Dauerkontraktion von Muskeln verhindert Dehnung. Bei dem Versuch, den Muskel zu dehnen, entstehen Widerstandszuckungen. Ein Ziel des funktionalen Stimmtrainings ist es, unbewusst gewordene Dauerkontraktionen wieder bewusst zu machen, um sie auflösen zu können. So wird eine bessere Funktionalität der arbeitenden Muskulatur erreicht. 

 

DEHNUNGSFUNKTION 

So wird in der funktionalen Terminologie der Zustand bezeichnet, in dem die Stimmlippen gedehnt sind. In dieser Konstellation schwingt hauptsächlich die sie umhüllende Schleimhaut, das Ligament. Der Anteil an schwingenden Muskelfasern des Stimmmuskels nimmt mit zunehmender Tonhöhe sukzessive ab. Etwa bei fis`` ist keine Muskelmasse mehr an der Schwingung beteiligt. Diesen Zustand beschreibt auch der Ausdruck „Randschwingung“.

Der Durchmesser des Vokaltrakts wird in Folge der Dehnung größer, weil dabei der Vocalis nach vorne verlängert wird. Gleichzeitig verlängert und verschmälert sich die Zunge, und der Mund öffnet sich weiter. Ohne entsprechend Mundöffnung ist es also nicht möglich, sehr hohe Töne funktional optimal zu singen.

Leider gibt es zwei Möglichkeiten, die Stimmlippen zu dehnen: Nach unten vorne, wie eben beschrieben, oder mit Hilfe der Rachenmuskulatur nach hinten oben, wobei die Zunge steif wird, um dagegenzuhalten. Das bewirkt dann ein Steigen des Kehlkopfes und dadurch eine Verkürzung des Vokaltrakts mit allen negativen Folgen für die Resonanz. 

 

DOPPELVENTILFUNKTION

Zum Grundverständnis der Stimmfunktion gehört das Wissen über die Doppelventilfunktion des Kehlkopfes, in dem die Stimmlippen als unteres Einatmungs- bzw. Unterdruckventil und die darüber liegenden Taschenfalten als Ausatmungs- bzw. Überdruckventil organisiert sind.

Dieses doppelte Ventilsystem liegt in der Evolutionsgeschichte begründet und entwickelte sich aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen und Anforderungen an die Atmung.

Der Kehlkopf in seiner Hauptfunktion ist dem Atemapparat zugehörig. Die primäre Funktion der Stimmlippen als Teil des Luftweges ist es, für die Atmung zu öffnen oder auch zu schließen, etwa um die Lungen vor Fremdkörpern zu schützen. Eine sekundäre Funktion der Stimmlippen ist dann die Phonation.

Im Zusammenhang mit der Atmungsmuskulatur ermöglicht die Kehlkopffunktion Luftdruckänderungen in der Lunge bzw. Druckänderungen im Brustkorb. Ein Überdruck wird bei Schließung der Taschenfalten (als Überdruckventil) produziert, die in sich nur wenige Muskelfasern besitzen und deshalb in ihrer Schließstellung durch Hilfsmuskeln des Rachenraumes und auch weiter durch kompensatorische Aktivitäten der Schließung der Stimmlippen (Masseankopplung) und der Aktivität der Ausatmungsmuskeln unterstützt werden. Zweck der Überdruckfunktion ist eine Kraftanwendung nach außen, vom Körper weg, z. B. Heben, Schieben, Defäkation, Gebären usw. Diese Aktivitäten verlangen eine erhöhte kompensatorische Spannung (Schließung) im Rachenraum und sind für die Phonation nicht günstig.

Ein Unterdruck wird bei der Schließung der Stimmlippen (als Unterdruckventil) unter Beibehaltung der Rachenraumöffnung durch die ständige Aktivität der Einatmungsmuskeln produziert. Zweck der Unterdruckfunktion ist es, eine Kraftanwendung in Richtung des eigenen Körpers zu produzieren, also sich selbst zu heben, z. B. beim Klimmzug oder beim Schwimmen (wobei bei extremer Kraftanwendung die Taschenfalten ebenfalls schließen durch die zusätzliche Aktivierung der schrägen Bauchmuskulatur zur Stabilisierung des Rumpfes). Auch unterstützen bzw. innervieren alle Aktivitäten der Unterdruckventilfunktion die benötigten inneren Kehlkopfmuskeln für eine effiziente Stimmproduktion. Im Moment des Einsatzes wird die Unterdruckfunktion aktiviert und bis zum Ende der Phonation immer weiter erhöht. Deshalb haben die Atmungs- und Bewegungsmuskulatur und sogar der gesamte Körper einen mechanischen wie auch neurologischen reflexmäßigen Einfluss auf die Kehlkopffunktion. Sie wird stimuliert durch Balance und umgekehrt stimuliert die Unterdruckfunktion das Gleichgewichtsempfinden. Die Doppelventilfunktion ist daher in permanenter alltäglicher Aktivität.

Die menschliche Stimme ist das Ergebnis körperlicher Funktionen, d. h. von Muskelaktivitäten, die teils bewusst, teils unbewusst durch Leitvorstellungen (einem mentalen Konzept) gesteuert werden. Die optimale ungestörte Funktion der Stimmlippen ist eine Voraussetzung für die völlige Entfaltung der Stimme beim Kunstgesang, wobei alle Parameter der Stimme, wie z. B. maximaler Tonumfang, Lautstärkeumfang, Klang- und Vokalfarbänderungen, Konsonantenartikulation, Genauigkeit, Geschwindigkeit und emotionaler Kommunikationsumfang gewährleistet werden. (Quelle: Rabine-Institut)

 

DYNAMIK / LAUTSTÄRKE

Jede Stimme hat das Potenzial für Lautstärke. Gesteuert wird sie im Zusammenspiel von Stimmlippen und Raum. Die Lautstärkeregelung erfolgt ähnlich wie beim Instrument: Der Resonanzkörper bleibt erhalten, am Klangerzeugungsmechanismus erfolgen Veränderungen. Bei der Stimme werden sie von den Stimmlippen selbst reguliert und nicht durch Luftdruck forciert. Die Dicke des Vocalismuskels ist ausschlaggebend für den Grad der Lautstärke, die erzeugt werden kann. Tiefe Töne sind akustisch immer lauter als hohe Töne. Je mehr Masse, Kontraktion und Tonus sie haben, desto höher ist die Lautstärke. Deshalb sind Frauenstimmen immer leiser als Männerstimmen. Dass ihr Klang oft als dominierend wahrgenommen wird, liegt daran, dass das menschliche Ohr für hohe Frequenzen viel empfindlicher ist als für tiefe. 

Der Mund- und Rachenraum ist mit sehr sensiblen Nerven ausgestattet. Deshalb entsteht durch die erzeugten Luftschwingungen immer auch eine taktile Vibrationswahrnehmung. Ein piano gesungener Ton fühlt sich dabei „höher“ an als ein Ton auf der selben Tonhöhe im forte. Das liegt daran, dass durch die geringere schwingende Muskelmasse weniger tiefe Frequenzen erzeugt werden. So werden die hohen Schwingungen, die im Kopf resonieren, stärker wahrgenommen.

Für ein Anwachsen der Lautstärke kontrahiert der Vocalis. Der äußere Kehlkopfmuskel muss dagegenhalten. Gibt er nach, verändert sich die Tonhöhe nach unten. Das ist ein Grund, warum untrainierte schwere Stimmen eher zum zu tief Singen neigen als leichte. Ihre Stimmlippenmuskulatur ist stärker, und die äußere Kehlkopfmuskulatur kann dem Zug oft nicht ganz standhalten.

Häufig wird Zungendruck hilfsweise für ein Anwachsen der Lautstärke eingesetzt: Um den Luftdruck unter den Stimmlippen zu erhöhen, und so einen Massezuwachs zu erzwingen, wird dabei mit der Zunge der Resonator verengt. Dadurch wird die Fließgeschwindigkeit der Atemluft gedrosselt, die Luft „staut sich“. Durch den Druck werden mehr Muskelfasern des Vocalis für die Tonerzeugung dazugeschaltet. Der Klang wird lauter.

Das Konzept des funktionalen Belcantogesangs für Lautstärkeregelung dagegen beruht auf dem Wunsch, der mentalen Vorstellung für eine bestimmte Lautstärke des angestrebten Klangs. Darauf koppelt der Stimmmuskel auf einen Befehl aus dem Gehirn die entsprechende Anzahl von Fasern an. Dieser Vorgang ist jedem Menschen aus der Sprache unbewusst vollkommen vertraut. Der Wunsch, eine bestimmte Lautstärke zu erzeugen, genügt für die Bereitstellung der nötigen körperlichen Voraussetzungen. Dynamik ändert sich durch den Gedanken an Änderung. Die Grundempfindung für die Stimme bleibt gleich, der Raum bleibt konstant. 

Masse wird also über die Klangvorstellung angefordert. Am Anfang steht immer eine möglichst optimale Klangerzeugung, danach folgt erst die Lautstärkeregelung durch Wahrnehmungsdifferenzierung.

Mehr schwingende Masse fordert mehr Luftfluss an. Entsprechendes gilt für leise Dynamik: Weniger Masse braucht weniger Luftfluss. Auch der Stimmbandschluss, wird umso geringer, je weniger Druck unter den Stimmlippen herrscht.

Je mehr in Dehnungsfunktion gesungen wird, das heißt, je höher die gesungenen Töne werden, desto weniger schwingende Muskelfasern sind an der Klangbildung beteiligt. Es wird dann weniger reale Lautstärke erzeugt. Entsprechend geringer ist in der Höhe auch der Unterschied zwischen piano und forte.

Ein weiterer wichtiger Parameter für Lautstärke ist die Resonanz. Je mehr Raum für die schwingende Luftsäule zur Verfügung gestellt wird, desto mehr Klangvolumen kann sich entwickeln. 

Auch für crescendo geht der Befehl des Gehirns direkt an die Stimmlippen statt an die Ausatmungsmuskulatur. Daraufhin gibt der Vokaltrakt nach. Jede anderweitige, willentliche Leitung der Klangverstärkung zieht erhöhten Luftdruck, eine Deformation des Instruments mit der Zunge und die Abflachung der Rachenrückwand nach sich. 

Bei gleicher Lautstärke wird nach oben jeder Vokal zum nächst offeneren („u“ zu „o“), und nach unten zum nächst geschlosseneren („o“ zu „u“) tendieren. So wird optimale Resonanz des Vokaltrakts gewährleistet.

Eine Sonderform von crescendo ist der Akzent: Er wird erzeugt durch eine plötzliche, kurze Kontraktion des Vocalismuskels, ohne Luftdruckspitze von der Ausatmungsmuskulatur.

Decrescendo bedeutet kontrollierte Masseabgabe, wobei das Gefühl für Masse beibehalten wird: Der Körper organisiert sich neu in Bezug zur Masseabgabe. Die Erweiterung des Brustkorbs nimmt zu, außerdem die Stabilität in Brustkorb und Rücken.

Gleichbleibende Lautstärke ist real kaum zu verwirklichen, denn die Vokale haben von Natur aus verschiedene Lautstärken. „U-o-a“ ergibt ein crescendo: der Vokal „u“ hat wenig schwingende Muskelmasse, der Vokal „a“ dagegen viel. Dabei leitet die Qualität der Stimmlippenschwingung die Veränderung in der Dynamik. Vokaltrakt und Luftdruck ordnen sich unter. 

Wird all das erlaubt, kann nach und nach die Wahrnehmung neu justiert werden: Diese Empfindung bedeutet laut, jene leise. 

 

EINSATZ 

Der Stimmensatz ist ein Reflex. Er findet im Millisekundenbereich statt und ist bewusst deshalb nicht analysierbar. Er kann nur über die unbewussten Gehirnregionen erkannt werden. Am Ende einer sängerischen Einatmung von mindestens 50% Lungenvolumen schließen reflektorisch die Stimmlippen. Dieser Stimmlippenschluss erfolgt auch bei anderen reflexgeleiteten körperlichen Aktionen, so etwa beim Räkeln oder Niesen. Sie sind auch da verbunden mit einem Wohlgefühl von Dehnungserlaubnis, allerdings mit einem anderen neurologischen Programm wegen der unterschiedlichen Zielreaktion.

Beim Gesangsreflex löst die Wahrnehmung des Luftstroms einen neurologischen Reiz aus. Dadurch öffnen im letzten Drittel der Einatmung die Stimmlippen noch weiter, um dann in Tiefststellung des Kehlkopfs innerhalb von Millisekunden zu schließen. Die Schließung erfolgt am Höhepunkt des Auseinanderdriftens der Aryknorpel. Das Gehirn unterbricht diese Schließung und wandelt sie in regelmäßige Schwingung um. Die Energie für die Öffnung hat alle Energie für die Tonerzeugung. Der Übergang zur Schwingung ist also so schnell, dass er bewusst niemals zu kontrollieren ist. Die ersten Schwingungen erfolgen noch ohne Luftfluss.

Der zu singende Vokal wird zeitlich zusammen mit dem Einsatz geplant. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Voreinstellung des Vokals durch die Artikulationsmuskeln schon während der Einatmung. Vokalklänge sind als Muster im Gehirn abrufbar, ohne dass bewusste Muskeleinstellungen für ihre Bildung nötig sind. Das ist ja auch beim Sprechen nicht anders.

Der berühmt gewordene Begriff „coup de glotte“ von Manuel Garcia, leider falsch übersetzt mit „Glottisschlag“, beschreibt treffend die Geschwindigkeit und Unplanbarkeit, mit der der Stimmeinsatz geschieht. Die Bedeutung, die dem Begriff „coup“ heute zugeschrieben wird, nämlich „überraschende, gelungene Aktion“, wäre wesentlich treffender. Ein sogenannter „weicher Einsatz“, bei dem vor der Phonation Luft entweicht, ist unvereinbar mit diesem reflektorischen Geschehen. 

Im Moment des Einsatzes wird die Unterdruckfunktion sowohl in der Einatmungsmuskulatur als auch in der Ausatmungsmuskulatur aktiv. Der Bauch beginnt, nach innen oben zu wandern. Die muskuläre Richtung der Einatmung wird dabei beibehalten. Das Ende der Einatmung ist der Einsatz, das Ende der Tonschwingung ist der Beginn der nächsten Einatmung.

Nur im Moment des Einsatzes ist die Raumgestaltung gemäß der Formamtbereiche für das System genau erkennbar. Während der Klangerzeugung selbst sind die Schwingungswahrnehmungen zu vielfältig dafür.

Der Stimmeinsatz erfolgt unvorstellbar schnell, aber rhythmisch, wie sehr viele Vorgänge im Körper. Rhythmus in Atmung und Bewegung wirkt daher unterstützend auf seine Innervierung. Er ist unabhängig von Vokalfarbe und Tonhöheregelung. Gleichzeitig ist er der Beginn einer Vibratoschwingung.

Dabei gilt: Je leiser der Einsatz, desto feiner die Luftdruckregelung („Minimaltoneinsatz“). Bei mehreren Phrasen erfolgt am selben Ort, an der der Absatz war, der nächste Einsatz. 

 

EINSCHWINGVORGANG 

Der „Einschwingvorgang“ ist die Aktivierung der Masseschwingung von außen oben (Ligament) nach innen unten („Bauch“ der Stimmmuskeln). Das geschieht nach dem Einsatz. 

 

EINSINGEN 

Eine Vorbereitung auf ein reflektorisches Geschehen ist eigentlich nicht nötig. Es geht beim Einsingen also um den nötigen Körpertonus und die mentale Einstellung auf die gewünschte Körperfunktion.

Der Wunsch zu singen schafft bei weniger geübten Menschen aber nicht automatisch die nötigen Voraussetzungen dazu, so wie das bei vertrauten Tätigkeiten passiert, wie beispielsweise beim Entschluss, eine Treppe hinaufsteigen. Deshalb ist es günstig, die Vorbereitung für gesundes Singen vorab bewusst zu vollziehen. Auf Grund der Tatsache, dass Musik und auch Tanz den Körpertonus, die Herzfrequenz und den Adrenalinspiegel erhöhen, können diese „Hilfsmittel“ für die gewünschte Änderung des körperlichen Aggregatzustandes genutzt werden. Es ist durchaus sinnvoll, sich mit Hilfe von Musik und Bewegung einzustimmen. Mit der ersten sängerischen Einatmung wird das „Instrument“ entfaltet und die Schwingung neuronal ausgelöst. 

Die Aufgabe von Einsingsequenzen besteht darin, die Aufmerksamkeit gezielt und differenziert darauf zu richten, welche Voraussetzungen in Aufrichtung und Dehnungsbereitschaft bereitgestellt werden müssen, damit das geschehen kann. 

Eine Analogie dazu findet sich im Hochfahren eines Programms am Computer, um dann damit effizient arbeiten zu können.

 

EMOTION 

Es gibt keine Bewegung ohne Emotion. Singen allein ist Gefühlstransport. Die Primärfunktion des Singens ist ja Ausdruck und Auslösen von Freude, Beglücktsein, und Freiheit von Angst. Dabei werden „Glückshormone“ wie Beta-Endorphin, das Hormon, das auch für das Glücksgefühl nach dem Sport sorgt, im Fall vom Singen aber ohne Suchtgefahr, Serotonin, Noradrenalin und Oxytocin ausgeschüttet. Stresshormone wie Cortisol werden gleichzeitig abgebaut. 

Die gesamte Mimikmuskulatur ist mit emotionalen Impulsen verschaltet, denn sie ist das menschliche Kommunikationszentrum schlechthin. Der Modus, in dem sie beim Singen benutzt wird, offen und einladend statt verschlossen und abwehrend, hat maßgeblichen Einfluss darauf, in welcher Weise sich die Muskulatur zu einem sängerischen „Instrument“ aufbaut und dementsprechend funktioniert.

Im Fall von gemeinsamem Singen, z. B. im Chor, kommt noch die soziale Komponente des Gefühls der Zugehörigkeit zu einer Gruppe fördernd hinzu. Das ist eines der wirksamsten Stimulanzien überhaupt. Sogar die Herzfrequenzen werden beim Chorsingen synchronisiert und stabilisiert. 

Dieser Zustand führt zu Öffnung, Weite und dadurch Sog. Das wiederum bewirkt eine Optimierung des Gesangreflexes, das Loslassen von Schutzspannungen, „Ent-Faltung“, „Ent-Wicklung“, vom Ursprung her auch Hinwendungsfähigkeit der Person zu anderen Personen.

Genuss ist allgemein das Signal fürs Gehirn, etwas zu speichern, um es wiederholen zu können. Das bedeutet, diese funktional sinnvollen Vorgänge werden automatisch gemerkt und gelernt. 

Angst oder Wut dagegen lösen Verengung und Schließung aus, und dadurch Überdruck: Eine ablehnende Haltung aktiviert die Taschenfalten, die Stimme wird schrill. Funktionales Singen erfordert deshalb den emotionalen Zustand der Objektivität, also das Eliminieren von unbewussten Privatemotionen, da alle Gefühlsregungen direkten Einfluss auf die Funktion haben.

Wut singen, wütend singen ist aus diesem Grund funktional nicht möglich, im Gegensatz zu wütend sprechen, da Sprechen eine Überdruckfunktion ist, genauso wie Schreien.

Das bedeutet aber auch: Wenn der Schüler sich gegen den Lehrer wehrt, ist Singen Lernen unmöglich. 

Die Emotionsübertragung geschieht durch Stimmgebung und emotionale Vorprägung: Worte und Klänge sind emotionale Muster mit emotionaler Verschaltung.

Jede Änderung in der Mimikmuskulatur bewirkt eine emotionale Reaktion bei sich selbst und beim Gegenüber, denn die Muskulatur der Mimik, der Augen und des Nackens sind emotional codiert.

Bei Veränderung der Gefühlslage ändert sich die Klangfarbe: Traurige Stimmung macht den Klang dunkler, weicher, aggressive Stimmung dagegen heller und härter.

Die emotionale Komponente des Singens stimuliert das Nervensystem auf eine bestimmte Weise (alpha-Zustand) bei jeder kreativen Beschäftigung und genauso beim Gesang.

Eigene Emotionen, die zu Interpretationszwecken hinzugefügt werden, sind überflüssig, da jedes Stück schon eine immanente Emotionalität in sich hat. Mit ihr sind sie oft nicht kompatibel. Sie erzeugen also eine verwirrende Doppelbotschaft, die den Ausdruck überlädt. Lediglich zu Übungszwecken haben sie insofern eine positive Wirkung auf die sängerische Klangerzeugung, als sie in den gleichen unbewussten Gehirnregionen entstehen.

Die Wirkung auf das Publikum entsteht durch das Singen selbst. Es ist „ansteckend“, wie andere Gefühlsäußerungen auch, z. B. Seufzen, Lachen, Weinen oder Schreien. Alle Zwerchfellreflexe haben völlig nonverbal diese Wirkung. Die körperlichen Abläufe beim Singen üben großen Einfluss auf die empathischen Reaktionen anderer Menschen aus. Etwas Entsprechendes geschieht natürlich auch bei jeder anderen emotionalen Äußerung, so dass es immer von großer Bedeutung ist, welche Art von Signal ausgesendet wird. 

Ein Wort noch zum Persönlichkeitstyp, der mit Sängern und Sängerinnen in Verbindung gebracht wird, weil er häufig anzutreffen ist: Es ist naheliegend, dass durch die hauptsächliche Beschäftigung mit so etwas wie dem Gesangsreflex eben die Charaktereigenschaften von der Veranlagung her einfordert und natürlich auch verstärkt, die ihn auszeichnen: Er läuft  vollkommen intuitiv ab, reagiert extrem fein und sensibel, ist aber gleichzeitig eine außergewöhnlich körperintensive und kraftvolle, ja athletische Aktion (Zitat Caruso) und wirr maßgeblich von Emotionen gesteuert. So sind Sängerpersönlichkeiten auch oft veranlagt.

BELCANTOBEGRIFFE UND FACHAUSDRÜCKE FUNKTIONAL ERKLÄRT F - L

FALSETT 

Der Begriff Falsett hat einen interessanten Hintergrund: Die Tatsache, dass die ersten Schriften über Stimmbildung aus der Sicht von Männern und von Männern für Männer geschrieben worden sind, erklärt, warum der Begriff „Falsche Stimme“ das Stimmregister bezeichnet, in dem sich Männerstimmen natürlicherweise nicht bewegen. Ihre Sprechlage und auch die Lage, in der sie im Normalfall singen, ist die tiefe Lage unter dem Übergang. Das Fehlen der Eigenresonanz der Luftröhre erscheint ihnen somit ungewöhnlich und „falsch“. Für Frauenstimmen liegt der bevorzugte Bereich beim Singen jedoch über dem Übergang. Für viele von ihnen fühlt sich deshalb das Erzeugen von Tönen unter dem Übergang falsch an. Die Sprechlage von Frauenstimmen liegt meistens aber unter dem Übergang. 

Echtes Falsett, „geblasene“ Stimmgebung, existiert nur innerhalb e`-a`. Nur da ist eine Art Überblasen, eine Form der Tonerzeugung, die bei Querflöten Usus ist, überhaupt möglich. Denn Falsett ist Phonation ohne Beteiligung des Stimmmuskels: Er bietet seinem Antagonisten keinen Widerstand. Dadurch gerät nur das Ligament in Schwingung. Weil damit kein echter Stimmbandschluss erzeugt werden kann, fließt viel „wilde“ Luft hindurch. Die drei Regelfunktionen der Stimmlippen, Tonhöhenregelung, Lautstärkeregelung und mediale Kompression, sind nicht möglich. Deshalb können die Tonhöhen nur über Luftdruck verändert werden. Das ist eine Überdrucktechnik, die immer ohne Vibrato stattfindet. 

Das Falsett ist nicht gleichzusetzen mit der dehnungsdominanten Stimmgebung, der Kopfstimme! 

 

FILARE LA VOCE 

Das bedeutet übersetzt "Die Stimme einfädeln" und bezieht sich auf die extreme Feinwahrnehmung der Stimmlippen, die für die Phonation nötig ist und angeregt wird durch den Vorgang des Singens. Es ist die Beschreibung des Zustands von "Fingerspitzengefühl" in den Stimmlippen.

 

FORMANT 

Der in der Akustik häufig verwendete Begriff "Formant" bedeutet, dass in der Obertonreihe, die über einem Grundton entsteht, sich mehrere Obertöne zu einer Obertonballung "formieren". Jede Vokalfarbe ist definiert durch einen tiefen und einen höheren Vokalformanten. Diese Ballung ergibt sich aus der jeweiligen Form des Rohres, in dem die stehende Welle schwingt. Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist folgendes Kurzvideo auf YouTube: demostracion de la fonacion humana.AVI 

Dabei ist es unerheblich, wie lang das Rohr ist, allein die Form ist ausschlaggebend. Das ist auch der Grund, warum auch Tierstimmen und von unbelebten Gegenständen hervorgerufene Klänge oft für unsere Ohren wie Vokale klingen. Der Grundton, gebildet von den schwingenden Stimmlippen, und der 1. Vokalformant, der darüber im sogenannten Vestibül entsteht, sind akustisch nicht trennbar. Sie sind verantwortlich für das dunkle Timbre der Gesangsstimme. Der 2. Vokalformant entsteht an einer vokaltypischen Engstelle im Vokaltrakt unterhalb des weichen Gaumens. Er ist verantwortlich für die Verständlichkeit des jeweiligen Vokals.

Auf der Sprachebene entsteht auf Grund des hochstehenden Kehlkopfs der untere Formantbereich nur unvollständig bis gar nicht. Durch die Prägung auf Sprache sind viele ChorleiterInnen und LaiensängerInnen es (leider) gewöhnt, vor allem oder ausschließlich auf den 2. Vokalformanten zu achten. Das fördert eine Klangbildung, bei der ein Ungleichgewicht zwischen den beiden Formantbereichen herrscht. Fehlt aber der 1. Formant, weil der Kehlkopf zu hoch steht, ist es unmöglich, mühelos Masse anzukoppeln. Die Rundung, der Klangraum reicht dafür nicht aus. So etwa klingen Kinderstimmen; sehr hell, „bianco“. Eine hinunter gedrückte Zunge wiederum verhindert die Ausbildung des oberen Formanten, der Klang der Stimme dann wird dumpf.

Unterhalb und oberhalb der die Vokalfarbe definierenden Frequenzbereiche ist es unmöglich, klare Vokale zu artikulieren. Die sie bestimmenden Merkmale sind einfach nicht oder nur unvollständig vorhanden. Zum Beispiel kann ein geschlossenes u nur innerhalb der Oktave es` bis es`` gebildet werden, weil die beiden Formantbereiche, die es akustisch definieren, bei ca. 300 und 600 Hz liegen. Das entspricht in etwa es`- es``. Um deutlich erkennbare Vokale zu bilden, gibt es demnach zwei Möglichkeiten: Man verkürzt und verkleinert das ganze „Instrument“ und verändert so die akustischen Rahmenbedingungen, man singt sozusagen „mit Kinderstimme“. Oder man erlaubt eine Öffnung des Vokaltraktes zum nächstoffeneren Vokal hin. Bei dieser Möglichkeit kann der Kehlkopf auf seiner sängerischen Tiefposition bleiben, und der Gesangsreflex bleibt ungestört erhalten. Für hohe Töne ist wichtig, zu wissen: Weil über a`` beim erwachsenen Menschen die wichtigsten drei 2. Vokalformanten verschwunden sind, ist es nicht möglich, die dazugehörigen Vokale in dieser Lage adäquat zu artikulieren. Männerstimmen haben es da entschieden leichter, da sie sich bei der Tonbildung praktisch nie in diesen Frequenzbereichen bewegen. Das ist einer der Gründe für die „undeutliche“ Aussprache von Sopranistinnen: Sie spüren instinktiv, dass es ihrer Stimme und der Qualität ihres Gesangs schadet, wenn sie zu deutlich im Sinne der Sprachgewohnheit artikulieren und damit den 1. Vokalformanten verlieren. Das hat nämlich zur Folge, dass die Stimme müde wird, weil der Gesangsreflex nicht störungsfrei ablaufen kann. 

Ein Wort noch zum berühmten Sängerformanten: Es gibt drei Sängerformanten:  Der erste liegt um 3000 Hz, das entspricht etwa fis````, er entsteht durch Verschmelzung des 3. und 4. Formanten. Er ist für Tragfähigkeit von höchster Wichtigkeit, denn die menschliche Hörkurve hat im Frequenzbereich um 3000 Hz am empfindlichsten ist. (In Babygeschrei ist dieser Frequenzbereich immer enthalten, darum stellt dieser Frequenzbereich ein besonderes emotionales Stimulans für die Zuhörer dar.) Er kann nicht bei jeder Tonhöhe entstehen, denn wenn der Grundton diese Frequenz nicht im Klangspektrum hat, wird er nicht angeregt. Der zweithöchste und der höchste Sängerformant wirken als Klangcode, (um 5000 bzw. 8000 Hz, also ca. d````` bzw. e``````). Sie regen über das Gehör im Gehirn erhöhte Gammanerventätigkeit und Glücksgefühle an. Positive Aktivität wird ausgelöst. Einen ähnlichen Effekt hat Vogelgesang. Vielleicht einer der Gründe, warum Singen glücklich macht?

 

GAUMEN

Der weiche Gaumen ist lokalisiert zwischen den oberen Backenzähnen. Er besitzt keine eigene Muskulatur. Beim erwachsenen Menschen ist die Schädelbasis leicht gewölbt, dass der weiche Gaumen sich heben kann. (Beim Kind ist sie noch flach.)  Er wird reflektorisch gehoben durch Mundöffnung und antagonistisch zur Kehlkopfsenkung, sowie im letzten Drittel der Einatmung reflektorisch durch den Trachealzug. Ab dem 2. Drittel der Kieferöffnung bzw. durch Druck der Zunge  nach unten schließt das Gaumensegel die  Nase von innen, indem der Gaumenheber kontrahiert (eine Funktion, die von allen Primaten nur der Mensch besitzt und ein weiteres Indiz für eine Vergangenheit des homo sapiens im und am Wasser). Es bildet so den "Deckel" des Instruments, wie bei einer Gedacktpfeife der Orgel. Dadurch wird es möglich, dass die von der Schwingung der Stimmlippen erzeugte stehende Welle auf diese zurückreflektiert wird. Dadurch intensivieren sie ihre Schwingung und Schließbereitschaft, da sie so auf Luftbewegungen reagieren. So entsteht eine Rückkopplung des Klangs, die maßgeblichen Anteil an der immensen Tragfähigkeit der menschlichen Stimme hat. "Der Vokalklang antwortet auf die Hohlheit des Gaumens" bemerkt dazu Fabricius schon im Jahr 1601! (Martienssen,-Lohmann S. 122) Ein willentliches Heben des Gaumensegels ist muskulär unmöglich. Beim Versuch, es aktiv zu heben, drückt man die Zunge nach hinten unten. Der Kehldeckel wird dadurch geschlossen, und verengt, ja verschließt teilweise den Vokaltrakt. Das klangliche Ergebnis ist eine "gepresste Stimme", ein "enger Ton". Das Anspannen und dadurch Abflachen des weichen Gaumens durch die umliegende Muskulatur dämpft außerdem den Klang. Auch das Gähnen initiiert diese Form der Gaumenhebung, höchstwahrscheinlich weil durch den teilweisen Verschluss der oberen Atemwege eine effektivere exzentrische Dehnung der Ein- gegen die Ausatmungngsmuskeln ermöglicht werden kann. Wird der Gaumen durch Mundöffnung und Absenkung des Kehlkopfs gehoben, hebt sich das System in der Mitte schlank nach oben. Da es unwillkürlich auf akustische Phänomene reagiert, verstärkt sich in Richtung Dehnungsfunktion (ca. ab c``) die Hebung von selbst immer mehr. Sie bleibt aber erhalten, wenn die Funktion wieder in Richtung Massefunktion geht. Der weiche Gaumen verstärkt auf Grund seiner Kuppelform die hohen Frequenzen. 

 

GESANGSREFLEX 

Singen ist ein sensomotorischer Vorgang, eine Folge von ständiger Koordination von Sensorik und Motorik. Der Gesangsreflex ist der komplizierteste zusammengesetzte Reflex, der dem menschlichen Körper zur Verfügung steht. Er besteht aus angeborenen, unbedingten und erworbenen, bedingten Reflexen. 

Reflexe sind blitzschnelle Reaktionen unseres Körpers, die wir nicht steuern können, die also unwillkürlich ablaufen. Sie werden ausgelöst von einem Reiz. Auf einen bestimmten Reiz folgt unter ähnlichen Bedingungen immer die gleiche Reaktion. Diese Reiz-Reaktions-Verknüpfung ist der Reflex. Die neuronale Verschaltung zwischen Rezeptor und Effektor, die dieser Reaktion physiologisch zugrunde liegt, nennt man Reflexbogen. Die Nervenzellen vieler Reflexbögen liegen im Rückenmark, wodurch das Gehirn von der Steuerung stereotyper Bewegungen entlastet wird. Zudem können die Schaltwege bei Reflexen ohne den Umweg ins Gehirn möglichst kurz gehalten werden. Das erlaubt beispielsweise in Gefahrensituationen eine unmittelbare Reaktion. 

Zwei frühkindliche Reflexe, die im Gesangsreflex enthalten sind, sind der Such- und der Saugreflex: Als Reaktion auf eine Berührung des Mundwinkels spitzen Säuglinge die Lippen, und sobald sie damit etwas berühren, beginnen sie zu saugen. Ein weiterer beteiligter unbedingter Reflex ist z.B. der Niesreflex, dessen primäre Aufgabe es ist, Fremdkörper aus den Luftwegen zu entfernen. Er wird an der gleichen Stelle im Rückenmark ausgelöst wie der Gesangsreflex, nämlich etwa auf Höhe der 5. Rippen. Interessant ist dabei im Vergleich zum Gesangsreflex, dass bei zu weiter Mundöffnung der Niesreflex gestoppt wird. Der Effekt, etwas aus der Nase zu schleudern, wird durch die Mundöffnung, die den Verschluss der Nase mit dem reflektorisch gehobenen Gaumensegel auslöst, unmöglich gemacht. Auch beteiligt ist ein Reflex, den praktisch alle Tiere haben, die selbstständig atmen, nämlich der Streckreflex (das „Räkeln“). Er ist dazu da, die Ein- und Ausatmungsmuskulatur gegeneinander zu dehnen, um sie zu aktivieren. Im Laufe des Lebens werden bedingte Reflexe durch Konditionierung dazu erworben. (Für das Erlernen eines bedingten Reflexes wird ein neutraler Reiz, der zunächst keine Reflexhandlung auslöst, direkt vor dem unbedingten Reiz dargeboten. Auf diese Weise wird der neutrale mit dem unbedingten Reiz verknüpft. Bedingte Reflexe werden wieder verlernt und gelöscht, wenn kein erneutes Koppeln mit dem unbedingten Reiz stattfindet.) 

Am Beginn des Gesangsreflexes steht ein neurologischer Impuls im Mittelteil des Stammhirns. Dadurch wird der Vokalismuskel innerviert, durch den dosierten Luftstrom von unten wird die Schleimhaut auf Grund des aerodynamischen „Bernoulli-Effekts“ von rechts und links in rhythmischen Abständen angesaugt und so am Schwingen gehalten. Das funktioniert nur bei optimalem Luftstrom. Seine Stärke wird vom Vokalis selbst reguliert. Der Reflex löst eine Einatmung durch Zwerchfellsenkung nach hinten unten aus. Sie korrespondiert ihrerseits mit dem Stimmeinsatz, der vom selben Hirnareal gesteuert wird. Ist der Gesangsreflex soweit von ihm zuwider laufenden Gewohnheiten befreit, dass er dominant die Phonation leiten kann, ist er selbstregulierend und selbstoptimierend. Anders ausgedrückt, wenn die Stimmlippen optimal arbeiten, organisiert sich der ganze Körper nach ihnen: Das Ventil meldet zurück, was es an Einatmungsaktivität braucht, und das System richtet sich danach. Diese Rückkopplung reagiert auf Achtsamkeit und wird durch die Phonation weiter optimiert, weil die schwingende Luftsäule über die Sinneszellen der sie umkleidenden Schleimhaut fühlbar wird. 

Diese reflektorische Klangerzeugung wird bei ausreichend tiefer Einatmung im Bereich des 5. Rippenpaares im Rücken neuronal ausgelöst, analog zum Niesreflex. Das geschieht ab mindestens 50% Lungenvolumen, ebenfalls wie beim Niesreflex, der ja auch bei zu geringem Einatmungsvolumen nicht stattfinden kann. Voraussetzung dafür ist ein optimal tief stehender Kehlkopf. Was den Kehlkopf nach oben zieht und den Vokaltrakt verengt, stört oder verhindert den Gesangsreflex. Töne, die dann entstehen, stammen aus anderen neuronalen Programmen. 

Das bedeutet auch: In untrainiertem Zustand gehört der Stimmmuskel dem Atemsystem an und reagiert ausschließlich darauf. Erst durch das Erwerben der Fähigkeit einer vollständigen sängerischen Einatmung wird das „Stimmorgan“ zu einem eigenständigen System, das fähig ist, sich aus sich selbst heraus zu regeln, und so die darin angelegte Möglichkeit, zu singen, wirklich zu nutzen. 

 

GESTALTUNG

Künstlerische Gestaltungsfreiheit besteht nur im Rahmen der Selbstregulation der Stimmlippen, wenn ein funktional gesunder Umgang mit der Stimme gewährleistet sein soll. Aber im Laufe der Beschäftigung mit der Materie entwickelt sich ein sängerische Gespür, ein Instinkt für Stimmgesundheit, und damit ein neuer kreativer Zugang zu den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die dem „Stimmorgan“ innewohnen. Denn für die differenzierte Fähigkeit, sich emotional auszudrücken, ist es ja überhaupt entstanden. Es ist sehr interessant, zu entdecken, welche Möglichkeiten sich nach und nach bieten, ohne dass sie bewusst angestrebt wurden.

 

GLISSANDO 

Glissando bedeutet Gleiten durch die Tonhöhen ohne Tonschritte oder -sprünge.  Beim Glissando sind alle Parameter in Bewegung außer dem Vibrato, aber die Vibratoimpulse laufen auch während der Glissandobewegung weiter. Durch leichte Kontraktion zweier Einhängemuskeln rechts und links am Kehlkopf, die beim Glissando reflektorisch erfolgt, wird der Grundtremor der schwingenden Stimmlippen abgebremst. Werden die Impulse hörbar durch Lösen der Kontraktion, entsteht ein Portamento. Dabei vollzieht sich die Tonhöhenveränderung, durch das Vibrato geleitet, in Dritteltonschritten. 

 

GLOTTISSCHLAG 

Der Begriff wird gebraucht als Beschreibung einer Sprengung der Taschenfalten durch großen Luftdruck von unten, hervorgerufen durch starke Kompression der schrägen Bauchmuskulatur. Da die Stimmlippen sich davor aber am Ende der Einatmung reflektorisch geschlossen haben, staut sich darunter die Atemluft. Dadurch werden sie nach oben ausgelenkt. Das erschwert einen Stimmeinsatz sehr und macht eine funktional gesunde Stimmbehandlung unmöglich. Der Begriff “coup de glotte”, von dem sich der Begriff ableitet, wurde von dem namhaften Gesangslehrer Manuel Garcia geprägt. Es gibt aber verschiedene Deutungsmöglichkeiten für das Wort “coup”, so etwa die heute geläufige, die eine unerwartete gelungene Aktion meint. Sie passt viel besser als Beschreibung für den Stimmeinsatz.   

 

GOLA APERTA 

Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "offene Kehle". Durch die sängerische Kieferöffnung ohne Beteiligung von Zungendruck und die sängerische Einatmung kann der Kehlkopf von der Ruhestellung in Höhe des 2. Halswirbels bis zur Höhe des 5. Halswirbels abgesenkt werden. Dabei öffnet sich die Stimmritze immer weiter, zuerst in Form eines Dreiecks ("Dreipunkt-Öffnung"), bei weiterer Senkung sukzessive durch Zuschaltung weiterer Muskelgruppen der Einhängemuskulatur bis zu einer nahezu runden Öffnung ("Siebenpunkt-Öffnung"). Diese optimale Tiefstellung bleibt im Idealfall während der gesamten Phonation erhalten.

Weil im Verlauf der Öffnung der Stimmritze durch die Kehlkopfsenkung sich auch der Kehldeckel aufrichtet, bis er nahezu senkrecht steht, ist bei Beginn der Tonerzeugung die Luftröhre nach oben praktisch vollständig geöffnet. Das ist es wohl, was man in der Belcantosprache „Vor dem Gesange den Deckel heben“ nannte. Die schließende Schutzfunktion der Stimmlippen wird dabei ersetzt durch ihre kinetische Energie und den höheren Muskeltonus, also ihre erhöhte Schließbereitschaft.

 

HÖHE 

Um hohe Töne zu erzeugen, müssen die Stimmlippen schneller schwingen, als beim Erzeugen von tiefen Tönen. So schwingen sie bei einem a`` 888 mal pro Sekunde hin und her. Das ist ein sehr komplexer Vorgang, der einen hohen Tonus und eine große Differenzierungsfähigkeit des ganzen Systems voraussetzt. Diese Parameter sind beim untrainierten Körper nicht vorhanden. Sie müssen schrittweise aufgebaut werden. Das besagt auch das bekannte Zitat aus dem Belcanto: „Die Höhe des Sängers ist gebaut auf den tiefsten Tönen.“ Das Muskelpaar Vokalismuskel – äußerer Kehlkopfmuskel arbeiten antagonistisch. Das bedeutet, dass sie nur gemeinsam trainiert werden können. Ein kontrahierter Vokalis trainiert den Kelhkopfkipper und umgekehrt. Anders ausgedrückt: Die Höhe wird in der Tiefe trainiert.

Je trainierter ein Muskel ist, zu desto differenzierterer Aktion ist er fähig.

Der Ring- Schildknorpelmuskel, der an der vorderen Spitze des Schildknorpels ansetzt, kontrahiert nach unten und zieht so die Stimmlippen in die Länge. Das bedeutet, dass das System nach unten nachgeben muss. Da sie dadurch dünner werden, erhöht sich ihre Schwingungsfrequenz, wie das bei jedem elastischen Band geschieht. Der schwingende Muskelanteil wird mit zunehmender Dehnung immer geringer, bis bei fis`` keine Muskelmasse mehr an der Schwingung beteiligt ist. Der obere Rand, das Ligament, schwingt dabei in ganzer Länge. Die vollständige Dehnung der Stimmlippen braucht die große Weite des Vokals a. Daher ist eine der Sprachgewohnheit entsprechende Artikulation von o und u in der Höhe unmöglich. 

Eine Schwingung mit schnellerer Grundfrequenz als der sie umschließende Resonanzraum hat von Natur aus weniger Obertöne als eine Schwingung mit langsamer Grundfrequenz, denn in einem geschlossenen System kann nur eine bestimmte Anzahl von ganzzahligen Teiltönen (1/2),1/3,...) entstehen. 

Je höher der gesungene Ton, desto weniger Veränderung im Vokaltrakt ist nötig. (Zum Vergleich: Die Griffe auf dem Griffbrett eines Streichinstruments werden immer enger, je höher der erzeugte Klang wird.) Nur wenige Fasern der Stimmlippen werden über die Aktivität des Kehlkopfkippers geändert, dann ändert sich schon die Tonhöhe. 

Bei steigender Tonhöhe wird die hohe Schwingung immer intensiver. Sie wird am weichen Gaumen wahrgenommen, weil sie da verstärkt wird. Durch die Absenkung des Schildknorpels durch den Zug des Ct. wird die Form des Gaumens schmaler und länger. Mit intensiverer Wahrnehmung der Kopfresonanzes fühlt sich die Klangentstehung "höher" an, die Klangerzeugung bleibt aber am selben Ort im tiefstehenden Kehlkopf. Trotz der starken oberen Schwingung bleibt die untere Schwingung im Vokaltrakt immer dominant. Sie ist und bleibt die primäre Vibration, ohne die überhaupt keine hohe Schwingungswahrnehmung entstehen könnte. 

Auch der subglottale Luftdruck wird bei immer feinerer Schwingung immer noch weiter reduziert. Je höher der Ton ist, umso weiter und länger wird der Vokaltrakt. Umso tonisierter muss demzufolge die Einatmungsmuskulatur werden, um den Raum offenhalten zu können. Ist dies gewährleistet, können die tiefen Raumfrequenzen den hellen Klang anreichern (ähnlich wie beim Rufen in ein Rohr hinein). 

Auch eine Differenzierung der Lautstärke ist in hoher Lage genau genommen nicht mehr möglich, da ja keine An- bzw. Abkopplung von Muskelmasse mehr stattfindet. Allein die Intensität des Stimmlippenschlusses intensiviert bzw. löst sich. Da nur noch das Ligament an der Schwingung beteiligt ist, ist der Stimmbandschluss lockerer als bei tiefen Tönen; das Singegefühl ähnelt deshalb dem von Singen im piano. Die kinetische Energie, die Schließbereitschaft der Stimmlippen, steigt dagegen an. All diese immer feiner werdenden Anpassungsbewegungen werden durch die Stimmlippen in vollkommener Selbstregulation geleitet. 

 

INALARE LA VOCE 

Dieser sehr bekannte Ausdruck bezieht sich auf eine Wahrnehmung im Vokaltrakt: Durch das Beibehalten der dominanten Einatmungsaktivität während der Ausatmung beim Singen entsteht das Gefühl, „die Stimme einzuatmen bzw. einzusaugen“. Beschrieben wird ein sehr kontrollierter Luftfluss, den die Stimmlippen so fein dosieren, dass die extrem differenzierte Schwingungsbewegung ungestört ablaufen kann. 

Durch die unvermindert hohe Aktivität der Einatmungsmuskulatur, die sich im  Laufe einer Phrase teilweise sogar noch erhöht, entsteht das Phänomen, dass das  Ende des Tones zugleich der Beginn der nächsten Einatmung ist, und das Ende der Einatmung der Beginn des nächsten Tones. 

 

INTONATION

Intonation entsteht am Grundton. Ohne Grundtonwahrnehmung kann Intonation nicht geregelt werden. Tonhöhenregelung kann nur am Grundton erfolgen kann. Für das Verstehen von Sprache nutzt der Gehörsinn den zweiten, oberen Vokalformanten. Der erste, untere ist beim Sprechen nur ansatzweise ausgebildet. Dieser Umstand erschwert das Erkennen der tiefen Frequenzen im Klang für ungeübte Ohren erheblich. Beim gesungenen Ton ist aber der erste Vokalformant, der etwa am selben Ort entsteht wie der Grundton, ausschlaggebend für die Regelung der Intonation. Wird also der Versuch gemacht, nur über den zweiten  Vokalformanten die Intonation zu regeln, über die Vokalfarbe, hat das eine  Manipulation der Form des Vokaltraktes zur Folge Das kann auf Dauer stimmschädigend wirken, weil so die optimalen funktionalen Voraussetzungen für  die Tonerzeugung gestört werden. Vergleichbar ist diese Vorgehensweise mit dem "Stopfen" von Blechblasinstrumenten: Man verformt den Resonator, aber die erzeugte Frequenz bleibt dieselbe, weil sie ja an der Klangquelle erzeugt wird und nicht im Resonator. 

Hoch ist nicht gleichzusetzen mit hell, tief nicht mit dunkel. Jeder Klang beinhaltet immer beide Komponenten. Der Anteil an tiefen und hohen Frequenzen im Klang ist von körperlichen Parametern abhängig, die auch als persönliches Timbre bezeichnet werden. 

Allgemein kann aber gesagt werden. dass der Eindruck von "zu tief" oft bei zu wenig hoher Schwingung, und der von "zu hoch" bei zu wenig tiefer Schwingung im Klang entsteht. 

Es ist jedoch kontraproduktiv, mit Hilfe von Luftdruck und/oder Veränderung der Kehlkopfposition die Intonation regulieren zu wollen. Das Mischungsverhältnis von Masse- und Dehnungsdominanz wird dadurch noch mehr gestört, und die Intonation hängt dann noch mehr von Zufällen und nicht funktionalen Gewohnheiten ab. 

Ein Unterschied zwischen Frauen- bzw. Kinderstimmen und Männerstimmen ist noch interessant: Stimmen, die vor allem in der ein- und zweigestrichenen Oktave singen, haben wegen der höheren Lage weniger Obertöne. (Je höher der Grundton ist, desto weniger Teiltöne liegen darüber.) Daraus ergeben sich bei ihnen mehr Probleme in der Beurteilung von Intonation als bei tieferen Stimmen: Da sich bei denen das System auf Grund der höheren Teiltonzahl besser mischt, fallen Ungenauigkeiten weniger auf. 

 

KEHLKOPF 

Der Kehlkopf hängt stabil in der Einhängemuskulatur, die vom weichen Gaumen bis zum Zwerchfell reicht. Er kann in seiner Form in die Länge gezogen werden, da er aus elastischem Knorpelgewebe besteht. Die Stellung des Kehlkopfes ist unabhängig von Vokal, Tonhöhe und Stimmfach. Allerdings kann die Kehlkopfmuskulatur durch Schall beeinflusst werden. 

Im Kehlkopf entsteht der Schall durch die schwingenden Stimmlippen, die vorne an der Kehlkopfspitze angewachsen sind. Ihre hintere Begrenzung sind die Stellknorpel, durch sie können sie geöffnet und geschlossen werden. Deutliche Größenunterschiede von etwa einem Viertel bestehen im Erwachsenenalter zwischen Frau und Mann. Der Unterschied im Klang zwischen Jungen- und Männerstimme beträgt gewöhnlich eine Oktave (Frequenzverhältnis 2 zu 1); die Frauenstimme kann gegenüber der Mädchenstimme bis zu einer kleinen Terz absinken (Frequenzverhältnis bis 6 zu 5).  Das bedeutet, der männliche Kehlkopf wächst deutlich mehr als der weibliche. Männer haben demzufolge bis zu fünf Mal mehr Muskelmasse als Frauen, und etwa um die Hälfte längere Stimmlippen. 

Ein medizinisch-phonetischer Rat: Entgegen der verbreiteten Meinung, man müsse „die Stimme schonen“ bei einer Kehlkopfentzündung, soll bei dieser Erkrankung keine Stimmruhe gehalten und vor allem nicht geflüstert werden. Normal vollklingendes Sprechen ist die gesündeste Art, sich zu artikulieren.

 

KEHLKOPFSENKUNG 

Der Kehlkopf steht in Ruhestellung etwa beim 3. Halswirbel, kann aber bis zum 4./5. Halswirbel sinken. Im Idealfall senkt sich der Kehlkopf symmetrisch, es kommt aber häufiger zu asymmetrischen Senkungsbewegungen durch Haltungsgewohnheiten. (Die Wahrnehmung der symmetrisch schwingenden Luftsäule ist in solchen Fällen das beste und einzig dauerhaft wirksame Regulativ.) 

Die Kehlkopfsenkung ist unabhängig von Vokal, Konsonanten, Lautstärke und Tonhöhe. Sie wird getriggert und unterstützt durch Dehnung des Lippenrings und eine Kieferöffnung wie beim Saugen. Die Artikulation des Vokals erfolgt deshalb erst gleichzeitig mit dem Einsatz durch codierte Impulse aus dem Sprachzentrum. Das bedeutet, die Vorstellung eines Vokalklangs initiiert im Moment des Toneinsatzes dessen Bildung, ohne bewusste Manipulation der artikulierenden Muskulatur. Nur so wird immer eine vollständige Senkung gewährleistet. “Punctum fixum", stabiler Ansatzpunkt bei der Senkung ist ein erweiterter Brustkorb und ein kontrahiertes Zwerchfell. Dann erst ist Kehlkopfsenkung möglich. Nur gegen einen unbewegten Stabilisator kann das System öffnen. Das ist die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks “Inalare la voce". Die den Kehlkopf senkenden Muskeln können aber stattdessen auch den Brustkorb heben, wenn das Punctum fixum und das Punctum movens vertauscht werden. Kehlkopfsenkung ist also nicht nur ein Zug nach unten, sondern vor allem sogar ein Nachgeben der oberen Einhängemuskulatur und der Constrictoren. 

Wenn der Kehlkopf sinkt, vergrößert sich der Abstand zwischen Stimmlippen und Taschenfalten. Antagonistisch zu diesem Zug nach unten erfolgt eine reflektorische Aktivierung/Hebung des weichen Gaumens. Je länger das Rohr ist, desto größer wird das Klangspektrum, das darin abgebildet werden kann. Tiefe Grundtöne haben deshalb mehr Obertöne als hohe. 

Nur bei dieser Tiefstellung des Kehlkopfes funktioniert die Selbstregulation der schwingenden Stimmlippen optimal. Je höher er steht, desto mehr Störungen entstehen, bis hin zum völligen Ausfallen der Selbstregulation. Denn die Funktion der Stimmlippen als Schutz- und Spinctersystem wird immer dominanter, je geringer ihre Dehnung und damit ihre Schließbereitschaft wird. 

Durch die ständige vom Stimmmuskel organisierte Neuabmischung des Verhältnisses von Masse- und Dehnungsdominanz ändert sich laufend die Klangfarbe, auch wegen der akustischen Eigenschaften des Resonators. Leider wird sowohl von Gesangslehrkräften als auch von Chorleitenden immer wieder gefordert, eine Klangfarbe beizubehalten. Um das zu erreichen, wird fast immer der Luftdruck erhöht Dadurch steigt der Kehlkopf nach oben. Auf Grund des zu hohen Luftdrucks schwingt dann zu viel Muskelmasse. Das wird auch als "verbrustetes Singen" bezeichnet. 

Das Singen mit "tiefgestelltem" Kehlkopf wurde schon von Manuel Garcia gelehrt. Aber wegen der fehlenden Erklärung, auf welche Weise der Kehlkopf gesenkt werden kann, kam es zu dem Missverständnis, das würde durch Zungendruck geschehen. Als Folge dieser Fehlannahme geriet die an sich funktional richtige Lehre bald wieder in Verruf. 

 

KLANG 

Klang ist hörbar gemachte Bewegung. Er muss nicht angeschoben werden, er ist schon da, mit der ersten tausendstel Sekunde, in der die Stimmlippen schwingen. Je feiner, differenzierter die Funktion ist, desto weicher wird der Klang. Durch Verfeinern der Bewegung und des Gehörs wird auch der Klang verfeinert.

Beim sogenannten Primärklang ist die Klangfarbe hell, die Vokalfarbe aber dunkel, ähnlich wie bei volltönendem Glockenklang. Der gesungene Klang wird vor allem über das Innenohr wahrgenommen, wobei auch der Knochenklang eine Rolle spielt. Da der gehörte Klang aber über die äußeren Gehörgänge ins Ohr dringt, ist es wenig zielführend sowohl für die Lehrenden als auch für die Lernenden, sich an Klangvorstellungen zu orientieren. Sie führen meistens in die funktionale Verirrung. Die taktile Wahrnehmung der stehenden Welle und die davon abgeleitete akustische Klangerfahrung ist eine viel sicherere Möglichkeit, sich leiten zu lassen. 

Klang ist auch emotionale Kommunikation. Auch dieser Parameter kann zu falschen Vorstellungen, Erwartungen und Interpretationen führen, die die rein funktionale Zielsetzung stören oder sogar aushebeln können. 

 

KLANGFARBE 

Sie entsteht im Vokaltrakt. Sie beschreibt, in welchem Verhältnis die Muskelmasse und das Ligament an der Klangerzeugung beteiligt sind. Beschrieben wird sie mit den Parametern dunkel - hell. Sie wird durch die unterschiedlichen Lautstärken der im Klang enthaltenen Teiltöne bestimmt. 

Klangfarbenresonanz wandert durch den Vokaltrakt. Dabei ist eine Unterscheidung der Begriffe Klangfarbe und Vokalfarbe von großer Wichtigkeit: Der Resonator liefert die Klangfarbe, der Artikulator formt die Vokalfarbe. Eine weitere Differenzierung ist nötig in Bezug auf Klangfarbe und individuellen Stimmklang.  Das sogenannte „Timbre“ wird definiert durch die individuelle Form des Instruments, aber auch durch Gewohnheiten und Schutzschließungen. Die hörbaren Parameter dafür sind weich versus hart, schrill oder voll versus eng,  gepresst und weitere assoziative Beschreibungen. 

Im Verhältnis zu den sekundären Schwingungen der Vokalfarben leitet die primäre Schwingung der Klangfarbe („Grundtönigkeit“) stärker die Schwingungsregulation. Klangfarbe ist etwas sehr Ursprüngliches. Deshalb wird sie auch durch Emotionen beeinflusst. 

 

KNÖDEL 

Dieser sehr lautmalende Begriff beschreibt tatsächlich das klangliche Ergebnis eines durch einen Widerstand verstellten Vokaltrakts. Gängigerweise wird unterschieden zwischen hartem und weichem Knödel. Jeweils ist es die Stellung der Zunge, die der Entfaltung des Klanges buchstäblich im Weg steht. Je nach dem Grad ihrer Kontraktion und ihrer Position im Raum entstehen verschiedene klangliche Ergebnisse: 

Beim harten Knödel zieht die Bewegung des Zungengrundes nach hinten die ganze Zunge mit sich, so dass der Rachenraum verengt ist. Es entsteht ein harter, „gepresster“, „gequetschter“ Klang. 

Beim weichen Knödel wird die ganze Zunge hochgezogen und damit auch der Kehlkopf. Der Klang wird nasal und verliert seine dunkle Klangfarbe. Auch ein guter Stimmlippenschluss ist in dieser Kehlposition nur unvollständig herstellbar. Daher wirkt der Klang ohne Kern und weich.

 

KOLORATUR

Die Koloratur ist das Markenzeichen des Belcanto. Läuft der Gesangsreflex ungestört ab, stimmen die Druckverhältnisse und die Balance zwischen agonistischer und antagonistischer Muskulatur, dann entsteht eine Kehlfertigkeit, die sehr schnelle regelmäßige Tonwechsel bei ungestörter Einatmungstendenz ermöglicht. Das ist eine Art „Gangart“ der Stimmlippen, die über die Vibratofrequenz und -amplitude koordiniert wird (5-7 Hz, 1/2 Ton). Wird eine Koloratur so ausgeführt, ist sie keine Tätigkeit mehr, sondern ein Zustand. Das maximale Tempo für Tonhöhenwechsel ist demnach auf 5-7 Wechsel pro Sekunde festgelegt. Es ist bis zu einem gewissen Grad modifizierbar und so an die Erfordernisse der Literatur anpassbar. Bei schnelleren Tempi werden zwei Töne auf eine Vibratoschwingung genommen. Es existiert sogar eine Übungsanweisung aus der alten italienischen Gesangsschule: Johann Friedrich Agricola (1720-1774) beschreibt das in seiner Übersetzung der „Opinioni“ von Pier Francesco Tosi, einem der berühmtesten Kastraten seiner Zeit (1723) so, dass je „zwo und zwo Noten zusammengeschliffen“ werden müssen.

Das ist ein völlig anderes Konzept als das, über Zwerchfellstöße die Tonwechsel anzustoßen, und ermöglicht das Singen von Koloraturen im vollkommenen Legato.

 

KONSONANTEN

Das Programm für Konsonantbildung ist ein ständig genutztes, unbewusstes Sprachprogramm. Es wurde im Kleinkindalter gelernt, mit kurzem Resonator und hohem Kehlkopf. Mit dem Spracherwerb ist die Programmierung abgeschlossen. 

Alle Konsonanten haben eine Schließtendenz. Also müssen sie möglichst kurz artikuliert werden. Beim Singen werden sie als „Implosion“ gebildet, den Vokaltrakt öffnend, statt schließend als „Explosion“. Das bedeutet, sie sind unaspiriert, denn Aspiration ist Ausatmung. Der Konsonant bewirkt nur einen kurzen Stopp des Luftflusses, keinen Luftverlust durch Aspiration. 

Der Konsonantendruck soll nicht höher sein als der Luftdruck bei der Klangbildung. Deshalb sollen sie ohne Ruck artikuliert werden, denn jede ruckartige Bewegung wird assoziiert mit Erschrecken und somit Schließung. Je weniger Aufwand sie benötigen, desto besser ist es für die ungestörte Stimmlippenschwingung. Die gleichzeitige Wahrnehmung der Stimmlippenebene gewährleistet deren Dominanz. Die Tatsache, dass die Zunge am Zahndamm landet und den Mundraum schließt, stoppt im Moment des Kontakts die Vibratoschwingung. Wird die Bewegung sehr schnell ausgeführt, bleibt auch diese Schwingung dominant wirksam. 

Für das Erlernen dieser „neuen Sprache“ gilt folgende Reihenfolge: Erst muss der Resonator erkannt werden, in Bezug dazu die optimale Bildung des Konsonanten. Durch den Konsonanten wieder wird der Artikulationsraum deutlicher erkannt, was in Folge die Bildung anderer Konsonanten erleichtert. Auch Konsonanten werden mit schmaler Zunge bei entspannt nach unten zeigenden Zungenseiten gebildet.

Das sängerische Ziel der Konsonantbildung ist, dass der Vokaltrakt offen bleibt und der Klangstrom ohne Unterbrechung weiterfließt. Es gilt, den (rezessiven) Überdruck der Konsonanten in die (dominante) Gesangsfunktion zu integrieren. Durch die innere Öffnung und Gestaltung des Mundraumes entsteht sogar eine Energie in der Artikulationsmuskulatur, die für den nachfolgenden Vokal unterstützend wirken kann, ähnlich die des Stockeinsatzes beim Skifahren. Konsonantbildung erfolgt möglichst schon in der Form des folgenden Vokals.

Stimmhafte und stimmlose Konsonanten außer l,w (d``), s (a`) können auf gesungener Tonhöhe nur bis d` gebildet werden, ansonsten müssen sie immer auf Sprachebene gebildet werden. Der darauf folgende Vokal dagegen erklingt auf der gesungenen Tonhöhe. Der Grund dafür ist, dass Konsonanten eine (sehr hohe) Eigenfrequenz haben, die vom Ohr wahrgenommen wird. Das Gehirn berechnet vorab den Luftdruck für die angestrebte Tonhöhe beim Toneinsatz. Bei der Artikulation von den meisten Konsonanten muss der Kiefer aber ganz oder beinahe geschlossen sein. Das ist nur möglich bei hoch stehendem Kehlkopf. Wenn der Konsonant also „auf Tonhöhe“ angesteuert wird, sendet es statt des Öffnungsimpulses für die Phonation einen Schließimpuls, damit entsprechende Frequenzen erzeugt werden können („Zischen“). Das bedeutet, der Kehlkopf wird reflektorisch von der Artikulationsmuskulatur nach oben gezogen, der Vokaltrakt verkürzt und verengt, so dass funktional gesundes Singen unmöglich wird. Besonders ungünstig ist die von der Sprachgewohnheit gesteuerte Konsonantenbildung ab d``, da ab dieser Tonhöhe die Öffnung des Vokaltraktes unbedingt notwendig ist, um den Ton ohne Überdruck zu erzeugen. Sonst käme ein anderes Tonerzeugungsprogramm im Überdruckmodus zum Einsatz, nämlich Schreien. Deshalb vermeiden besonders Sängerinnen instinktiv diesen Effekt, indem sie stimmhafte Konsonanten auf Schwa (also in tiefer Sprechlage) und ohne Luftdruck bilden, damit kein Luftdruck auf den nachfolgenden Vokal übergeht. Das ist der funktional sinnvolle Grund für das beliebte „Anschleifen“ der Töne. Alles andere wäre auf Dauer stimmschädigend. Sie verstehen es allerdings, das im Idealfall so unauffällig zu gestalten (z.B. durch einen unhörbar schnellen „Oktav- oder Quintsprung“), dass es kaum oder gar nicht wahrnehmbar ist. 

Infolge des Prinzips der „progressiven Muskelrelaxation“ können Konsonanten sukzessive sogar bei der Dehnung der Mimikmuskulatur helfen. 

Im Detail:

Alle Gesangskonsonanten außer h werden im vorderen Mundraum gebildet, im Bereich des harten Gaumens. H ist der einzige Stimmlippenkonsonant.

Stimmlose Konsonanten werden ohne Luftdruck und Tonhöhenvorstellung gebildet.

Klinger müssen klingen, sonst zieht sich der Klangraum zusammen. 

Bei Platzlauten gilt folgendes: Der Spuckreflex ist nur effektiv, wenn der gesamte Reflex einschließlich des Einatemreflexes durchläuft, andernfalls besteht die Gefahr einer Dauerkontraktion der Bauchdecke.

Bei stimmhaften Platzlauten entsteht ein kleiner Luftstau im Vestibül, die Stimmlippen erzeugen einer sehr kurzen „Vorschlag“ auf d`, unabhängig davon, ob der nachfolgende Ton auf d`, darüber oder darunter liegt. 

Endkonsonanten behalten die vollständige Tonisierung bei.

Bei ch haben die Zungenseiten leichten Kontakt zu den hinteren Backenzähnen. Das Gleiche gilt für j, was ja die stimmhafte Variante von ch ist.

Auch der Konsonant f soll möglichst unaspiriert gebildet werden.

Das sängerische l wird ohne Schließung und Überdruck gebildet. Es ist der einzige Konsonant, der in jeder Tonhöhe artikuliert werden kann auf Grund der Möglichkeit der Kieferöffnung.

Ng wird fast an den Zähnen gebildet, („Mittelzungen-n“) als die bewegungsmäßige Fortsetzung von u-ü-i. 

Die Bildung des „Kutscher-r“ ist nur in der Überdruckfunktion möglich, also für funktionelles Singen ungeeignet.  

Bei s, sch zeigt die Zungenspitze nach unten und berührt die untere Zahnreihe.

 

LEGATO

Legato ist die Grundfunktion der sängerischen Klangerzeugung. Vollkommenes Legato ist nur bei geöffnetem Vokaltrakt möglich. Der Schlüssel zu Legato ist das Vibrato, der störungsfreie Grundtremor der ausbalancierten Atemmuskulatur. Einen Ton zu "halten", wie es oft gefordert wird, ist physiologisch unmöglich, das wäre Stillstand. Die Schwingung entwickelt sich immer weiter und wird immer energievoller zum Ende des Tones hin.

 

LIGAMENT 

Das Stimmligament, das sogenannte Stimmband, die Umhüllung des Vokalismuskels ist anatomisch eine Sehne. Daher ist es elastisch und dehnbar. Die maximale Ligamentdehnung ist bei a`` erreicht. Darüber erfolgt Tonhöhenveränderung nach akustischen Gesetzmäßigkeiten. Um Ligament und Vokalis legt sich die Schleimhaut.  

Das Ligament wird deutlich spürbar durch Staccato. Um für die Phonation optimal genutzt werden zu können, muss das Ligament an die große Dehnung gewöhnt werden. Sonst kommt es zu Schutzreaktionen, denn die Primärfunktion des Ligaments ist wie beim Vokalis selbst der Schutz der Luftwege.

Neugeborene haben noch keine Stimmbänder. Sie entwickeln sich erst durch Training des Stimmmuskels.

 

LIPPEN

Sie sind von Geburt an das wichtigste Tor von innen nach außen. Am Beginn des menschlichen Lebens steht die orale Phase, eine Zeit, in der praktisch der gesamte Kontakt zur Außenwelt über die Lippen hergestellt wird. Sie besitzen einen äußerst feinen Tastsinn und größte Beweglichkeit in feinster Nuancierung. 

Der äußere und der innere Lippenringmuskel bilden die äußersten Sphinkter zum Schutz der Atemwege. Bleibt der Lippenring leicht aktiviert und kontrahiert, ist dies das Signal für die innere Muskulatur, Öffnung zu erlauben. Kollabiert er, werden sofort weiter innen liegende Sphinkter (Zunge, Gaumensegel, Taschenfalten, Stimmlippen) reflektorisch aktiviert, und verengen oder schließen den Vokaltrakt, um den Schutz der Lunge zu gewährleisten.

Der Tonus des Lippenringmuskels erhöht sich bei Mundöffnung, so dass die Dehnungserlaubnis der kontrahierten Lippen die Öffnung leitet. Damit der weiche Gaumen öffnend nach oben reagieren kann, müssen die Mundwinkel die Lippenrundung leiten (Saugbewegung). Dann verlängert sich der Vokaltrakt auch nach unten, der Kehlkopf wird nach unten gezogen. Bei genügend Tonus in der Unterlippe bekommt der untere Teil der Zunge auch mehr Tonus, was beim Singen die Artikulation erleichtert. Bei hochgezogener Oberlippe muss die Zunge den Kiefer aufdrücken, gegen die Schließbewegung der Kaumuskulatur. Das schränkt die Artikulationsmöglichkeit natürlich stark ein. Schließt der Lippenring zu sehr, zieht er den weichen Gaumen mit abwärts. Es bedarf also einer fein abgestimmten Balance, um eine optimale Öffnung des Vokaltraktes zu ermöglichen. (Bei der vom Saugreflex gesteuerten Öffnung wird dieser Vorgang unbewusst koordiniert, weil das Ziel die Herstellung eines möglichst optimalen Sogs ist. Aber diese Feinabstimmung ist beim Nicht-Säugling überlagert durch Gewohnheiten, die vom Kauen und Sprechen herrühren.) Neuronale Impulse des Lippentonus aktivieren den Stimmlippentonus. Denn mit der saugenden Mundöffnung ist der Einatmungsreflex verknüpft, um den Sog zu unterstützen und zu verstärken.

Insgesamt werden 98 Muskeln und 18 Organe durch die Lippen beeinflusst. Außerdem sind sie direkt verbunden mit dem emotionalen System. Das heißt, sowohl im Akteur selbst als auch im Gegenüber wird durch Lippenbewegung emotionale Aktivität erzeugt. In treffender Weise wird die Aktion der Lippen für die Phonation als „Baciare il suono“ bezeichnet, „Den Klang küssen“.

 

LUFTWEGE / LUFTDRUCKREGELUNG

Der Eingang der Luftröhre und der Bereich des conus elasticus, eines sich nach oben verjüngenden Fasertrichters, der vom oberen Rand des Ringknorpels bis zu den Stimmbändern reicht, ist unterhalb der Stimmlippen spürbar. Erkennbar werden die oberen Luftwege durch Kühlung von der hindurch strömenden Luft: Ideal ist es dabei, nur Kühlung an den Stimmlippen zu spüren, da jede Kühlung durch Luftverwirbelung auf Grund eines Widerstandes entsteht. (Jeder kennt das Bild eines Baches, der dort Wirbel bildet, wo Gegenstände den Fluss des Wassers behindern.)  Jede weitere Kühlung ist also hervorgerufen durch Verspannung, Verengung und Luftverwirbelung im Bereich des Vokaltraktes. Am weichen Gaumen entsteht sie durch Abflachung in Folge von Zungendruck.

Der Luftfluss während der Phonation ist direkt nicht wahrnehmbar. Erkennbar ist stattdessen die leichte Luftbewegung der stehenden Welle an den höchst sensiblen Schleimhäuten des Vokaltrakts. So lässt sich die Form des “Instruments” während des Singens definieren. Die Luftwege regeln sich automatisch neurologisch vom Ventil, also den Stimmlippen aus.

Die Luftdruckregelung während der Tonerzeugung beim Singen ist dominant leitend vor der Vokalbildung, sehr im Gegensatz zur Sprachgewohnheit. Die Stimmlippen regulieren den Luftfluss selbst über das Vibrato. Verliert man die Empfindung, beginnt das System zu schließen, denn erhöhter Luftdruck sorgt für Schließtendenz. Die Bewegungsmöglichkeit und die Tragfähigkeit werden dadurch eingeschränkt. Das Signal für Überdruck ist ein gestörtes Vibrato: Bei Überdruck wird es zu Wobble (zu langsam, zu große Amplitude) oder Tremolo (zu schnell, zu kleine Amplitude).

Zwischen den Parametern Stimmlippenwiderstand, Luftdruck und Vibrato muss eine feine Balance entstehen im Ein- und Ausatmungssystem, nach der sich die Vokalisation richtet. Ist etwa der Luftdruck zu gering, kollabiert das System. (Taucher kennen den Begriff ”Hovern”, ähnlich läuft die Luftdruckregelung auch beim Singen ab.)

Dabei ist die Luftdruckorganisation bei verschiedenen Vokalen, dynamischen Abstufungen und Tonhöhen unterschiedlich. In die Höhe verringert sich der Luftdruck noch weiter, damit die äußerst differenzierten Schwingungsabläufe ungestört stattfinden können. Dasselbe gilt bei leiser werdender Dynamik. 

Dabei ist es interessant, dass der subglottale Luftdruck bei Profisängern durchaus höher ist als der bei Laiensängern. Die Balance zwischen Stimmlippenwiderstand und Luftdruck erzeugt dennoch eine Unterdruckventilfunktion. Allgemein gilt: Je weniger Luftverbrauch entsteht durch Aktivität der dominanten Einatmungsmuskulatur desto deutlicher dominiert die Uvf. 

Die Zielsetzung lautet daher: Wie wenig Luftdruck ist ausreichend? Wie sanft ist Singen möglich? Es gilt, Luftdruckspitzen herauszunehmen und im legato zu singen. Überdruck bewirkt, dass die Stimmlippen Masse ankoppeln und obendrein die Stimmlippenschließung von externen Muskeln unterstützt und verstärkt wird. Er erzeugt deshalb ein Engegefühl im Hals. Wird das zum Dauerzustand, entsteht sogar die Problematik, dass der vollständige Stimmlippenschluss "verlernt" wird. Sie erschlaffen mit der Zeit, so dass sie nur noch auf erhöhten Luftdruck schließen.

 

LUNGE

Sie besteht aus etwa 30 000 000 Lungenbläschen, die angeordnet sind wie ein Netz. Die Lunge wird von unten erweitert. Die Lungenbasis ist dominant, der Erweiterungsempfindung der Rippen folgend. Trotzdem füllen sich die Lungenbläschen gleichzeitig überall in der Lunge. Durch die Rückstellkraft der elastischen Bläschen entsteht subglottaler Luftdruck, der durch das Stimmventil und die Einatmungsmuskulatur reguliert wird.

Geht man in die Ausatmungsaktivität über, ändert sich das System ein wenig, aber die Balance an den Stimmlippen kann und soll gleich bleiben. Die Stimmempfindung leitet diese Balance durch Rückmeldung ans Gehirn. (Die Bauchmuskulatur ist viel zu grobmotorisch innerviert, um so fein differenzierte Veränderungen leiten zu können.)

Die Voraussetzung für lauteres Singen ist ein höherer Luftdruck in den Lungenbläschen. Er wird erzeugt durch eine größere Einatmungsbewegung. Durch dieses Training der Einatmungsmuskulatur erweitert sich sukzessive das potentielle Lungenvolumen bei professionell singenden Menschen. So wird es bei ihnen bis zu ca. 85% nutzbar. Professionell trainierte Hochleistungssportler haben dagegen eine Einatmungskapazität nur bis zu ca. 75%. Sänger sind Einatmungsspezialisten! Bei untrainierten Menschen ist das Lungenvolumen bis zu ca. 50% nutzbar. Der Gesangsreflex wird aber erst ab mindestens 50% Lungenvolumen ausgelöst (vgl. Niesreflex!). Darum ist ein gewisses Training die unbedingte Voraussetzung für funktional gesundes Singen. Hier liegt übrigens ein Grund für die überdurchschnittlich hohe Anzahl von korpulenten Menschen unter den Profisängern und -sängerinnen: Durch das ständige "Gewichtheben" bei der Atmung ist deren Einatmungsmuskulatur gut trainiert. So ist sie von vornherein imstande, die Balance zwischen Über- und Unterdruck zu halten, die für das Singen so notwendig ist.

2/3 des Lungengewebes befinden sich im Rücken. Die Erweiterung durch das hinten wesentlich tiefer hinab reichende Zwerchfell verbreitert und verlängert den Rücken von der 10. Rippe bis zum oberen Rand der nach außen rotierenden Schulterblätter. 

BELCANTOBEGRIFFE UND FACHAUSDRÜCKE FUNKTIONAL ERKLÄRT M - R

MANGIARE LA VOCE

„Die Stimme essen“? Es handelt sich bei dieser Beschreibung einer sängerischen Wahrnehmung nicht um eine aktive Kau- und Schluckmuskulatur beim Singen, wie man vermuten könnte. Im Gegenteil, es geht um die Aktivierung von Öffnungs- und Rundungsbewegung von hinten, von der Schlundmuskulatur aus, so, als ob sie sich bereit machen würde für etwas Großes, das von außen kommt. Der Lippenring kontrahiert in diesem Fall im Verlauf der Öffnung und Rundung, umgekehrt wie bei der Öffnung von vorne. Dadurch wird der Rachen- und Mundraum für die Klangverstärkung günstig geformt. Man könnte also besser übersetzen: „Die Stimme einnehmen“, oder auch „Die Stimme trinken“. Das Bild des singenden Fritz Wunderlich weckt diese Assoziation deutlich. Der Begriff ist also ähnlich zu deuten wie das berühmte „Inalare la voce“, das sich auf das Gefühl von Einatmung und Saugreflex während der beim Singen erfolgenden Ausatmung bezieht.

 

MARKIEREN

Dieser Begriff bezeichnet eine „Gangart“ des Gesangsreflexes, die dem Belcantobegriff „mezza voce“ („Halbe Stimme“) oder auch „sotto voce“ („Unter der Stimme“) entspricht. Auch der Ausdruck „Cantare piccolo"“gehört in diese Kategorie.

 

MASSE

Als Masse wird in der funktionalen Fachsprache die Muskelmasse des Stimmmuskels bezeichnet, also der aktiv kontrahierende und schwingende Teil unseres Instruments. Die Muskelkontraktion entspricht der Lautstärkeveränderung: Mehr Masse erzeugt einen tieferen und lauteren Klang, weniger Masse einen höheren und leiseren. Massedominanz fühlt sich größer, grober an, Dehnungssdominanz feinmotorischer, kleiner. Der Schwingungsablauf der Stimmlippen ist vertikal. Die Masseankopplung entspricht demnach einer vertikalen Tonisierung; Eine 3. Muskelschicht koppelt bei crescendo und Erniedrigung der Tonhöhe vertikal von hinten nach vorne unten hinten an die Stimmlippen an. Bei decrescendo und Erhöhung der Tonhöhe nimmt sie in der selben Reihenfolge wieder ab. Der innere Tonus der beiden oberen Schichten bleibt bei decrescendo erhalten. Für Masseankopplung braucht es eine Empfindung für Spannung in den Stimmlippen, denn die Masse braucht etwas, woran sie ankoppeln kann. Der Tonus muss zunehmen, damit Masse ankoppeln kann. Die leitende Empfindung dabei ist das Verhältnis Dehnung zu Masse, nicht der erhöhte subglottale Luftdruck. Bei erhöhtem Luftdruck wird Masseankopplung erzwungen durch die Schließtendenz der Stimmlippen gegen den Druck. Dabei schließt auch der Vokaltrakt.

Die Atmungsanteile im Rücken sind wesentlich für die Entwicklung von Masse, da die stabile Senkung des Kehlkopfes durch die Senkung des Zwerchfells nach hinten unten gewährleistet wird. Ohne diesen „Anker“ kann der Vokalis nicht kontrahieren.

Auch beim Vokalwechsel u-o-a wird Masse auf die gleiche Weise angekoppelt, so dass der Vokal u der masseärmste und der Vokal a der massereichste ist. Die anderen Vokale liegen zwischen diesen beiden Extremen. 

Bei der Bildung von Konsonanten besteht das Risiko, dass durch den Luftdruck, der zu ihrer Erzeugung benötigt wird, das System in die Überdruckfunktion wechselt. Die Unterdruckfunktion muss also dominant genug arbeiten, um Überdruckspitzen abfedern zu können. 

 

MEDIAKOMPRESSION

Mediakompression ist eine differenzierte Form von Schließbereitschaft bzw. Schließkraft, innerem Tonus der Stimmlippen während der Tonerzeugung. Sie stellt sich ein durch die exzentrische Kontraktion der Zwischenrippenmuskulatur. Die Kraft, die der Vokalismuskel beim Singen anwendet, braucht eben diese differenzierte Schließung. Dieser Zusammenhang ist jedem Säugetier bekannt über den Streckreflex.

Das Gefühl von davon ist leicht zu verwechseln mit dem Gefühl von Massedominanz. Im ersten Fall ist die Wahrnehmung auf das Dehnungsgefühl gerichtet, im zweiten auf das der Kompression: Während diese sich "grob" anfühlt, ist „präzise“ die Idee von Mediakompression, denn sie ist drucklos. Bei idealer Mediakompression berühren sich auf Grund dieses Spannungszustands des Stimmmuskels während der Schwingung nur die Schleimhäute, nicht die Ligamente: In der Schleimhaut befindet sich das neurologische System, das den Vokaltrakt regelt und stabilisiert. 

Wer wenig Mediakompression hat, neigt oft dazu, den Luftdruck zu erhöhen, um sie zu verstärken. Damit erhöht man aber den Masseanteil statt des inneren Tonus. Die Erhöhung des Tonus ist die Voraussetzung für die Vergrößerung von Masse, und diese Reihenfolge existiert im Grunde bei jeder angestrebten Muskelaktivität, etwa beim Heben. Wird also die Grundspannung angehoben, in diesem Fall besonders in der Zwischenrippenmuskulatur, erhöht sich auch die Mediakompression. Das ist ein Grund für das nach Fortetönen häufig gehörte „Nachächzen“: Durch den hohen Tonus in der einatmenden, aber auch in der ausatmenden Zwischenrippenmuskulatur wird bei plötzlichen Beendigung des Tones ein Geräusch hörbar auf Grund einer Irritation im Druckausgleich zwischen den antagonistisch arbeitenden Muskelgruppen.

Das Phänomen, dass die Stimme nicht schließt, tritt ausschließlich bei Stimmerkrankungen auf. Die häufig anzutreffenden Hauchigkeit, besonders bei jungen Frauenstimmen, entsteht durch zu geringe Schließbereitschaft und auf Grund von mangelnder Kehlkopfsenkung und auch Muskelkraft des Vokalis. Sie ist also durch funktionales Gesangstraining durchaus in den Griff zu bekommen.

 

MESSA DI VOCE 

Damit ist gemeint die von den Stimmlippen gesteuerte Masseankopplung und -abkopplung, das Zuschalten bzw. Stilllegen von Muskelmasse des Stimmmuskels nach bzw. von hinten unten, im Unterschied zum luftdruckgesteuerten crescendo und raumverengenden decrescendo. Je mehr Masse, Kontraktion und Tonus dazukommt, desto höher wird die Lautstärke. 

Für ein Anwachsen der Lautstärke muss der Vokalis differenziert kontrahieren, während der äußere Kehlkopfmuskel ebenso dagegenhalten muss. Gibt er nach, verändert sich gleichzeitig die Tonhöhe nach unten. Gleichzeitig initiiert das crescendo eine Querschnittsvergrößerung über den Stimmlippen. Das ist ein höchst komplexer Vorgang und erfordert eine gut trainierten Stimmmuskulatur. Gleichzeitig wird sie durch messa di voce optimal trainiert, vergleichbar dem Hanteltraining für Bizeps und Trizeps. Das ist der Grund, warum diese Fertigkeit in der Belcantopraxis seit jeher als Hohe Schule des Gesangs gilt.

 

MEZZA VOCE

Ursprünglich, in der italienischen Belcantolehre, bedeutet dieser Begriff, dass beide Anteile des Stimmklangs, der dunkle und der helle, in jeder Dynamik erhalten bleiben. Er lässt sich also frei übersetzen als „Halb-halb-Stimme“. Heute wird der Ausdruck anders verstanden: Beim mezza voce, dem Singen mit „halber Stimme“, das naturgemäß leiser ist als das Singen mit voller Stimme, wird nur einen Teil der Massekapazität des Vokalismuskels benutzt. Es ist also eine noch feinere Abstimmung zwischen Über- und Unterdruck an den schwingenden Stimlippen nötig durch eine noch feiner justierte Balance zwischen Ein- und Ausatmungsmuskulatur. Diese Funktion ist nur im Tonraum zwischen a und a` möglich, die von manchen Gesangsschulen als „Mittelstimme“ oder „Mittelregister“ bezeichnet wird, weil nur da eine Wahlmöglichkeit zwischen Masse- und Dehnungsdominanz besteht. Das Stimmfach Tenor ist also prädestiniert für dieses besonders kunstvolle Ausdrucksmittel.

Vergleichbar ist diese Muskelkoordination mit der von sehr langsamem kontrollierten Absenken eines sehr schweren Gegenstandes.

 

MIMIKMUSKULATUR

Sie besteht aus 22 Mimikmuskeln. Sie sind im Gegensatz zu den allermeisten Muskeln im menschlichen Körper keine Gelenke bewegenden Muskeln. Von der Bereitschaft dieser Muskulatur, sich dehnen zu lassen, ist der Vokaltrakt abhängig in seiner Formbarkeit, denn Mimikmuskulatur ist im Wesentlichen schließende Muskulatur. Ein entspanntes Gesicht zeigt keine Mimik. Stirnrunzeln etwa ist eine nach oben verkürzende Bewegung: Die Kontraktion der Stirnmuskulatur erzeugt eine Haltung gegen die Zunge, so dass im Gegenzug sich das Gaumensegel absenkt und Zungendruck entsteht; Zornesfalten bewirken eine Schließung der oberen Atemwege. Schließende Muskulatur, wie etwa Kaumuskulatur, Schluckmuskulatur oder Augenringmuskulatur muss erlauben, gedehnt zu werden, sonst behindert sie die Öffnung des Vokaltrakts. Allgemein kann gesagt werden: Jeder Versuch einer Öffnung über die Mimikmuskulatur zieht das System zu.

Mit jeder physiologischen Bewegung steht ein emotionaler Ausdruck in Verbindung. Ziel für das funktionale Singen ist eine entspannte Mimikmuskulatur, ein „offener“ Ausdruch wie bei einem Säugling. Lächeln wird erst erlernt, wenn die Kaumuskulatur beginnt, aktiviert zu werden, also der Unterdruck und Raum erzeugende Saugreflex langsam durch die Tätigkeit schließender Muskulatur ersetzt wird! Angestrebt wird also eine „angstfreie“ Mimik, wie es im angeborenen Bindungsverhalten angelegt ist. Bei Stress schließt die Mimikmuskulatur in der Schutzfunktion. Dann detoniert der Klang nach oben, weil zu wenig Masse angekoppelt wird bzw. die tiefe Schwingung weggedämpft wird.

Durch Berührung kann man die Mimikmuskulatur entspannen, neuronal beruhigen, indem man den Gesichtsnerven Reize zufügt, besonders am sogenannten Modioluspunkt, einer Kreuzung der beiden Gesichtsnerven.

Dann wird es möglich, dass die Mimikmuskulatur der Rundung und Tonisierung der Costrictoren von unten nach oben folgt und den Vokaltrakt dehnend mitformt. Klangliches Ergebnis ist eine „runde“ Stimme, im Unterschied zu einer „flachen“, „spitzen“ oder „engen“ Stimme.

 

MISCHUNG

Funktional spricht man von einer koordinierten Stimme statt einer gemischten Stimme, da das Monochord Stimme nur eine Funktion besitzt, mit den beiden Komponenten Masse und Dehnung. Sie sind aber immer gleichzeitig vorhanden in unterschiedlichem Verhältnis zueinander.

 

MUNDÖFFNUNG / KIEFERÖFFNUNG

Die Öffnung des Kiefers ist ein höchst komplexer, mit zahlreichen Schutzmechanismen und fünf Sphinktern ausgestatteter Vorgang, Da der Mund der Eingang zur Lunge ist, einem überlebenswichtigen Organ, ist auch die Mundöffnung ein Grundprogramm im Gehirn; jede Phase der Mundöffnung hat eine neurologische Bedeutung. 89 Muskeln und 18 Organe werden dabei und davon aktiviert: Neurologische, neurophysiologische, akustische und muskuläre Ketten, Hierarchien leiten den Bewegungsablauf. Die Art der Mundöffnung beeinflusst die gesamte Mundraummuskulatur, den Vokaltrakt, Atemapparat und das Körperhaltungssystem. Konkret sind es aber nur zwei Muskeln, die durch Kontraktion die Öffnung des Kiefers bewirken. Sie befinden sich am Mundboden

Der Unterkiefer bewegt sich erst nach vorne, dann sogar leicht nach oben (wegen der Form des Kiefergelenks), dann nähert er sich in sichelförmigem Bogen dem Kinn bis zu einem kleinen Widerstand. Öffnet man weiter, muss die Zunge den Kiefer aufdrücken. Auch "Öffnung von hinten" mittels Zungedruck ist keine Öffnung, sondern Schließung der Luftwege durch den nach hinten gedrückten Zungengrund.

Bei der sängerischen Mundöffnung wird der Unterkiefer nur von der Mundbodenmuskulatur zurückgezogen: Die Öffnungsbewegung beginnt vorne. Wenn die Öffnungsbewegung von hinten beginnt, ist sie durch Zungendruck gegen den nicht genug nachgebenden großen Kaumuskel zustande gekommen.

Die Qualität der vorderen Mundöffnung bestimmt die Qualität der Öffnung der Luftwege. Sie bestimmt, welche Einatmungsmuskeln aktiv werden und damit nachfolgend auch die Qualität der Phonation. Je weniger Widerstände im Vokaltrakt bleiben, desto störungsfreier kann die Atemluft "einfallen", und desto optimaler vorbereitet ist dieser dann auch. Ohne Schließimpuls braucht der Atemapparat weniger Energie für die Einatmung. Daher wird beim Gesangreflex die Öffnungsbewegung vom Stimmventil geleitet. Die Zunge folgt nur und kontrahiert nach vorne wie beim Saugen. Die Dehnung des Lippenrings ist über den Saugreflex verschaltet mit Einatmung. Sie triggert die Einatmungsmuskulatur: Atmet man auf u ein, d. h. unter Zuhilfenahme von Mundwinkelaktivität, kontrahiert die innere Lippenringmuskulatur. Es entsteht ein Impuls im Rücken (5.-7. Rippe) und unter den Armen, den Mund zu öffnen. Von da an wird neurologisch die Atmung gesteuert, wenn die Bauchmuskulatur nicht angespannt ist. Der Bauch wird breiter. Das ist die Einatmung zur Vorbereitung der Erzeugung eines Sogs. Dazu ist es notwendig, dass die Kieferöffnung über Unter- und Oberkiefer gleichmäßig verteilt ist, wobei der Oberkiefer den gesamten Schädel mit einschließt. Daher ist das Drehgelenk des „Oberkiefers“ der Atlas Axis im Nacken. Eine so organisierte Kieferöffnung bewirkt 2/3 der Kehlkopfsenkung, die den für das Trinken notwendigen Sog erzeugt.

Es gibt eine optimale Weite der Öffnung: Bei mehr als 2 Fingerbreit Mundöffnung schließt der Rachenraum wieder, da die Zunge dann nach hinten gedrückt wird. Das gilt auch für große Höhe und Lautstärke. Eine zu weite Kieferöffnung zieht eine Überbetonung der Oberlippe und eine (Schutz-) Schließung des weichen Gaumens und der Constrictoren nach sich. (Deswegen entstehen die schnarchenden Geräusche beim Gähnen oder Schlafen.)

Bei der Artikulation liegt bei den Vokalen a und o der Schwerpunkt auf der Scharnierfunktion, bei u, e und i auf der Schlittenfunktion. Das heißt, die Dehnung verläuft mehr horizontal, was die Dehnungsfunktion begünstigt. Bei der Artikulation u-o-a vergrößert sich die Mundwinkelaktivität. Die Constrictoren runden, der weiche Gaumen, der obere Constrictor und alle Sphinkter dehnen nacheinander durch ein biologisches Programm. Am Ende dieses Bewegungsablaufs steht das Nachgeben des Schläfenmuskels bei Öffnung in Richtung sängerisches a. Bei alledem ist die Lippenrundung die dominante Wahrnehmung.

Eine Mundöffnung von etwa zwei Fingerbreit erlaubt auch der Zunge mehr und störungfreiere Bewegung.

Zusammenfassend kann man sagen, die sängerische Mundöffnung ist eine erweiterte Komplexfunktion der Grundfunktion Einatmung: Die Luftwege formen den Resonator, das Ventil öffnet sich, so dass der Vibrator, der Vokalis, ein intaktes Instrument zur Verfügung hat.

 

MUNDRAUM

Die Resonanz des Mundraums ist symptomatisch für Sprachgewohnheit, der originale Vokaltraktklang wird dabei gebrochen. 

 

MUSKULATUR

Zur Funktionsweise der Muskulatur findet sich in der einschlägigen Literatur genügend Information. In Bezug auf den Gesangsreflex gibt es ein paar spezielle Anmerkungen:

Kein Muskel ist jemals passiv bzw. völlig entspannt, ein Grundtonus bleibt immer erhalten. 

Die kleinen Muskeln bestimmen die Qualität einer Bewegung („Fingerspitzengefühl“).

Von den Fußsohlen bis zum Scheitel ziehen sich aufrichtende Muskelschlingen durch den ganzen Körper. Die Wadenmuskulatur existiert sogar allein für die Aufrichtung, ohne sie ist aufrechte Haltung unmöglich. Eine vollständige Aufrichtung ist unerlässlich für eine funktionierende Phonation. 

Nur ein kontrahierter Muskel ist zu differenzierter Arbeit fähig. Ein gedehnter Muskel kontrahiert leichter. 

Exzentrische (Dehnung erlaubende) Muskelarbeit trainiert den Muskel mehr (60%) als konzentrische (kontrahierende). 

Agonist-Antagonist: Der kontrahierte, exzentrisch arbeitende Muskel ist bei gleicher Muskelkraft der die Bewegung dominant leitende, Dehnung erlaubende. Bei unterschiedlicher Muskelkraft ist immer der stärkere der leitende Muskel.

Der Vokalismuskel hat eine besondere, nicht ermüdbare Zopfstruktur, die sonst im Körper nur noch im Herzmuskel vorkommt. (Herz und Stimmmuskel sind im embryonalen Stadium aus der selben Keimzelle hervorgegangen.) Er ist vom Aufbau her in Segmente differenziert: Jede halbe Oktave gibt es einen Übergang in ein anderes Schwingungsverhaltens (akustisches Phänomen des "Wolfs" bzw. “Bruchs”). Dabei sind alle muskulären Vorgänge fließend, akustische Phänomene und taktile Wahrnehmungen hingegen springen.

Der Bizepsimpuls hat eine neurologische Beziehung zu den Stimmlippen: Er ist verschaltet mit der Unterdruckventilfunktion und der Einatmung, der Trizeps ist verschaltet mit der Überdruckventilfunktion und der Ausatmung.

Differenzierung der verschiedenen Muskeln nach Wirkungsweise im System: Einatmung: Fuß-, Bein- und Teile der Rückenmuskulatur und  M. rectus abdominis tonisieren, die schräge Bauchmuskulatur erlaubt Dehnung, Zwerchfell, M. serratus anterior und äußere Zwischenrippenmuskulatur kontrahieren; Ausatmung: Aufrichtungsmuskulatur bleibt tonisiert, Zwerchfell, M. serratus anterior und äußere Zwischenrippenmuskeln geben kontrolliert Spannung ab, Bauchmuskulatur entspannt und kontrahiert danach in Abhängigkeit zu den Einatmungsmuskeln. (Vereinfachte Darstellung)

 

NASE

„Ich atme beim Singen, als ob ich an einer Rose rieche.“ (Zitat Caruso) Die Nase ist ausgestattet mit einem unteren und einem oberen Luftweg. Dieser führt über das Riechorgan. Es gibt drei verschiedene Nasengänge. Bei der Ruheatmung wird der unterste benutzt, denn er ist der direkte Weg zur Luftröhre. Dabei werden keine Reflexe aktiviert (Schlafmodus). Beim Riechen wird der oberste Atemweg benutzt: Der Beginn des Riechens ist die Öffnung dieses oberen Bereichs, ohne Zwerchfellaktivität, also ohne dass Luft in den Körper gesaugt wird.

Riechen bahnt die Rundung an und sorgt für differenzierte Bewegungsfähigkeit der Zunge. Die obere Zunge hebt sich mehr, der Raum zwischen Rachenwand und Zunge erweitert sich minimal. Das ist die einzige Möglichkeit, das Gaumensegel „willentlich“ zu heben: Über die Vorstellung des Riechens wird unbewusst eine Hebung initiiert. Sie ist verknüpft ist mit der des Schmeckens und damit der Aktivierung der Zungenspitze und dem „Spitzen“ der Lippen. 

Die sängerische Einatmung beginnt durch die Nase, dann durch Mund und Nase Ab etwa zwei Zentimeter Mundöffnung schließt das Gaumensegel reflektorisch, ab da erfolgt reine Mundatmung mit gedehntem oberem Atemweg. Bei geöffnetem Mund ist es ab einer bestimmten Öffnung nur mit gehobener Zunge möglich, durch die Nase einzuatmen. 

Reine Nasenatmung, besonders forcierte, bewirkt einen Verschluss im gesamten Atemsystem und ist deshalb für sängerische Atmung ungeeignet. Bei Nasenatmung ist der Raum nicht gestaltet, die tiefe Frequenz bleibt schwach. Nasalität ist deshalb das Gegenteil von Kopfigkeit. Sie entsteht im Klang durch Zungendruck und als Reaktion darauf flacher Position, Passivität des weichen Gaumens. Bei reiner Nasenatmung sinkt der Kehlkopf nicht, ein anderes Programm der Einatmung mit anderen Präferenzen ist aktiv. Das Resultat ist die näselnde Frequenz, der 3. Formant, bei etwa 2500 Hz. Näseln ist eher ein Phänomen von höher gelagerten Stimmen. Tiefere haben mehr Masse, so dass die Näselfrequenz nicht so zum Tragen kommt. Näseln aber verhindert die Ankopplung von Masse. Es ist übrigens sogar möglich, dass näselnde Frequenzen von Instrumenten ansteckend wirken.

Bei geöffnetem Mund wird die Nase von anderen Muskelgruppen geöffnet als bei geschlossenem Mund. Mund- und Nasenatmung gleichzeitig funktioniert nur durch Spannung der Zunge im Bereich des Zungenbeins und gleichzeitig aktiver Atemmuskulatur.

 

ÖFFNUNG

Der Gesangsreflex agiert in die Öffnung, wie die Einatmung, statt in die Schließung, wie die Ausatmung. Öffnung entsteht durch Vokaltraktlänge und Vokaltraktweite.

Offenes Singen bedeutet „italienisch“ offene Vokale: Die Zunge ist schmal und befindet sich vorne, oben wie beim Saugen. Dadurch ist der Rachendurchmesser vergrößert. So wird sängerische Artikulation erst möglich. „Gähn“-Öffnung dagegen wird erzeugt durch Zungendruck auf Kiefer und Kehldeckel, so dass die Zunge den Rachendurchmesser verengt. Diese Variante der Öffnung ist ein Bestandteil der Sprachgewohnheit. Besonders groß ist der Unterschied zwischen Sprach- und Gesangsartikulation bei der Bildung der Vokale a und ä.

Wenn die Atemgeschwindigkeit im Verhältnis zur Öffnung unstimmig ist, reagiert das System zum Schutz mit reflektorischer Schließung. Bei der funktionalen a-Öffnung gibt es keine Schließreaktion mehr. Jeder Widerstand fällt weg und damit auch die gewohnheitsmäßige Orientierung, die sich nach der Empfindung von Widerstand ausrichtet. Das heißt, optimale funktionale Einatmung ist nicht mehr als solche wahrnehmbar, „die Luft fällt herein“.

Eine große Öffnung der oberen Luftwege löst reflektorisch eine Emotion des Ungeschütztseins, der Angst aus, solange die Bewegungsbereitschaft der gedehnten Stimmlippen nicht den Schutz der Lunge gewährleistet. Ist das der Fall, wird diese kinetische Energie vom System als wesentlich effektiverer, weil differenzierterer Schutz registriert.

 

OHR

Hören ist neuronal dominant und entwicklungsgeschichtlich früher als Sehen. Früher als die Fähigkeit zu hören entwickelt sich in Mutterleib nur die kinetische Wahrnehmung. Erst wird Schall empfunden, dann lernt man ihn hören. Hören ist zudem wesentlich älter als Singen. 

Funktionales Hören ist eine Spezialform des Hörens. Beim Singen wird hauptsächlich der Knochenklang über das Innenohr wahrgenommen. Das linke Ohr hört mehr den 1. Vokalformanten, die „tiefe Schwingung“, das rechte mehr den 2. Vokalformanten, die „hohe Schwingung“. Der Klang wird immer genau dazwischen wahrgenommen, unabhängig von dem Verhältnis Massefunktion zu Dehnungsfunktion. Der Grund für die unterschiedliche Hörwahrnehmung ist die unterschiedliche Reizleitung vom Gehirn: So wie ein Auge mehr Rottöne und das andere mehr Grüntöne wahrnimmt, hört das linke Ohr mehr mittlere und tiefe Frequenzen und das rechte mehr mittlere und hohe Frequenzen. Das erklärt die bei Sängern und Sängerinnen verbreitete Schiefstellung der Mundöffnung nach links bzw. rechts, je nach gewünschtem Hörerlebnis. Es ist auch eine Erklärung für manche Intonationsprobleme: Wer zu hoch singt, bei dem ist möglicherweise der linke Gehörgang verstellt, bei wem der rechte nicht offen ist, der neigt eher zum zu tief Singen.

Da aber die Eustachischen Röhren durch die Hebung des weichen Gaumens in Folge der Kieferöffnung verschlossen werden, täuscht besonders im hohen Gaumenbereich die akustische Wahrnehmung. Die Öffnung zum Nasenraum ist nur nötig für die Bildung der klingenden Konsonanten m und n. Das interne Gehör muss also so trainiert werden, dass es dominant reagiert vor der äußeren Hörwahrnehmung. 

Oft sind an der Sprachgewohnheit orientierte Menschen auf den 2. Vokalformanten fokussiert. Ohne 1. Formanten ist es allerdings unmöglich, differenziert zu hören. Im Gegensatz zur Sprachgewohnheit ist es elementar wichtig, die tiefe Frequenz im Vokal zu akzeptieren. Wird der Grundton nicht wahrgenommen, weiß das Nervensystem nicht, wie es sich einstellen soll. Orientiert man sich am 2. Formanten, wird dadurch die Stimmlippenregelung gestört. Dann wird das System zum Überdrucksystem. Es gibt dabei kein Zwischending. Hörsensibilitat übt einen entscheidenden Einfluss auf die Tonproduktion im Kehlkopf aus. Bei optimaler Kehlkopfsenkung ist auch die Zunge als vordere Membran optimal gedehnt. Dann ist es möglich, den inneren Klang zu optimal hören.

Das Ohr ist viel empfindlicher für hohe Frequenzen wegen unserer angeborenen Präferenz für das Hören von Babylauten. Das ist auch der Grund für die besondere Schalltrichterform der menschlichen Ohrmuschel: Sie verstärkt genau diese Frequenzen. Hohe Frequenzen lösen deutliche kinästhetische Reaktionen im Trommelfell aus. Die Folge ist hohe Tragfähigkeit. Das Impedanzminimum des Mittelohrs liegt bei 3000, 5000 und 8000 Hz, also genau in den Frequenzbereichen der Sängerformanten. Hören von hohen Frequenzen kann sogar eine Heilung, Energetisierung des Gehirns bewirken. Ab g`` schließt das Innenohr sich allerdings, um sich vor der hohen lauten Schwingung zu schützen. Das heißt, die Sängerin hört sich von innen leise bis kaum. Hört man sich laut in dieser Lage, ist die funktionale Regelung der Phonation gestört.

Lautstärke über das äußere Ohr zu regeln ist ebenfalls problematisch. Die Information dafür kommt zu spät, als dass sie von den Stimmlippen umgesetzt werden könnte. Die singende Person verlässt sich daher am besten auf die kinästhetische Wahrnehmung.

Männer haben eine andere Hörwahrnehmung als Frauen, weil beide sich vom Grundton und den Teiltönen her an ihrer Sprechlage orientieren.

 

PASSAGGIO

Als Passaggio bezeichnet man die Register- bzw. Segmentwechsel, die aus akustischen und muskulären Gründen etwa alle 9 Halbtöne auftreten, so bei ca. es`/e`/f`, a`/b´/h`, es``/e``/f``, a``/b``/h`` und d```/es```.

 

PFEIFREGISTER

Das ist eine Funktion der Stimmlippen, die ab g``` einsetzt, aber auch schon in etwas tieferer Lage, ab ca. d``` zur Anwendung kommen kann. Es existiert keine Stimmlippenschwingung und somit auch keine Regelfunktion der Stimmlippen, sondern die Tonhöhenregelung erfolgt über Modifzierung des Vokaltrakts. 

 

PORTAMENTO

Der Begriff beschreibt ein Glissando, bei dem die Vibratodämpfung nicht stattfindet. Die Folge ist ein Gleiten der Tonhöhe nach oben oder unten mit hörbarer Vibratoschwingung. Sie unterteilt das Glissando in drei Teiltonschritte pro Ganzton. Deshalb ist ein echtes portamento auch nur in einer bestimmten Geschwindigkeit möglich, da die Frequenz des Vibratos ja zwischen 5 und 7 Hz liegt. Der Belcanto nennt diese Funktionsweise der Stimme auch „Il ponticello“, „Die kleine Brücke“, und beschreibt damit die unaufhörliche Verbindung der einzelnen Tonfrequenzen durch die fortlaufende ungestörte Stimlippenschwingung. „Wer il ponticello nicht zu schlagen versteht, der weiß nicht zu singen.“ (Martienssen-Lohmann, S. 296)

 

RANDSCHWINGUNG / RANDSTIMME

Dieser Pseudo-Fachbegriff meint die Schwingung des den Vokalismuskel umschließenden Ligaments. Diese Schwingung ist aber nie isoliert vom schwingenden Stimmmuskel, außer in pathologischer Form durch zu viel Überdruck.

 

RAUM

Raum ist immer proportional zur Rundung. Raum im Vokaltrakt kann man nur erlauben, nicht herstellen. Wenn der Raum vorhanden ist, wird die Artikulation leicht.

Ein falsches Raumgefühl kann mit der Zunge hergestellt werden, indem sie den Unterkiefer hinunter drückt. Dabei entsteht ein größerer Mundraum, aber der Rachenraum ist von der Zunge verlegt.

 

REGISTER

Das menschliche „Instrument“ ist ein Einregisterinstrument mit zwei Komponenten (Masse-Dehnung). Das ist ein physiologisches, an der Stimme orientiertes System. Beteiligt daran sind die Stimmlippen und der Ring- Schildknorpelmuskel. Beim massedominanten Register regelt sich die Tonhöhe durch stärkere Kontraktion und Tonisierung des Vokalis nach unten, beim dehnungsdominanten Register durch seine Dehnung nach oben. Ab etwa fis`` ist keine Kontraktion des Vokalis mehr vorhanden auf Grund der vollständigen Dehnung.

Das dehnungsdominante Register fühlt sich „höher“ an, weil die Stimmlippen dünner sind und tatsächlich weniger bis keine Masse unten hinten schwingt. Die Stimmlippen haben keinen „Bauch“. Die gleiche Wahrnehmung entsteht bei den Vokalen u und i. Außerdem wird die Schwingung durch die akustischen Verhältnisse im Vokaltrakt mehr im Kopfbereich wahrgenommen, denn er verstärkt die hohen Frequenzen. Die tiefen Frequenzen im massedominanten Register werden mehr im Brustbereich verstärkt.

In der Übergangsoktave von a bis a` ist es sowohl Männern als auch Frauen möglich zu entscheiden, ob sie im masse- oder dehnungsdominanten Register singen. Hier ist auch ein echtes mezza voce möglich, eine Masseabgabe um die Hälfte.

Andere Registerbezeichnungen wie Strohbass bzw. Schnarrregister oder Vocal Fry, Falsett und Pfeifregister beschreiben keine echten Register, sondern spezielle Teilfunktionen der Stimmgebung, die bei der funktional gesunden Phonation nicht benutzt werden.

 

REGISTERDIVERGENZ

Das ist eine „Registertrennung“ durch Störungen im Schwingungsablauf: Der Schließreflex der Stimmlippen verhindert eine Gleichzeitigkeit der Schwingung von Stimmmuskel und Ligament.

 

RESONANZ

Es gibt eine Primärresonanz im Vestibül direkt über den schwingenden Stimmlippen, die „tiefe Schwingung“, und eine Sekundärresonanz in der Gegend, in der der 2. Vokalformant in Resonanz zum Vokaltrakt geht: Das ist die sogenannte „hohe Schwingung“ unter dem leicht gehobenen Gaumensegel.

Die Resonanz wird direkt über dem Kehlkopf auf die schwingenden Stimmlippen rückgekoppelt und verstärkt so ihre kinetische Energie, ihre Bewegungsbereitschaft. Das ist ihre primärfunktionale Reaktion auf Luftverwirbelungen.

Nur bei den Vokalen e, i, ö und ü gibt es die Brechung einer Teilresonanz: Die obere Schwingung teilt sich auf in die 2hohe Schwingung“ und einen extra Schwingungsknoten unter dem harten Gaumen, auch genannt „Maske“ bzw. „Vordersitz“.

 

RESONATOR

Im Moment des Einsatzes wird aus dem Atemweg ein Resonator. Er besteht aus zwei Teilen, einem unterhalb und einem oberhalb der Zunge. Auch der Innenbereich des Kehlkopfs ist ein Resonator, ebenso der Raum oberhalb und unterhalb des Kehlkopfs. Dieser muss fünf bis sieben Mal größer sein als der Kehlkopf, und der Kehlkopf muss gesenkt sein, damit der 1. Vokalformant entstehen kann. Beim Sprechen ist er eher geschlossen. Der Resonator ist beweglich. Er muss beweglich sein dürfen, um die Differenzierung der Vokalfarben zulassen zu können: Von den schwingenden Stimmlippen wird ein Teiltonspektrum in den Resonator geschickt. Je nachdem wie er gestaltet ist, werden bestimmte Frequenzbereiche verstärkt. Ein kleiner Teil der Schallwellen wird auch nach unten in die Luftröhre reflektiert, obwohl Singen während der Ausatmung stattfindet, weil die Geschwindigkeit der Schallwellen größer ist als die der ausströmenden Luft. 

Er ist auch ein Reflektor. Er reflektiert die Schallwellen auf die Stimmlippen zurück. Diese sind evolutionär dafür geschaffen, bei der geringsten Luftverwirbelung reflektorisch zu schließen, zumindest die Schließbereitschaft zu erhöhen, also die mediale Kompression zu verstärken. Auf diese Weise entsteht eine spürbar einrastende Rückkopplung der harmonischen Schwingung auf den Stimmlippen. Das bedeutet wie bei jeder Rückkopplung eine sich potenzierende Erhöhung der Grundlautstärke. Das ist ein Grund für die immense Tragfähigkeit der menschlichen Stimme. Besonders im dehnungsdominanten Register ist eine sehr feine Differenzierung zwischen Resonator und Stimmlippenschwingung möglich.

 

RHYTHMUS

Der lebendige Körper ist in vielerlei Hinsicht ein Rhythmusinstrument: Das zeigt sich sowohl im Zeitablauf der Jahre, der Wachstums- und Heilungsprozesse umfasst, im Zyklus der Jahreszeiten und Monate (Menstruation), in Phänomenen, die den Tagesrhythmus wie Schlaf- und Wachphasen oder Stoffwechselvorgänge betreffen, als auch im Bereich der rhythmisch organisierten Körperabläufe wie Atmung und Herzschlag, bis hin zu Muskelkontraktionen und Nervenaktionen. Auch Bewegungen verlaufen idealerweise rhythmisch, wie zum Beispiel Gehen und Laufen.
 Rhythmusgefühl ist uns angeboren: Schon Neugeborene können den Rhythmus von Musik wahrnehmen, bald strampeln sie auch im Takt dazu. Der Drang, sich zu Musik zu bewegen, besteht bis ins hohe Alter. Auch Sprache folgt einem gewissen Rhythmus: Im Deutschen wird etwa das Satzende mit einer Pause markiert, zusammengehörige Silben betonen wir anders als voneinander getrennte. Die Fähigkeit, sich zum Rhythmus von Sprache synchron zu bewegen, sagt sogar den Spracherwerb von Kindern vorher. Neurobiologisch ist das nur naheliegend, denn das auditorische System hat sich aus dem Gleichgewichtssystem entwickelt. Viele Nervenfasern des Gleichgewichtssystems reagieren unmittelbar auf auditorische Reize. Sie feuern und können zu reflexhaften Bewegungen der Arme und Beine führen. Die Neuronen, die im Gehirn unmittelbar auf rhythmische Stimuli reagieren, sind mit Nervenfasern verknüpft, die bis in die Beine und Arme reichen. Auch die inneren Organe sind mit ihnen verbunden, wie das Herz und die Stimmlippen, die ja im embryonalen Stadium aus derselben Keimzelle hervorgegangen sind. In Hirnscans wird offensichtlich, dass rhythmische Stimulation durch Musik die motorischen Areale immer bewegt, auch wenn der Proband still im Magnetresonanztomografen liegt. Nur in unserer Kultur gibt es das merkwürdige Phänomen, dass Menschen still dasitzen und Musik und Tanz konsumieren. Andere, vor allem afrikanische Kulturen, haben nicht einmal verschiedene Wörter für Tanz, Sprache und Musik.
Selbst die Pupillen weiten und verengen sich genau im Rhythmus der wahrgenommenen Laute. Das Gehirn synchronisiert sich mit Sprache und Musik gleichermaßen. So imitieren etwa Gesprächspartner unbewusst den Takt der Worte ihres Gegenübers und versuchen, beim abwechselnden Sprechen dessen Rhythmus beizubehalten. Das signalisiert auf rhythmischer Ebene Harmonie mit dem Gesprächspartner.
Es ist offensichtlich, dass eine rhythmische Vorbereitung auf den Vorgang des Singens, ein „Timing“ des Einatmungsvorgangs, eine wertvolle Unterstützung für das Auslösen des sängerischen Reflexes darstellt. Denn er mündet in den regelmäßigen rhythmischen An- und Abspannbewegungen des Vokalismuskels. Das Vibrato, das ja ebenso ein regelmäßiger Schwingungsablauf ist, organisiert im Folgenden rhythmisch die gesamte Phonation einschließlich der Tonhöhen- und Lautstärkeveränderungen. Eugen Rabine sagt dazu: „Für einen Profisänger gibt es keine Takt mehr“. Er meint damit, dass der körpereigene Rhythmus des Singens dominant vor von außen vorgegebenen Zeitabläufen rangiert.
Im Übrigen erzeugt es aus evolutionären Gründen positive Emotionen, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden.

 

RIPPEN

Der menschliche Körper ist ausgestattet mit zwölf Rippenpaaren, zehn echten Rippen, die die Atmung und den Schutz der Lunge gewährleisten, und zwei Fehlrippen zum Schutz der Nieren. 

Atmung wird ermöglicht durch die Erweiterung, Entfächerung des knöchernen Thorax nach hinten - außen - oben mit Hilfe des Zwerchfells und der sekundären Einatmungsmuskulatur. In der Belcantoschule sagt man dazu „con espansione“. Bei der sängerischen Einatmung geht diese Erweiterungsbewegung bis zur 5. Rippe. Die 7. - 5. Rippen bleiben während der Klangerzeugung stabil erweitert, die 10. - 8. werden kontrolliert in Richtung Ruheposition losgelassen. Bei der Einatmung leitet die Wahrnehmung der Rippenöffnung. Die Bauchmuskulatur wird dabei gedehnt. Wird der Bauch nach außen gedrückt, so wird die Bauchmuskulatur überdehnt, und die Rippen werden zusammengezogen. Eine Hebung der 4. - 1. Rippen während der Einatmung (Hochatmung) verkürzt und verengt das System wieder, und zieht den gesenkten Kehlkopf wieder nach oben.

Die Entfächerung des knöchernen Thorax ist entscheidend für Auslösen des Gesangsreflexes: Die Erweiterung des 5. Rippenbogens bewirkt eine Aktivierung des entsprechenden Wirbels und löst so reflektorisch den Gesangsreflex aus.

Das 5./6. Rippenpaar stabilisiert den Kehlkopf. Die Erweiterung der oberen Rippen aktiviert die Dehnungsfunktion, fördert den Stimmbandschluss und damit die hohe Schwingung. Die Erweiterung der unteren Rippen aktiviert die Massefunktion. Die seitliche Erweiterung ist Voraussetzung für die „sagittale“ Erweiterung vom Rückgrat bis zum Brustbein.

 

RUNDUNG

Runden ist das Gegenteil von Schlucken. Schlucken ist mit der Ausatmung verschaltet und schließt, Runden („Würgen“) dagegen mit der Einatmung, öffnet und stabilisiert den Rachenraum.  

Deshalb ist Rundung gleichzusetzen mit Klangverstärkung. Die hintere Rundung zwischen Kehlkopf und weichem Gaumen bleibt während des Singens störungsfrei erhalten, während die Zunge sich für die Artikulation hebt, senkt, verbreitert und verschmälert. Rundung braucht eine flexible Zunge, und eine flexible Zunge braucht Rundung. Die vordere Rundung des Lippenringmuskels verstärkt sich und schwächt sich dabei ab bis zur (fast) völligen Dekompensation.

Rundung wird ausgelöst durch einen Öffnungsreflex, z. B. durch Einführung eines Gegenstandes zwischen die Lippen (s. a. Carusos Korken). Das hat zur Folge, dass der obere Constrictor dehnt und rundet, und sich so der Kehlkopf tiefer senken kann. Durch Rundung rutscht der Kehlkopf ohne Einatmung schon tiefer. Die Schluckmuskulatur gibt Kontraktion ab und lässt sich nach unten dehnen. Rundung und Länge ergibt deshalb die Empfindung von Schlankheit. Diese Schmalheit rundet den weichen Gaumen. Daher kommt die Kuppel beim u.

Die Rundungsbewegung verläuft horizontal entlang des Wangenmuskels, nicht schräg wie bei der Sprachgewohnheit, denn die Kieferöffnung erfolgt ohne Zungendruck. Die Tonisierung der rundenden Rachenwand beginnt direkt über den Stimmlippen und setzt sich nach oben fort. Der obere Constrictor entwickelt einen Tonus, der hinter dem weichen Gaumen vorbei nach oben weitergeht. Der lange Gaumenbogenmuskel kann nur nachgeben, wenn die Rachenwand horizontal gerundet ist. Die Dehnung der Mimikmuskulatur erfolgt dabei horizontal, vom Ohrläppchen zum Mundwinkel, wie beim Saugen, statt schräg von der Ohrspitze, wie bei der Mundöffnung mit Hilfe der Zunge beim Essen. Lippenrundung ist ein Resultat der inneren Rundung: Diese bewirkt eine „Schub“-Reaktion bis in die Mundwinkel durch einen Bewegungsimpuls, der die Mundwinkelaktivität erleichtert. Diese Bewegung ist von den Wangen geleitet. Oberlippenaktivität ist nicht nötig. Wenn die Oberlippe bei der Rundung eingreift („Schürzen der Lippen“), verengt das den Vokaltrakt. Durch sängerische Rundung entsteht eine spezielle differenzierte Dehnung der Constrictoren: Je mehr die Dehnungsfunktion dominiert, desto größer wird der Durchmesser. Der dazugehörige Reflex ist der Würgereflex.  

Die Rundung ist über Außen- und Innenwahrnehmung erkennbar. Beim Anfänger wird sie durch Außenwahrnehmung erkannt, beim geübten Sänger durch Innenwahrnehmung. Bei optimaler Rundung ist der Innenklang der eigenen Stimme gut zu hören. 

Ohne Rundung ist keine Grundtonverstärkung möglich. Wesentlich ist dabei aber die Unterscheidung von Rundung und Abdunkeln!

BELCANTOBEGRIFFE UND FACHAUSDRÜCKE FUNKTIONAL ERKLÄRT S - U

SAUGREFLEX

Der Saugreflex ist ein angeborenes Programm zur Erzeugung von Unterdruck innerhalb des Rachenraums. Es wird über die Kontraktion und Rundung des Lippenrings geleitet. Bis zum siebten Lebensmonat ist Atmen und Saugen gleichzeitig möglich, danach trennen sich die Funktionen. Das Streichen quer über die Wangen aktiviert den Saugreflex beim Säugling und auch beim erwachsenen Menschen. Damit verbunden wird ein Einatmungsreflex ausgelöst. Durch Berührung der Mundwinkel runden die Constrictoren reflektorisch. Die Bewegung gleicht einer Art Greifen mit den Lippen. Der Kehlkopf fungiert dabei als Pumpe zur Erzeugung des Luftsogs. 

Beim Gesangsreflex, der auf dem Saugreflex basiert, folgt darauf eine differenzierte Ausatmung, gesteuert von der Einatmungsmuskulatur, die das Zusammenspiel der öffnenden Muskelschlingen reguliert.

 

SCHNUTE

Sie wird durch Muskelschlingen gebildet, die zur schließenden Muskulatur gehören (vgl. die Abwehrlaute der Schimpansen): Der Lippenringmuskel schiebt die Lippen vor. Das ist ein anderes Programm als das des Rundens beim Saugen.

 

SCHREIEN

Schreien ist eine Überdruckfunktion, in gewisser Weise die Komplementärfunktion zum Singen. Der Vokaltrakt wird verengt. Mit Hilfe der schrägen Bauchmuskulatur wird von unten Luft gegen die Stimmlippen gedrückt, die dadurch reflektorisch schließen. Beim Schreien nähern sich Taschenfalten und Ringknorpel so an, dass kein Raum über den Stimmlippen mehr bleibt. Der Klang ist laut, aber „gepresst“ und schrill, die Beanspruchung des Vokalismuskels hoch.

 

SCHWA

Das ist der Fachbegriff für eine Lautäußerung ohne Tonhöhe, definierten Vokal und eigene Dauer. Es ist eine Art Urvokal mit neutraler Vokaltraktform. Auch der Schwa braucht Rundung, sonst rutscht das System hoch und schließt zu Sprachgewohnheit. Der Raumschwa entsteht oberhalb der Stimmlippen. Er ist identisch mit der Grundtonverstärkung im Bereich des 1. Vokalformanten. Er ist Teil des 1. Vokalformanten und verstärkt die Eigenfrequenz des unteren Vokaltrakts.

Jede Konsonant-Vokalverbindung hat zwei Formanten: Den Raumschwa des Konsonanten und den Formantbereich des Vokals. Beim Singen trennen sich Vokal und Schwa unterhalb von e`.

Der Schwalaut lässt sich am ehesten umschreiben mit einem offenen ö. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Vorliebe in der deutschen Sprache für die Verwendung dieses Vokals zur Beschreibung von sehr lauten und undifferenzierten Lautäußerungen: Stöhnen, Röhren, Grölen, Föhnen, Dröhnen! 

 

SCHWINGUNG / SCHWINGUNGSWAHRNEHMUNG

Beim Singen entsteht eine primäre, grundtönige Schwingung im Kehlkopf und direkt darüber. Im weichen Gaumen entwickelt sich eine sekundäre Schwingung: Sie ist bei u am höchsten, bei o und a jeweils niedriger. Bei ä, e, i, ö und ü entsteht durch Hebung der Zungenmitte eine zweite Schwingungswahrnehmung am harten Gaumen. Sie ist bei ä am weitesten hinten, bei i am weitesten vorn fühlbar. Bei a, o und u fehlt diese Wahrnehmung, weil die Zunge bei diesen Vokalen nicht durch schräge Hebung eine Brechung der stehenden Welle hervorruft. Diese Sekundärschwingung durch den Knochenklang ist nicht klangverstärkend, sondern nur ein Indikator für die primäre Schwingung. Die Schwingungswahrnehmung am weichen Gaumen wird bei diesen Vokalen entsprechend schwächer, verschwindet aber nicht. Wird dieser Vibrationsstrang auch bei a, o, und u erzeugt, ist das nur möglich durch Hochziehen und Schrägstellen des Kehlkopfs durch den Zug der Zunge. Das hat eine Verkürzung des Vokaltraktes zur Folge. Das wiederum bedeutet mehr Anstrengung, weniger Effizienz und mehr Überdruckfunktion. 

Der Schwingungsablauf ist vertikal, die Masseankopplung ist vertikale Tonisierung. 

Je mehr tiefe Schwingung von den Stimmlippen erzeugt wird, desto intensiver ist auch die hohe Schwingung. Je höher der Ton wird, desto höher und intensiver, dominanter wird auch die obere Schwingungsempfindung, weil die hohe Schwingung im Kopfbereich verstärkt wird. Die untere Schwingung leitet immer, auch wenn sie nicht dominant in der Empfindung ist. Sowohl die obere als auch die untere Schwingung sind bei jedem Vokal wahrnehmbar.

In der Schleimhaut sitzen Rezeptoren für Schwingungswahrnehmung. Durch die Wahrnehmung der Schwingung organisiert sie sich selbst über Wohlgefühl. Bei weniger Luftdruck ist die hohe Schwingung deutlicher fühlbar. 

Es entsteht auch eine Wahrnehmung von Schwingungswanderung im Gaumenbereich nach vorne vom weichen zum harten Gaumen bei der Vokalfolge u-ü-i. Die hohe Schwingung am weichen Gaumen bleibt dabei   vorhanden und fühlbar, wenn auch abgeschwächt. Das ist eine Empfindung von Primärschwingung, die direkt etwas mit der Klangerzeugung zu tun habt. Sie zeichnet sich aus durch kleine Bewegungsabläufe im Gegensatz zur Empfindung von Sekundärschwingungen („Sitztechniken“), die viel grober, unpräziser und aufwändiger sind. Außerdem entsteht eine wandernde Schwingungswahrnehmung hinter der Zunge beim Singen einer Oktave schrittweise abwärts: Von oben nach unten wird die wandernde Grundtonschwingung (absolute Tonhöhe) immer deutlicher spürbar, weil von unten nach oben alle folgenden Töne schon Teiltöne des Obertonspektrums sind. Die Zungenbeinebene der absoluten Tonhöhe liegt zwischen fis` und e` (wenn man den Ort der wahrgenommenen Wanderschwingung lokalisiert).

Auch bei Kopfneigung wird eine wandernde Schwingungswahrnehmung am Gaumen wahrnehmbar. 

Durch Deformation des Instruments kann man die Schwingungsempfindungen an verschiedene Stellen bringen, je nach Brechung der stehenden Welle. Das ist das Konzept der Sitztechnik.

 

SEGMENT

Segmente sind ein akustisches Phänomen: In der Nähe der Frequenz, die die Eigenfrequent der Luftröhre anregt, entsteht eine Irritation in der Primärschwingung der Stimmlippen durch Interferenz. Diese reagieren mit Schließtendenz. Da dieser Frequenzbereich ebenfalls Teiltöne entwickelt, wiederholt sich die Irritation in abgeschwächter Form bei allen ganzzahligen Vielfachen, wie bei jeder Obertonreihe. Das bedeutet, dass der primäre Übergang bei ca. es`/e`/f` weitere Übergangsphänomene auslöst bei ca. a`/b´/h`, es``/e``/f``, a``/b``/h`` und d```/es```. Ab der dritten Oktave werden die Abstände etwas enger, weil die Tonhöhenregelung sich ändert ab etwa fis``. Diese Segmentanpassungen, die immer in Bezug zur Änderung des Verhältnisses von Massedominanz und Dehnungsdominanz stehen, werden von manchen Schulen als kleine Registerübergänge beschrieben. Die Tendenz, die unangenehme Empfindung der Irritationen durch Festhalten des Systems zu umgehen, findet man auch bei den Segmentwechseln. Sogar in die Tiefe hat der Übergang Auswirkungen: Auch bei ca. a/b/h entsteht eine Schwingungsirritation der Stimmlippen, die die Masseankopplung durch den dadurch ausgelösten Schließimpuls stören kann.

In der Sängersprache des Belcanto wird dieses Phänomen als passaggio bezeichnet, was ebenfalls Übergang bedeutet. Passaggio hat also eine akustische Ursache, nicht eine anatomische. 

Segmentwechsel der Stimmlippen fühlen sich wie kleine Brüche an.

Es ist wichtig, die Veränderung der Wahrnehmung beim Singen zu erlauben, damit sich das System and die sich ändernden akustischen Bedingungen anpassen kann. Vergleichbar ist dieser Vorgang etwa mit der Gangschaltung beim Auto.

 

SITZ / VORDERSITZ

Die Schwingungswahrnehmung des "Sitzes" wird hergestellt durch eine Umlenkung der stehenden Welle. Ziel ist, eine Wahrnehmung der Teilschwingung (die bei gesundem funktionalen Gesang nur bei den Vokalen e, i, ä, ö und ü entsteht) am harten Gaumen zu verstärken bzw. entstehen zu lassen. Um bei a, o und u eine Vibrationswahrnehmung am harten Gaumen zu erzeugen, muss der Kehlkopf aus seiner optimalen Tiefposition mit der Zunge leicht hochgezogen und schräg gestellt werden. Dadurch entsteht ein näselndes Klangergebnis. Diese Manipulation vermindert die Schwingungsqualität und Selbstregulation der Stimmlippen und schränkt den Stimmumfang ein. Auf die Dauer kann sie zu Stimmschäden führen, etwa zu sogenannten Registerdivergenzen. Dazu bemerkte Manuel Garcia, der berühmte Stimmforscher, schon 1894 sinngemäß in seinen "Ratschlägen für den Gesang": "... Ich lehne all das ab, wovon heutzutage gesprochen wird, nämlich das Führen der Stimme nach vorwärts, rückwärts oder aufwärts...  Die Idee ist absurd, man könne den Luftstrom nach vorne oder hinten lenken... Der Sänger hole Luft und beachte die Naturgesetze, der Kehlkopf und der Rest  sorgen für sich selbst...". Das stimmt insofern, als man nicht dem Luftstrom lenken kann, sondern nur die stehende Welle brechen mittels Manipulation durch die Zungenstellung.

 

STACCATO

Staccato ist eine Teilfunktion der Stimmlippen, bei der sie eine vollständige Vibratoschwingung von ca. 0,05-0,07 Sekunden Dauer ausführen. Danach wird die Phonation reflektorisch beendet. Das ist nur möglich, wenn das Vibrato im Moment des Einsatzes zu schwingen beginnt. Eine derartige Schwingung ist extrem fein und präzise. Sie wird nur möglich durch sehr wenig Luftdruck bei vollständig entfächertem Vokaltrakt. Sie erfolgt ohne Aktivität im Zwerchfell und im Vokaltrakt. 

Über Staccato ist es möglich, die Stellung des Kehlkopfes zu entdecken und zu erspüren. Staccato, auf funktionale Weise erzeugt, fördert deshalb die Sicherheit im Einsatz. 

 

STIMMLIPPEN

Die Keimblätter der befruchteten Eizelle bleiben lebenslang verbunden. Aus zwei Blutzellen von außen entstehen Herz und Stimmmuskel. Das ist der Grund dafür, dass Emotionen und Funktionen ebenfalls verknüpft bleiben. (Beachte den Begriff „Stimmung“!) Hier findet man auch einen Hauptfaktor jeder Kreislauf- und Stimmproblematik. Wir kommen ohne Stimmbänder, das heißt, die den Vokalismuskel umhüllenden Schleimhautligamente zur Welt. Erst mit Vollendung des 17. Lebensjahres ist die Verbindung zwischen Vokalis und Ligament abgeschlossen. Das erklärt auch die völlige Ermüdungsfreiheit der Säuglingsstimme. 

Der Vokalis ist ein Skelettmuskel. Das bedeutet, dass er Gelenke des Knochengerüstes bewegt. Er liegt etwa zwei bis drei Millimeter unter der Spitze des Adamsapfels. Er ist der komplizierteste Muskel des menschlichen Körpers. Er ist hinten dicker als vorne und besitzt viele Muskelspindeln, die unabhängig voneinander kontrahieren können. Jeder Mensch hat von Geburt an unterschiedlich viele dieser Muskelspindeln. Sie sind lebenslang in ihrer Anzahl unveränderlich.  Allerdings können sie trainiert werden und vergrößern dadurch ihren Umfang. Der Stimmmuskel ist abgesehen vom Herzmuskel der einzige nicht ermüdbare Muskel, denn er gibt die entstandene Wärme sofort ab. 

Die Innenseite besteht aus drei verschiedenen Zellstrukturen. Sie wird innerviert durch eine spezielle Art von Gamma-Nervenfasern und erzeugt so eine isotonische Kontraktion oder Dehnung. Die Dehnung im Vokalismuskel kann nicht aktiv gehalten werden, außer man singt. Die ihn umgebende Schleimhaut schwingt dabei vertikal durch einen neurologischen Impuls etwa fünf bis siebenmal in der Sekunde. Das klangliche Ergebnis davon ist das Vibrato. Diese Schwingung regelt sich selbst in Bezug zu Luftdruck und Schwingung des Muskels. Da die Stimmlippen äußere Kontrolle über die Luftabgabe durch Verengung und äußere Widerstände gewohnt sind, müssen sie lernen, den Luftfluss selbst aktiv zu dosieren: Letztlich entscheiden sie über die Dosis der Luftabgabe und somit über die Einatmungstendenz.

Von seiner Primärfunktion her sind die Stimmlippen hochempfindlich auf Luftverwirbelungen im Vokaltrakt und reagieren darauf mit Tonisierung, Erhöhung der kinetischen Energie und Differenzierungsbereitschaft. Durch Resonanz der erzeugten Schwingung vom geschlossenen Gaumensegel auf sie zurück wird diese Tonisierung auf Grund der Verstärkung der Primärfunktion noch intensiviert.

Die Stimmlippen sind zuständig für Tonhöhen- und Lautstärkeregelung. Sie steuern mit der Erzeugung der stehenden Klangwelle den ganzen Vokaltrakt. Ihre Dehnung durch die Kontraktion des äußeren Kehlkopfmuskels und die Drehung der Stellknorpel erzeugt eine kinetische Energie (Bewegungsbereitschaft), die einen optimalen Schutz für die Atemwege darstellt und beim Singen in regelmäßige Schwingung im Wechsel von Öffnung und Schließung der Stimmritze umgesetzt wird. Das signalisiert dem Gehirn den selben Schutz. Dabei ist bei der gesunden Stimmfunktion eine Phasengleichheit der beiden Stimmlippen im Einsatz, in der Schwingung und im Absatz, der reflektorischen Öffnung zum Abschluss der Schwingung, zu beobachten. Die Eigenschwingung des Vokalis wird neuronal erzeugt, nicht durch „Anblaseluft“. (Man kann als Experiment zwei Finger leicht aneinander legen: An der Berührungsstelle ist aus dem gleichen Grund auch ein neurologischer Impuls spürbar!) Seine Kontraktion ist aber nur möglich gegen die Gegenspannung des antagonistischen Muskels. Setzt man ihm keine Spannung entgegen, hat er keine Chance, zu kontrahieren. (Man denke dabei nur an das Spannen/Dehnen einer Saite!) 

Je stärker der dehnende Ring-Schildknorpelmuskel kontrahiert, desto länger und weiter wird der Vokaltrakt geöffnet. Man spricht von 3-Punkt-, 5-Punkt und 7-Punktöffnung, die die Stimmlippen immer weiter in Richtung Dehnungsfunktion ziehen. Je runder und weiter die Öffnung ist, desto stumpfer wird der vordere Winkel der Stimmlippenöffnung. Das bewirkt bei der Nachatmung einen anderen, vertikalen Atemweg an der Vorderseite des Vokaltraktes entlang. Selbstverständlich ist für die Muskelarbeit auch Tonus im Vokalis nötig. Die Tonuswahrnehmung zeichnet sich aus durch eine Art horizontales „Zentrums- bzw. Effizienzgefühl“. Leider besteht dabei Verwechslungsgefahr mit der Wahrnehmung von Luftdruck oder Zungendruck. Reduziert man den Luftdruck, ist es leichter, Tonus im Vokalis zu erzeugen.

Die Stimmlippen sind das Unterdruckventil des Körpers. Durch diese Funktion regeln sie die Luftdruckverhältnisse für die Tonerzeugung autonom. Das ist es, was in der funktionalen Fachsprache als echte Stütze bezeichnet wird: Die Stabilität und Flexibilität des gesamten Körpers dient der Feinregulation des Luftflusses für den Gesangsreflex. Neuronal sind sie mit dem Bizeps und dem Daumengrundgelenk verschaltet, da durch Kraftanwendung zum Körper hin, z. B. beim Klettern oder Schwimmen, die Lunge vor unwillkürlich einströmender Luft verschlossen werden muss, damit Zugkraft aufgebaut werden kann. So sorgen sie sogar für Balance beim Klettern. Durch drehende Körperbewegungen ist außerdem eine innere Drehung der Stimmmuskulatur aktivierbar. 

 

STIMMFACH

Das Stimmfach setzt sich aus folgenden Parametern zusammen: Wie viele Muskelfasern des Vokalismuskels sind angeboren? Je mehr vorhanden sind, desto dunkler, massereicher ist die Stimmfarbe. Die Länge des Muskels spielt für das Stimmfach nur eine sehr untergeordnete Rolle. Der Muskel ist frühestens ab einem Alter von 35 Jahren (bei Bassstimmen noch später, bis zum Alter von 45 Jahren) vom Wachstum her ausgereift, also kann sich das Stimmfach bis zu diesem Alter noch ändern.

Welche Teilfunktion (Masse/Dehnung) wird dominant bevorzugt? Auch diese Vorliebe ist angeboren. Das Bedürfnis, Masse anzukoppeln oder Spannung aufzubauen, zu dehnen, unterscheidet den Mezzosopran vom dramatischen Sopran, und den hohen Bariton vom Tenor, wobei die Vorliebe für Dehnungsdominanz auf einer höheren Grundenergie beruht. 

Wie ist der Vokaltrakt gestaltet und wie dominant wird die hohe bzw. tiefe Schwingung darin verstärkt? Auch bei hohen Stimmen ist im dehnungsdominanten Register der Grundton, der Ursprung der Klangerzeugung erkennbar. 

Der persönliche Stimmklang ist so individuell wie Fingerabdruck, aber er wird durch die extreme Verformbarkeit des Vokaltraktes sowie persönliche Erfahrungen beeinflusst, die Schutzhaltungen auslösen können.

Die Empfindung von Schönheit im Stimmklang beruht, wie jede Empfindung von Schönheit, auf dem im Hörenden erzeugten Wohlgefühl. Sie ist also nicht, wie die weit verbreitete Ansicht lautet, reine „Geschmacksache“, sondern, abgesehen von individuellen Vorprägungen und entsprechenden Hörerwartungen, sehr stark beeinflusst von der ausgelösten Empfindung von Natürlichkeit und Ungezwungenheit. Wie der singende Mensch sich körperlich und emotional fühlt, so fühlt sich auch der hörende. Der körpergerechte funktionale Klang löst durch seine Stimmigkeit dieses Wohlgefühl aus. Er wird aus diesem Grund überwiegend als schön empfunden. Das herausragende Beispiel dafür ist aus meiner Sicht sicher die Stimme von Fritz Wunderlich, deren Schönheit sich wohl kaum jemand entziehen kann.

 

STUMME MASSE

Das beschreibt das Phänomen, dass auf gleicher Tonhöhe gebildete Klänge unterschiedlich helle bzw. dunkle Klangfarben und Lautstärken haben, wenn sich die Klangquelle in der Dicke unterscheidet. Vergleichbar ist das mit dem unterschiedlichen Klangergebnis verschieden großer Streichinstrumente beim Spielen der gleichen Tonhöhe. Verantwortlich dafür ist die Beschaffenheit der dritten, untersten Schicht des Vokalismuskels.

 

TIEFE

Um tiefe, langsam schwingende Klänge zu erzeugen, wird der untere Teil des Stimmmuskels zugeschaltet. Auch die Luft unter der Stimmritze wird in Schwingung versetzt. Der Muskel schließt vollständig und öffnet stärker. Er wird kürzer, dicker und weicher. Die Schleimhäute bleiben unabhängig vom Muskel beweglich. Die Rundung der Constrictoren verstärkt und stabilisiert sich, da die Stimmlippen nach hinten unten Masse ankoppeln und der äußere Kehlkopfmuskel nachgibt. Daher ist bei massedominanten Tönen die verhältnismäßige Lage von Zunge und Stimmlippen anders als bei dehnungsdominanten. Die Zunge liegt im Verhältnis zu den Stimmlippen weiter vorne. Die sich daraus ergebende Mundstellung entspricht der von stärkerer Saugwirkung. 

Tiefe Töne brauchen Länge, denn ein langes Rohr resoniert tiefe Frequenzen gut. Das bedeutet, der Kehlkopf steht idealerweise auf Tiefstposition, damit der Vokaltrakt darüber möglichst lang ist. 

Tiefe Töne können über den Knochenklang bis in den Kopf und in die Zehen wahrgenommen werden 

Ist ein gesungener Ton unter dem ersten Vokalformanten des gesungenen Vokals, muss ein decrescendo erfolgen, oder der Raum muss zum nächst offeneren Vokal öffnen. sonst kann der entsprechend Vokal nicht artikuliert werden.

Tiefe Töne fordern durch ihre langsamere Schwingung und die größere schwingende Masse mehr Luftfluss an. In der Tiefe ist der Luftfluss dominanter als der Luftdruck. 

 

TIMBRE -> STIMMFACH

 

TONHÖHENREGELUNG

Tonhöhe ist von Geburt an eines der dominantesten emotionalen Signale, die es gibt. Die Regelung der Tonhöhe ist eine horizontale Bewegung. Sie wird gesteuert durch das Agonist-Antagonist-Paar Vokalis und Ring- Schildknorpemuskel, anders als beim Blasinstrument, wo sie über Verkürzung oder Verlängerung des Resonanzrohres zustande kommt. Dieser Ablauf ist codiert im Muskelgedächtnis und verläuft ohne aktive Beteiligung des Vokaltraktes. Allerdings muss er flexibel auf die Veränderungen reagieren, damit Tonhöhenregelung über die Stimmlippen möglich ist. Abwärts regelt die Tonhöhe der Stimmmuskel durch Kontraktion, das bedeutet aber, dass der exzentrisch arbeitende, nachgebende Antagonist der leitende Muskel ist. Aufwärts verhält es sich umgekehrt: Der Vokalis ist der leitende, nachgebende Muskel, der Antagonist kontrahiert und kippt den Schildknorpel nach vorne unten. Damit er das kann, muss die Zunge nach vorne nachgeben, weil der untere Constrictor am Zungenbein angewachsen ist. Nur so ist die Dehnung der Stimmlippen möglich. Diese Bewegung kann durch parallele Reaktion des Unterkiefers unterstützt und getriggert werden, da die sängerische, einen Sog erzeugende Kieferöffnung eine Senkung des Kehlkopfes auf 2/3 seiner Tiefstposition hervorruft.

Die Tonhöhe wird unbewusst reguliert, nur wahrgenommen. Der Versuch, sie bewusst zu regulieren, stört die Funktion.

Bei der Sprachgewohnheit wird im Normalfall die Tonhöhe verändert, indem der Kehlkopf hinten hochgezogen wird und dadurch die Stimmlippen verlängert werden, indem die Zunge vorne dagegenhält. Bei der sängerischen Tonhöhenregelung ist die Zunge an Tonhöhensteuerung unbeteiligt und bleibt im Idealfall unbeeinflusst von den sich verändernden Vibrationswahrnehmungen. Da sie aber vor allem auch ein Tastorgan ist, bedarf es einiger Selbstreflexion, dass sie sich nicht in Richtung der spürbaren Vibrationen im Vokaltrakt bewegt. Denn diese Bewegungen können auch eine ineffiziente Tonhöhenveränderung bewirken: Entweder sie zieht den Kehlkopf nach oben, oder der Zungengrund drückt auf den Kehldeckel. Ist das der Fall, wird störungsfreie Tonhöhenregelung unmöglich. Durch den nicht mehr optimal geöffneten Vokaltrakt erhöht sich der subglottale Luftdruck. Gleichzeitig wird der emotionale Stress größer, und dadurch schließt das System noch mehr. In Folge braucht man noch mehr Luftdruck, um Klänge zu produzieren. Für die Tonhöhenregelung ist also eine Differenzierung der Zungenbewegung nötig. Auch der Tonus der Lippen hat Einfluss auf die Tonhöhenregelung. 

Bei Tonhöhenveränderung während des Singens leitet die Stimmlippenschwingung. Abwärts verändert der Vokaltrakt seine Form, um die neu entstehenden Grundtöne verstärken zu können. Aufwärts sind schon alle Obertöne vorhanden, eine Veränderung ist nicht nötig.

Im Laufe der Entwicklung bildet sich ein Gefühl für Tonhöhen, eine Muskelerinnerung, die es ermöglicht, eine zuvor gehörte Frequenz voreinzustellen, und so „den Ton zu treffen“. 

 

TONUS

Tonus wird die Grundspannung in der Muskulatur genannt. Tonuszunahme im Körper, in der Aufrichtungsmuskulatur, programmiert auch die Stimmmuskulatur zu mehr Tonus. Durch erhöhten Körpertonus wird die Masseschwingung weich, statt ungeführt zu schlackern. Je höher der Tonus ist, desto besser sind die Unterschiede zwischen Masse- und Dehnungsdominanz wahrnehmbar. Bei verschiedenen Vokalen, dynamischen Abstufungen und Tonhöhen ist jeweils auch ein verschiedener Tonus nötig.

Ein höherer Tonus in der Wirbelsäule löst Millisekunden später eine stärkere Rundung im Artikulationssystem aus, so dass auch der Vokaltrakt an Tonus gewinnt. Verliert dagegen der Brustkorb den Tonus, rutscht der Kehlkopf hoch, da die Aufrichtung den Gegenpol zur Kehlkopfsenkung darstellt.

Gewichtige Menschen haben im Allgemeinen mehr Tonus, um die Aufrichtung zu halten. Das ist ein Grund dafür, warum es unter professionellen Sängern und Sängerinnen überdurchschnittlich viele füllige Menschen gibt. 

 

TRACHEALZUG

Dieser Begriff beschreibt die Kehlkopfsenkung durch Kontraktion des Zwerchfells, bis zu sieben Zentimeter unter der Ruheposition. Die Luftröhre wird dadurch schräg nach hinten unten gezogen. Alle hebenden Einhängemuskeln müssen dabei erlauben, sich dehnen zu lassen.

Trachealzug ist die Hauptaktivität, um den Kehlkopf auf die sängerisch günstige Tiefposition zu senken. Fehlt er, wird oft versucht, diese Senkung durch Zungendruck herzustellen. Deshalb ist die sehr tiefe Einatmung von mindestens 50% Lungenvolumen so überaus wichtig.

 

TRAGFÄHIGKEIT

Bei einem starken Grundton durch Kehltiefstand und offenen Vokaltrakt entstehen hohe und starke Obertöne, wie bei jedem langen Klangkörper mit großem Durchmesser. Beim menschlichen „Instrument“ wird sie noch verstärkt durch laserartige Potenzierung des Klangs im Vokaltrakt.   

Für die Entstehung der Sängerformanten, die Frequenzen um die Tonhöhe des Babygeschreis bei etwa 3000, 5000 und 8000 Hz, ist also eine maximale Öffnung des Vokaltrakts unbedingt nötig. Sie bilden sich bei geringer Mediakompression durch hohen Anteil an gedehnter, fein schwingender Schleimhaut. Da diese Frequenzbereiche aus evolutionären Gründen von der Form des menschlichen Ohrs am besten verstärkt werden, entsteht das Phänomen, dass akustisch leiserer Schall als dominant wahrgenommen wird (wissenschaftlicher Begriff: Lautheit) vor tieferem, objektiv lauterem Schall (wissenschaftlicher Begriff: Lautstärke).

 

TRAINING / ÜBEN / UNTERRICHTEN

Effizientes Gesangstraining setzt Kenntnis der funktionalen Zusammenhänge des den ganzen Körper koordinierenden Gesangsreflexes voraus. Analog dem Training anderer Muskeln, die Zug und Gegenzug brauchen, um Kraft zu entwickeln und zu steigern, wird auch die Stimmmuskulatur antagonistisch trainiert: Sowohl der Vokalis muss vermehrt Kraft anwenden gegen einen kontrahierten Kehlkopfsenker als auch umgekehrt. Zusammengefasst ausgedrückt heißt das: Die Höhe wird in der Tiefe trainiert! Trainierte Muskulatur ist besser imstande, feinmotorische Bewegungen zu koordinieren als untrainierte, was für die höchst differenzierte Arbeit der Kehlkopfmuskulatur bei der Phonation von höchster Bedeutung ist.

Für Lehrende sind folgende Aspekte zu beachten:

Aus funktionaler Sicht bedeutet Üben Programmieren neuer, erweiterter Anwendungen, „Updaten“ von Programmen im Gehirn, sowie Verbessern bzw. Verändern oder Löschen von bestehenden fehlerhaften und ineffektiven Programmen und Gewohnheiten. Abgeleitet von der Feldenkraismethode bedeutet dies: Beobachtung des Ist-Zustandes, ohne zu werten. Die Unterscheidung richtig - falsch ist in der Wahrnehmung des augenblicklichen Seinszustandes nicht existent. Bewegung geschieht in Bezug auf Zeit und Raum. Die Wahrnehmung ist zentriert auf das „Positive“, das Seiende, statt auf den Mangel, das „Negative“, Nicht-Seiende. Sehr wichtig sind Pausen während des Übens, damit das Gehirn das Erkannte abspeichern kann. Auf diese Weise wird das emotionale Gedächtnis umprogrammiert.

Für das Unterrichten bedeutet das, in kleinen selektiven Teilbereichen die Wahrnehmung der Schüler und Schülerinnen zu verändern und verfeinern durch Lenken der kinästhetischen Wahrnehmung statt über Vorsingen und Nachahmen durch Spiegelneuronen. Sonst können die Gewohnheiten der Lehrkraft unbewusst übernommen werden, statt dass sich der Gesangsreflex selbstständig optimiert. Selbst vorzusingen bietet zwei Risiken: Erstens gehen über die unterbewusste Nachahmung auch technische, funktionale Fehler, die beim Vorsingen nicht zu vermeiden sind, ungefiltert in die Wahrnehmung der nachzuahmenden Klänge über, einschließlich des persönlichen Timbres der Lehrperson. Zweitens können sich Schüler und Schülerinnen überfordert fühlen, weil sie naturgemäß noch nicht eins zu eins nachmachen können, was sie hören. 

Da funktionales Singen ein hochenergetischer Vorgang ist, und der Grad dieser Energie der unterrichteten Person noch nicht vollständig bewusst sein kann, ist es wichtig, beim Unterrichten möglichst die entsprechende Energie als Lehrperson selbst körperlich bereitzustellen. Daher ist es sinnvoll, die nötige Energie emotional zur Verfügung zu stellen, damit dieses Level durch Empathie von einem zu dem anderen Menschen übergehen kann.

Im funktionalen Unterricht ist ein spiralförmiger Fortgang von groß nach klein die gegebene Vorgehensweise: Erst werden große Bewegungen wahrgenommen, damit man in die Feinwahrnehmung gehen kann. 

Die Lehrperson stellt Fragen, worauf eine Phonationseinheit, eine Übung folgt. Die Frage an sich wirkt schon: Der Körper beantwortet sie mit seiner veränderten Reaktion, anstatt dass der analytische Verstand eingreift, der sich aus oft ungenauen und fehlerhaften Erinnerungen und Glaubenssätzen speist. Erst danach wird die verbale Antwort formuliert und das Erlebte wird in Worten ausgedrückt, um es noch bewusster werden zu lassen und in der Erinnerung abzuspeichern.

So wird ein Raum geöffnet für eigene Assoziationen. Das ermöglicht eine Kommunikation über die Feinwahrnehmung der lernenden Person an Hand ihrer speziellen Synästhesie und setzt Marker in ihrem Gehirn, die das Wahrgenommene codieren. 

 

ÜBERGANG

Die primäre evolutionäre Funktion des Stimmlippenventils ist, auf jede kleinste Luftverwirbelung mit sofortiger reflektorischer Schließung zu reagieren, um die unteren Atemwege und die Lunge vor dem lebensgefährlichen Eindringen von Fremdkörpern zu schützen. Gleichzeitig haben die Luftröhrenspangen eine Eigenfrequenz. Das Erzeugen eines Klanges in der Nähe dieser Frequenz bewirkt Schwebungen, die ihrerseits Luftverwirbelungen hervorrufen. Die kinästhetische Wahrnehmung der ihrer Eigenfrequenz mitresonierenden Knorpelspangen der Luftröhre, einer festen Größeneinheit im menschlichen Körper wie z. B. die ungefähre Größe von Herz oder Leber, liegt auf der Tonhöhe von ca. es`/e` bei allen Erwachsenen. Die Wahrnehmung dieser Wellen löst den Schließreflex der Stimmlippen aus und stört damit die Klangerzeugung. Als Schutzreaktion springt entweder das Massesystem oder das Dehnungssystem ein und bewirkt eine Schließung. Dadurch erhöht sich reflektorisch der Luftdruck unterhalb der schwingenden Stimmlippen. Der Ton bekommt plötzlich mehr Energie und das entsprechende Register setzt sich durch. Das ist die akustisch-physikalische Erklärung des Phänomens “Bruch”. Verstärkend kommt noch dazu, dass sich in dem Frequenzbereich zwischen a und a` die Stimmfunktion von Massedominanz auf Dehnungsdominanz umstellt. Da diese Wahrnehmung unangenehm ist, versuchen wir instinktiv, sie zu vermeiden, indem wir das System festhalten. Steht der Kehlkopf zu hoch, ist der Grundton gegenüber der Eigenfrequenz der Luftröhre zu schwach. Das verstärkt den Effekt noch. 

Ziel beim funktionalen Gesang ist es, durch Rundung, besonders von den Constrictoren aus gesteuert, die Irritation zu minimieren. Das gelingt nur dann, wenn die Grundtonfrequenz dominant ist gegenüber der der Luftröhre. Das ist nur bei gesenktem Kehlkopf der Fall. Am leichtesten ist der Übergang auf Vokal o im Mund- und Rachenraum zu bewerkstelligen. Über die runde Artikulationsform dieses Vokals ändert die Funktion die Resonanzräume organisch. Als Vorbereitung ist auch das noch mehr rundende u möglich. 

Ein weiter Rachendurchmesser erleichtert den Übergang. Dadurch bleibt der mittlere Constrictor aktiv und die Rundung stabil, so dass die Zunge dagegen stabilisieren kann. Behält die Zunge den Tonus, erhöht sich die obere, vordere Resonanz, die Vibratoempfindung wird stärker. Wird das System im Übergang kleiner, verliert die Zunge ihren Tonus. Je geringer der Zungentonus ist, desto stärker ist der Übergang.

Mehr Einatmungstendenz im Übergang verringert den unangenehmen Schließimpuls der Stimmlippen. Wenn Irritation entsteht, ist der Luftdruck zu hoch. Durch Reduktion und Wechsel zur nächstleiseren dynamischen Stufe und zum nächsten dehnungsdominanteren Vokal kann sie reduziert und annähernd behoben werden. Auch körperliche Balance unterstützt eine Feinabstimmung im Übergang.

Zur Gewöhnung an die evolutionär immer etwas unangenehme Empfindung dieser unvermeidbaren Irritation kann man lernen, die Wahrnehmung auf angenehme Empfindungen zu lenken und so die Störung mit der Zeit als für den Organismus ungefährlich erkennen. 

Bei Männerstimmen, die die Massedominanz gewöhnt sind, ist die Gewohnheit verbreitet, den Übergang durch Erhöhung des Luftdrucks zu vermeiden. Sie müssen lernen, zu erlauben, dass Masse abgegeben wird, damit das System sukzessive ins dehnungsdominante Register wechseln kann.

Besonders bei Tenören ist das eine ständige Gratwanderung, ein „Ritt auf der Rasierklinge“. Auch bei crescendo in der Übergangslage bleibt die Klangfarbe hell auf Grund der besonderen Technik dieser Stimmgruppe, die dem Belting ähnelt. Die Empfindung bleibt die der Dehnungsdominanz, es kommt nicht so viel Masse dazu, dass es sich massedominant anfühlt. Das gilt nicht nur für Tenöre, für diese aber in besonderem Maße.

Durch Veränderung von Parametern kann man den Übergang „umgehen“, aber nur durch Manipulation des Vokaltrakts und Verminderung der optimalen Voraussetzungen für die Stimmlippenfunktion. 

BELCANTOBEGRIFFE UND FACHAUSDRÜCKE FUNKTIONAL ERKLÄRT V - Z

VENTRIKEL / VESTIBÜL

Das ist der Raum direkt über der Stimmfalte. Er ist mit Kehldeckel, Taschenfalten und Ringknorpel verbunden und reicht von den Stimmlippen bis zum Kehldeckel. Der Vestibülresonator verstärkt die tiefen Frequenzen. Ist er geschlossen, folgt daraus eine geringe Grundtonverstärkung. Ist er geöffnet und der Kehlkopf gesenkt, wird der Grundton gut verstärkt. 

Bei „russischen“ (von unten angeschliffenen) Konsonantanlauten mit Schwa bläht sich das Vestibül leicht auf. Der analoge Reflex dazu ist Würgen.

 

VIBRATO 

Jeder Muskel besitzt Tremorfähigkeit. Je kleiner er ist, desto schneller ist sein Grundtremor. Er liegt z. B. bei der Bauchmuskulatur bei 4 Hz, bei den Fingern bei 5-7 Hz. Physiologischer Tremor wird ausgelöst durch neurologische Impulse an die Muskeln. Das sogenannte „neuronale Zittern“ dient dem Erhalt der Spannkraft und Belastbarkeit des jeweiligen Muskelpaares. Ist das Kräfteverhältnis zwischen Agonisten und Antagonisten ausbalanciert, stellt es sich reflektorisch ein, um eine Dauerbelastung zu ermöglichen. Da beim Vokalismuskel und seinem Antagonisten die Tremorfrequenz bei 5-7 Hz liegt, ist das auch gleichzeitig die Frequenz eines gesunden Vibratos. Das Vibrato findet auf Stimmlippenebene statt, nicht darüber. Erzeugt wird es durch abwechselndes Kontrahieren und Nachgeben des Stimmmuskels. Der Entstehungsort ist der Rand der Stimmlippen. Der neurologische Impuls für die Vibratoschwingung wird auch bei Absatz und neuem Einsatz nicht gestört.

Durch das neuronale Zittern entsteht außerdem eine Wellenschwingung an der Oberfläche des Ligaments. Da durch die Stimmlippenschwingungen hörbare Töne erzeugt werden, ist beim Singen diese zusätzliche Schwingungsform auch hörbar als Vibrato. Auch eine leichte Tonhöhenveränderung von etwa einem Viertel- bis Halbton entsteht durch diese regelmäßige Schwingung. Die Empfindung des Vibrato im Vokalis und der dadurch entstehenden stehenden Welle darüber im Vokaltrakt bis zum Gaumensegel  organisiert über diese Funktion seine weiteren Bewegungsformen wie Tonhöhenwechsel, dynamische Abstufungen, beides durch An- und Abkoppeln von Muskelmasse, Koloraturen, Triller, Staccato und viele weitere komplexe Bewegungsabläufe. Sogar den Grad des Luftflusses durch die Stimmlippen, Tonhöhenveränderung und Vokalveränderung vollzieht sich im Rhythmus des Vibratos („Treppenschwingung“). All das stellt sich bei dominanter Unterdruckfunktion des Atemapparates von selbst ein. Jede Parameterveränderung folgt der Wahrnehmung einer ungestörten Vibratoempfindung. Auch der Einsatz und der Absatz liegen zeitlich am Beginn bzw. Ende einer Vibratoschwingung. In diesem Modus ist Vibrato die den gesamten Gesangsreflex organisierende Funktion. Umgekehrt ermöglicht Vibrato eine noch feinere Koordination des Gesangsreflexes. 

Da der physiologische Grundtremor jeder Agonist-Antagonist-Muskelverbindung dieses neuronale Zittern ist, entwickelt sich echtes Vibrato bei guten Bedingungen von selbst. Es kann auch nicht willentlich hergestellt werden. Die Vibratoempfindung zwischen Stimmlippen und Zungenbein ist dominant vor der Masseempfindung. Der weiche Gaumen reagiert auf echtes Vibrato mit Tonisierung.

Unregelmäßiges Vibrato kann an unregelmäßiger Tonisierung des Vokaltrakts liegen, dann schwingt eine Stimmlippe langsamer als die andere.

Zu schnelles Vibrato mit zu kleiner Amplitude heißt auch „Tremolo“. Es entsteht durch zu hohen subglottalen Luftdruck, ungünstige Spannungsverhältnisse und zu wenig Raum im Vokaltrakt. Der Stimmbandschluss wird durch die Schluckmuskeln noch unterstützt. Deshalb findet es auch im Vokaltrakt statt und nicht nur in den Stimmlippen. Es verlangsamt sich durch mehr Rundung der Constrictoren, also durch Bereitstellung von mehr Raum.

„Wobble" nennt man zu langsames, zu großes Vibrato. Es entsteht durch zu viel Masse oder durch zu viel Druck. Eine Reduktion des Wobble ist durch einen mentalen Wunsch nach nonvibrato zu erreichen.

Pseudovibrato lässt sich durch schnelle Zungenbewegungen des Zungenrückens herstellen. Sie bewirken Luftduckveränderungen durch den zu- und abnehmenden Zungendruck, dem „harten Knödel“ verwandt, worauf die Stimmlippen mit An- und Abkopplung von Masse reagieren.

Vibratounterdrückung zieht aus diesen Gründen Intonationsprobleme nach sich. Ein Zuviel bzw. Zuwenig an Muskelmasse im Verhältnis zur Dehnung des Ligaments und auch ein Zuviel an Luftdruck unter den schwingenden Stimmlippen erzeugt zu tief bzw. zu hoch klingende Klangergebnisse. 

Vibrato ist innerer Rhythmus. Daher ist auch das Rhythmusempfinden untrennbar mit einem gesunden Vibrato verbunden. Der Vokalismuskel reagiert auf diese Weise auf rhythmische Veränderungen in der Musik und gleicht seine Frequenz leicht an. So können Tempoveränderungen mitvollzogen werden trotz der existierenden Grundfrequenz von 5-7 Hz.

Bei dominanter Überdruckfunktion hört das Vibrato auf, weil die Balance gestört ist. Echtes Nonvibrato ist etwas anderes: Es wird bei fast komplett gesenktem Kehlkopf gebildet durch leichte Kontraktion zweier Muskeln, die innerhalb des Kehlkopfes vom Schildknorpel zum Kehldeckel verlaufen.

Vibrato bei der menschlichen Stimme ist so etwas Natürliches und offenbar Wünschenswertes, dass das Spiel von Instrumenten damit bereichert worden ist, mit möglichst ähnlicher Frequenz und Amplitude.

 

VOCAL FRY

Der Begriff Vocal Fry, auch Strohbass oder Schnarrregister genannt, meint die Stimmlippenschwingung am sogenannten "Phonischen Nullpunkt", an dem der äußere Kehlkopfmuskel annähernd entspannt ist und den Stimmlippen keinen Widerstand bietet. Der Vokalis schwingt mit maximaler Kontraktion und minimalem Tonus. Bei Erzeugung dieser Schwingungsform fehlen alle drei Regelfunktionen der Stimmlippen: Tonhöhenregelung, Lautstärkeregelung und mediale Kompression. Der Geräuschanteil ist gegenüber dem Tonhöhenanteil dominant. 

 

VOCE BIANCA

Damit ist die Sopran- oder Altstimme von Knaben vor dem Stimmbruch gemeint. Im Normalfall zeichnet sie sich durch nonvibrato und sehr hohe Obertöne aus, da die akustischen Verhältnisse auf Grund der noch nicht vollständigen Aufrichtung und des kürzeren Vokaltrakts bei Kindern anders sind als bei Erwachsenen. 

 

VOIX MIXTE -> MISCHUNG

 

VOKAL

Ontogenetisch ist der Vokal älter als der Konsonant. Das Lallen des jungen Säuglings erfolgt ausschließlich auf Vokalen. In diesem Alter ist Saugen die dominante Funktion der Mund-Rachenregion. Mit Erwerb der Sprache wird ein neues, von schließenden Muskeln ausgeführtes Programm installiert, das neuronal und deshalb auch zeitlich mit dem Zu-sich-Nehmen von fester Nahrung und damit dem Kau- und Schluckvorgang verschaltet ist. Die Sängervokalisation muss also als solche im Gehirn neu verlinkt und dann eintrainiert werden, denn evolutionär stammt sie noch aus der Zeit vor dem Kauen und Sprechen Lernen. Die Sprachvokalisation ist anfänglich dominant und wird das ganz Leben hindurch parallel mit der Sängervokalisation weiter verwendet. Auch beim Singen ist sie anfänglich dominant, da gesungene Literatur immer mit Text versehen ist, und sie beim Text Sprechen dann genutzt wird. Es gilt also, die beiden Sprachbehandlungsprogramme auseinander halten zu lernen. Optimalerweise wäre das die Hauptaufgabe von Stimmbildung. Wenn Kinder die Möglichkeit haben, funktional gesund singende Erwachsene zu hören, entstehen Verbindungen im Gehirn, die die Freilegung des Gesangsreflexes nach dem Übergang zur Erwachsenenstimmgebung deutlich erleichtern.

Was ist sängerische Vokalisation im Einzelnen?

„Alle Vokale haben in der (sängerischen) Artikulation die gleiche ovale Form.“ (Zitat Caruso). Und die Belcantolehre sagt dazu:“In jedem (gesungenen) Vokal ist ein a enthalten.“

Der Vokal definiert die Klangdauer, er ist die „Mutter der Silbe“. Allein in der deutschen Sprache existieren 87 Grundvokale. Andere Sprachen haben noch weitere Vokalfarben. Alle werden definiert durch ihre Formantbereiche.
Beim Singen wird der Vokal im Klangraum verortet, dem Rachenraum von den Stimmlippen bis zum Gaumensegel, statt im Mundraum wie bei der Sprachgewohnheit.
Es gibt Rundungsvokale und Zungenhebungsvokale. Sie werden anders als bei der Sprachgewohnheit sängerisch beide mit einer ähnlichen „saugenden“ Lippenöffnung gebildet, das heißt, mit Tonus im Lippenringmuskel. Sängerische Vokale werden mit Rundung der Rachenrückwand hergestellt statt mit Zungenaktivität. Die Lippen und die Zunge reagieren nur. 

Ganz vereinfacht kann man sagen, dass a, o und u Rundungsvokale sind. Sie sind verschaltet mit einer Erweiterung der 10. - 8. Rippe. Die Vokalfolge u-o-a entspricht der sängerischen Mundöffnung.

E und i sind Zungenhebungsvokale, verknüpft mit der 7.-5. Rippe. 

U-ü-i hat eine ähnliche Kieferbewegung nach vorne, wie sie bei der Tonhöhenregelung stattfindet. Davon wird die Dehnung der Stimmlippen unterstützt. Die Zungenhebung bleibt bei dieser Vokalfolge ungefähr gleich, aber nicht der Ort der Hebung und die Kontraktion der Lippen.

Die Kontraktion bzw. Dekontraktion der Lippenrundung ist bei allen Vokalwechseln entkoppelt von der der Zunge. Das entspricht dem Reflex des Saugens. Der Vokalwechsel erfolgt auf der Basis des 1. Vokalformanten. Auch bei den „hellen“ Vokalen e und i hat der 1. Formant Priorität, der 2. ordnet sich darüber. Verschwindet er, hat sich das System geschlossen. Sängerische Vokale haben zwar annähernd die gleichen Formantbereiche wie die der Sprachgewohnheit, werden aber mit völlig anderen Artikulationsbewegungen von teilweise anderen Muskeln gebildet. Der Raum ist viel länger und der Durchmesser des Vokaltraktes viel größer. Den größten Durchmesser hat das sängerische a.

Sängerische Vokalisation ist nur möglich bei vollständiger Kehlkopfsenkung und Vokaltraktlänge. Dann stellt sich auch die Wahrnehmung der Sängerformanten ein. Ist die Rachenrückwand nicht ausreichend aktiv bei der Rundung und leitet die Vokalbildung vor den Mundwinkeln, rutscht die Artikulation in den Mundraum, in die Sprachebene.

Die Artikulationsbewegung zum nächsten Vokal ist die Voraussetzung für die Bildung des nächsten Konsonanten.

Alle Vokale haben nach Phonation und Nachatmung eine optimalere Form, da sie vom Vokalis angefordert wurden, der ja die ganze Funktion reguliert. Alle sängerischen Vokale werden da definiert, wo sie am offensten und gerundetsten, aber schon klar in der Vokalfarbe erkennbar sind. 

Vokalwechsel erfolgen über Vokalglissandi oder durch „Sprünge über Vibratotäler“. 

Zu beachten ist, dass während des Singens auch auf der Tonebene des Sprechens mit Gesangsvokalen artikuliert wird.

 

VOKALAUSGLEICH

Damit gemeint ist eine interne Änderung, Angleichung der Formantbereiche so weit wie möglich und nötig für eine optimale Vokaltraktgestaltung für die Stimmgebung.

 

VOKALFARBE

Sie wird durch die unterschiedlichen Lautstärken der im Vokalklang enthaltenen Teiltöne bestimmt. Sie wird geändert durch Kiefer, Zunge und Lippen: Lippen und Zunge verstärken manche Teiltöne. Das ermöglicht die Wahrnehmung einer bestimmten Vokalfarbe. Für die Vokalfarbenänderung verändert sich eine Frequenz, der ganze Rest bleibt als Klangfarbe konstant. Die Vokalfarbenresonanz mit unterem und oberem Vokalformanten bleibt an Ort und Stelle. 

 

VOKALTRAKT

Der Vokaltrakt, der Resonator der menschlichen Stimme, reicht von den Stimmlippen bis zum weichen Gaumen. Die Stimmlippen und der untere Vokaltrakt bilden dabei eine Einheit. Die Differenzierungsfähigkeit und die Effizienz in der Klangverstärkung des Vokaltraktes sind unerreicht. Es gibt bei den Instrumenten nichts Vergleichbares. Der Vokaltrakt ist nämlich auch ein Reflektor, er reflektiert die Schallwellen zurück auf die schwingenden Stimmlippen und erhöht damit ihre Bewegungsbereitschaft. Das führt zu einer sukzessiven Verstärkung der Klangintensität nach dem Prinzip der Rückkopplung. Die Länge des Vokaltrakts ist nur über seine Akustik, durch Wahrnehmung der unteren und oberen Schwingung erkennbar. In dieser Form existiert er nur während der Phonation. Er erhält sie durch Kehlkopfsenkung in Folge von Kieferöffnung (2/3) und Trachealzug. Dadurch wird eine Hebung des weichen Gaumens hervorgerufen. Alle verkürzenden Kontraktionen sollen dafür größtmögliche Dehnung erlauben. Die Form soll während der Phonation möglichst stabil bleiben, damit eine Differenzierung der Bewegung ohne Störung durch verschiedene Wahrnehmungen stattfinden kann, z. B. der von Vibrationen und Eigenfrequenz der Luftröhre. Stabilisierend wirkt dabei vor allem auch die Grundschwingung der Stimmlippen. Dadurch, dass der Raum öffnet und die tiefe Frequenz dadurch verstärkt wird, wird umgekehrt durch den anderen Zugang zum Kehldeckeleingang das Schwingungsverhalten der Stimmlippen regelmäßig. Denn davon, was im Vokaltrakt passiert, sind die Stimmlippen in ihrem Schwingungsverhalten abhängig.

Je länger von der Veranlagung her der Vokaltrakt werden kann, desto dunkler und obertonreicher ist der Stimmklang.

In der Vokaltraktgestaltung ist die hintere Wand die dominante Wahrnehmung. Der Tonus der Rachenwand ist Teil des Reflexionssystems. In der Rachenschleimhaut gibt es Rezeptoren, die Schwingungen wahrnehmen können. Bei der Klangerzeugung wird die vokaltraktbezogene Veränderung der Raumempfindung wahrgenommen, nicht die Schwingungsempfindung in den Stimmlippen. Die Zunge ist die vordere Wand des Vokaltrakts. Er erhält seine Gestalt durch die Einatmung statt durch die Phonation. Die Raumöffnung für die Vokale wird für die Einatmung genutzt. Dennoch reagiert der Vokaltrakt nur, der Stimmmuskel agiert. Seine stabile Form verstärkt und intensiviert die Luftschwingung vertikal und horizontal. Dabei gilt die Hierarchie Längsschnitt vor Querschnitt, sonst verkürzt sich der Vokaltrakt. Jede willentliche Leitung der Schwingungsverstärkung bewirkt eine Deformation des „Instruments“ mit der Zunge, eine Abflachung der Rundung der Constrictoren.

Der mittlere Vokaltrakt ist der Schlüssel zur Lautstärke in der Höhe, er muss optimale Dehnung erlauben. Je dominanter die Dehnungsfunktion in der Tonerzeugung wird, desto länger und weiter muss der Vokaltrakt werden.

 

WAHRNEHMUNG

Die höchste, schnellste, feinste und präziseste Form von Kontrolle und der erste Schritt zu bewusster Aktivierung ist Wahrnehmung. Wahrnehmung generiert Bewusstsein, aber ohne willentliches Eingreifen in das Wahrgenommene. Wahrnehmung wird gelernt durch Bewegung. Das ist der Ansatz der Feldenkrais-Lehre. Andere Konzepte beschreiben diesen Geisteszustand als Intuition, Phantasie, Assoziation, vegetative Steuerung, Alpha-Zustand, Kontemplation und Zen. Die Reihenfolge ist immer: Am Anfang steht die fließende Wahrnehmung, der „flow“, erst danach folgt Reflexion, ohne die Wahrnehmung zu lenken oder zu beeinflussen. Sie ist immer komplizierter als die bewusste Reflexion. Es gilt zu erkennen: Nimmt man wirklich wahr, oder springt man im theoretischen Wissen schon zu weit und denkt die Wahrnehmung? Es geht um das Erkennen dessen, was geschieht, und darum, es im Geschehen zu lassen, ohne es anzuhalten. Das ist der Unterschied zwischen Wahrnehmen und Beobachten. Die Quantenphysik hat gezeigt, dass der Beobachter in das Beobachtete eingreift.

Alles, was mit Wahrnehmung bedacht wird, bekommt ein größeres Areal im Gehirn. Um sie zu verbessern, ist es hilfreich, sie bewusst zu machen. Sie fühlt sich ähnlich wie Wissen an und muss erst davon unterschieden und differenziert werden. So kann nach und nach eine Erweiterung des Wahrnehmungsrepertoires stattfinden. Das bedeutet aber auch: Wer seine Wahrnehmung vielleicht vor allem auf Körperbereiche richtet, die nur sekundär an der Phonation beteiligt sind, stört auf lange Sicht die natürliche Balance des Gesangsreflexes, anstatt sie zu optimieren.

Beispiele dafür sind das Gehör, das ja nur die schon erzeugten Klänge retrospektiv erkennen und nicht aktiv in die Klangerzeugung eingreifen kann, die Zunge, bei der die Gefahr besteht, dass sie durch die Aufmerksamkeit an Energie und damit Kontraktion zunimmt, oder die Schwingungswahrnehmung, die ja eine Folge und keine Ursache der Phonation ist, und bei der die Konzentration auf die Positionen der Schwingungsempfindung den Kehlkopf in die entsprechenden Richtungen auslenken können. 

Man kann unterscheiden in unwillkürliche und willkürliche Wahrnehmung. Die zweite ist die Form des bewussten Erkennens, die für die Entfaltung des Gesangsreflexes die wesentliche ist. Je feiner die Wahrnehmung wird, desto präziser wird auch die Funktion. Das, worauf man die Wahrnehmung richtet, übernimmt die leitende Funktion. Das ist die Quelle der Entwicklung, aber auch die Quelle aller Fehler. Da Richtungen zu weisen, ist die Aufgabe der lehrenden Person. Das ist eine diffizile Aufgabe, denn externe Wahrnehmung ist immer Beurteilung; was dafür nötig ist, ist funktionale Empathie. Der Lehrende muss selbst lernen, der Intelligenz des Körpers zu vertrauen, seines eigenen und der des Schülers, der Schülerin. Wenn Vorstellung und Wahrnehmung nicht übereinstimmen, sei es beim Lehrenden oder beim Lernenden, ist der Wahrnehmung zu folgen. Beim Erkennen dessen, was bei der Phonation geschieht, geht es dabei sogar fast immer um Mehrfachwahrnehmungen. 

Eine (für den mittleren Bereich gültige) psycho-phyische Grundregel, das sogenannte Weber-Fechnersche Gesetz, besagt: Je geringer die in einer Funktion eingesetzten Muskelkräfte sind, desto feiner wird ihre Wahrnehmung und Regelungsfähigkeit. Das bedeutet, dass die geringste Muskelaktivität, im Fall der funktional gesteuerten Klangerzeugung die Wahrnehmung der Schwingung der Stimmlippen, das Gesamtgeschehen koordiniert.

Obendrein hat Wahrnehmung eine heilende Komponente, die sich sehr viele Heilverfahren zu Nutze machen: Eigenwahrnehmung und Schmerz schließen einander aus!

 

WIRBELSÄULE

Sie ist unser „Segelmast“, der nötig ist für die Aufrichtung. Die doppelte S-Form der Wirbelsäule bildet sich erst mit sieben Jahren aus, daher ist funktionelles Singen frühestens ab diesem Alter möglich. 

Die HWS mit ihren sieben Halswirbeln liegt direkt hinter dem Resonator und ist maßgeblich an seiner Form mit beteiligt. Die Wirbelsäule reagiert auf Bewegung der Rachenrückwand. Die Streckung der Wirbelsäule begünstigt und unterstützt die Kehlkopfsenkung. 

Alle Bewegungen der Wirbelsäule sind miteinander verbunden und bedingen einander. Für das Singen bedeutet das: Wenn am oberen Ende der Wirbelsäule etwas nicht funktioniert, kann man es am unteren Ende suchen, weil die sängerische Aufrichtung von unten nach oben stattfindet. 

 

WISSEN

Wissenschaft ist subjektiv. Was man nicht denken kann, kann man nicht untersuchen.

 

WÜNSCHEN

Das ist der Schlüssel für die vegetative Steuerung, durch die der Gesangreflex organisiert wird.

Wünschen bedeutet einen Auftrag ohne Kontrolle, wie er ausgeführt wird. Die Frage ist: Was wünsche ich mir zu erleben? 

Je präziser die Wunschvorstellung ist, desto präziser wird die Wunscherfüllung. Deshalb lautet die zweite Frage: Wo wünsche ich was wie zu erleben?

 

ZUNGE

Die Zunge ist neben ihren anderen evolutionären Aufgaben vom ersten Lebenstag an ein Tastorgan. Jede Wahrnehmung kann sie aktivieren, um sich in diese Richtung zu bewegen. Sie passt sich immer der Raumgestaltung an und neigt dazu, sich dahin zu orientieren, wo zu ertastende Wahrnehmungen stattfinden, zum Beispiel die Wahrnehmungen von Schwingungswanderungen der stehenden Klangwelle. Die Zunge ist immer in Bewegung. Die Differenzierung der Wahrnehmung und Trennung ihrer meist unwillkürlichen Bewegungen ist ein Hauptziel des funktionalen Stimmtrainings. Fast immer ist die Assoziation der Zungenposition mit der „Position des Tons“ unbewusst verknüpft: Liegt die Zunge hinten oder vorne, wird das damit assoziiert, der Ton befinde sich hinten oder vorne. Auch die Zungenform wird mit der „Form des Tones“ assoziiert: Es existiert die Vorstellung eines „schlanken oder dicken Tones“. (Etwa die oft gehörte Anweisung, schon den höchsten Ton der Phrase in die mentale Planung des Einsatzes einzubeziehen, ist eine unbewusste Botschaft an den Zungentonus!) Die Zunge braucht immer einen Bezugspunkt, um dem Gesangsreflex entsprechend zu agieren, und das ist die Schwingungsempfindung.

Die Zunge ist am Kinn angewachsen und reicht bis zum in seiner Position flexiblen Zungenbein. Etwa zwei Fingerbreit darunter sind die Stimmlippen. Der Abstand bleibt immer etwa gleich weit bei allen sich ändernden Parametern. Die Lendenwirbelsäule und die Zunge hängen unmittelbar zusammen: Erst wenn die LWS tonisiert ist, kann die Zunge differenziert arbeiten. Umgekehrt stabilisiert die Zunge die Aufrichtung mit, denn sie ist der Gegenspieler zur Nackenmuskulatur. 

Die Zunge ist sehr flexibel beweglich. Eine sehr differenzierte Ansteuerung des mittleren, hinteren und unteren Zungenbereichs ist daher möglich. Für Zungenflexibilität ist Flexibilität des Brustkorbs im Besonderen, und allgemein eine hohe Koordinaionsfähigkeit des übrigen Körpers absolut nötige Voraussetzung. Die Flexibilisierung ihrer Muskelfasern für die Bildung einer optimalen Vokaltraktform wird ebenfalls von den Stimmlippen geleitet über die im Gesangsreflex enthaltenen Reflexe: Würgen, Trinken und Saugen sind einatmungsgesteuert! Wenn beispielsweise die Unterlippe im Saugreflex den Tonus erhöht, muss die Zunge das auch tun, um nicht nach hinten zu fallen. Besteht eine Haltung in der Zunge, also mangelnde Flexibilität, überträgt sich die Vibratobewegung: Die Zunge wackelt dann im Rhythmus des Vibratos. Je mehr Dehnung, Zug in der Zunge erlaubt wird, desto mehr Luftfluss und infolgedessen mehr Klang kann entstehen. Außerdem muss sie der Schildknorpelkippung folgen können, nach unten vorne beweglich und flexibel nachgeben, damit der Schildknorpel die Dehnungsposition einnehmen kann. Ist sie vorne fixiert, kann sie das nicht. 

Für die sängerische Kieferöffnung zieht der untere vordere Muskelanteil die Zunge vor in Richtung Kinn, ohne dass sie sich einrollt, mit der flexiblen Spitze an der Innenseite der Zahnwurzel. „Die Zunge soll vorne liegen“ ist die dazu passende, sehr oft missverstandene Aufforderung aus der Belcantoschule. Sie wird dabei schmal durch die ovale Mundöffnung und die Constrictorenrundung. Die Rachenrückwand leitet die Zungenbewegung: Sie rundet und dadurch hebt sich das hintere Drittel des Zungenrückens im Mundraum, der vordere Teil nicht. Der Zungengrund darunter bewegt sich waagrecht nach vorne. Je weiter vorne und tonisierter die Zunge ist, desto leichter funktioniert die Rundung der Constrictoren. Die alte italienische Schule spricht von „ng-Position“: Die Zunge beschreibt einen Bogen, die mittleren Zungenränder berühren die oberen Backenzähne und die Zungenspitze ruht an den unteren Schneidezähnen. Eine zu hohe Zunge verschließt die Rachenöffnung wieder. Wenn die Zunge zu breit wird, geht das Gefühl für die tiefe Schwingung verloren. Zungenspitzentonus erhält sie schmal. Die Intensität der Zungenbewegung und -dehnung ist abhängig von der Größe der Kieferöffnung. 

Ganz am Ende der Einatmung senkt sich die Zunge leicht durch den Trachealzug. In der Atmung muss man daher der Zunge erlauben, sich zu bewegen und das Zungenbein reagieren zu lassen. 

Bei der Phonation liegt die Zungenspitze drucklos am Zahndamm. Bei Artikulation und Tonhöhenregelung bewegt sie sich nach unten, um die größere Dehnung des Zungengrundes und Zungenrückens zu ermöglichen, ohne dass der Kehlkopf ausgelenkt wird. Zungentonus erleichtert so die Sstimmlippenschwingung. 

Bei der Artikulation ist die Zungenspitze, der kleinste bewegte Teil der Gesamtbewegung, dominant wirksam. Sie muss auch deshalb einen möglichst hohen Tonus haben. Die Mittelzunge ist aber am aktivsten bei der Artikulation. Für die differenzierte Vokalbildung ändert der Zungengrund den Durchmesser des Vokaltraktes und unterstützt damit die Tonhöhenveränderung. Die Zungenbewegung agiert bei der Vokalbildung unabhängig von der Rundung der Constrictoren.

Die Zunge ist ein Teil des Resonators. Sie ist die vordere Vokaltraktmembran, deshalb muss sie eine membranartige Oberfläche haben. Sie darf nicht „schlappmachen“. Der Zungengrund muss aktiv nach oben gedehnt werden durch Teile der Zungenmuskulatur und Tonisierung der Zunge, damit sie optimal ihre Membranfunktion erfüllen kann. Dabei ist etwas Tonus in der Mundbodenmuskulatur nötig, dass die Zunge nicht in den Rachen fällt. Die Tonisierung der Zunge wie des gesamten Körpers ist unabhängig von der Tonhöhe, aber eine Erhöhung des Zungentonus erleichtert die Ankopplung von Masse. Dagegen bewirkt eine Haltung in der mittleren Zunge die Fixierung im weichen Gaumen. Das zieht zuv iel Mediakompression und Luftdruck nach sich. 

Die Tonhöhenregelung erfolgt ohne Beteiligung der Zunge, aber bei Tonhöhenveränderung nach unten tonisiert die Zunge nach oben. Sie muss allerdings der Tonhöhenveränderung folgen dürfen, nach oben mehr als nach unten, sonst kann die nicht störungsfrei stattfinden. Je mehr die Gesamtbewegung jedoch nach oben rutscht, desto mehr versucht die Zunge durch Druck, den Kehlkopf unten zu halten. 

Es ist wichtig, dass die Zunge auf beiden Seiten gleichmäßig agiert. Wird zum Beispiel der Kopf schief gehalten, ist die Zungendehnung asymmetrisch. Bei der Artikulation wird dadurch auf den Kehlkopf ein unterschiedlich starker Zug ausgeübt, so dass er aus der horizontalen Lage geraten kann. Oder der Zungengrund dehnt asymmetrisch, so dass auf einer Seite mehr Zungendruck entsteht, ein einseitiger „harter Knödel“.

Die Zunge kann sich erst feinmotorisch anders organisieren, wenn der Restkörper alle anderen Bereiche übernimmt, für die sie auch zuständig ist. Je flexibler die Zunge, je feiner die Bewegungen werden, desto weniger stören die Artikulationsbewegungen die Stimmlippenschwingung 

 

ZWERCHFELL

Das Zwerchfell, wie der Name schon sagt, ein quer (zwerch) im oberen Bauchbereich verlaufender Muskel, ist der primäre Einatmungsmuskel. Es ist etwa ein Zentimeter dick. Es trennt den Verdauungstrakt vollständig vom Atemtrakt und ist nahtlos mit der Lunge verbunden. Dadurch kann es durch Kontraktion nach unten einen Unterdruck im Lungengewebe erzeugen, das ja durch den Rippenkorb in seiner Form festgelegt ist. So kann es einen Sog aufbauen, der Außenluft ins Innere der Lunge zieht. Es ist der einzige reine Atmungsmuskel, alle anderen an der Atmung beteiligten Muskeln sind gleichzeitig für die Körperaufrichtung zuständig. Deshalb ist ein ständiges Balancieren zwischen Aufrichtungs- und Atmungsaktivität nötig, nicht nur beim Singen. Das bedeutet, dass eine gute Körperaufrichtung Voraussetzung für eine effektive Atmung ist.

Wie jeder Muskel ist das Zwerchfell nur fähig, zu kontrahieren, oder die Kontraktion loszulassen, also zu entspannen. Daher kann durch Zwerchfellaktivität nur eingeatmet werden, niemals aus.

Die Zwerchfellsenkung vollzieht sich in drei Etappen: Erst geschieht eine kurze vertikale Senkung der oberen faszialen Platte. Danach hebt sich die Zwerchfellkuppe leicht nach außen oben, gleichzeitig erfolgt die Kontraktion von außen nach innen von der 10. Rippe her. Dann kommt auch die Kontraktion der Kuppel von innen nach außen dazu. Die Zwerchfellschenkel ziehen die Wirbelsäule ins Hohlkreuz, deshalb ist eine Gegenkontraktion der seitlichen Brustmuskulatur nötig für die Aufrichtung. Die Zwerchfellsenkung agiert dominant vor der Rippenhebung und -erweiterung. 

Die Zwerchfellkuppel ist auch imstande, sich unabhängig von der Atemtätigkeit zu senken, etwa um Druck in Richtung Unterleib auszuüben. Diese Bewegung schiebt die Bauchdecke nach außen, wenn gleichzeitig eine Erweiterung der seitlichen Rippen mit Hilfe der schrägen Bauchmuskeln verhindert wird. Leider wird dieser Vorgang oft mit echter Bauchatmung verwechselt, nämlich der Ruheatmung: Bei ihr hebt sich der Bauch im Liegen ohne Kontraktion der Bauchmuskeln. Die Ausatmung erfolgt durch Rückstellkräfte und die Schwerkraft ohne Muskelarbeit. Der geringe Luftaustausch dabei ist ausreichend für die minimale Körperaktivität. Nur kleine Kinder, bei denen eine Entfächerung der Rippen noch nicht möglich ist, atmen in der oben beschriebenen Weise in den Bauch.

Eine stärkere Innervation, Tonisierung des Zwerchfells bewirkt das Gleiche beim Vokalismuskel. Die hinteren Zwerchfellanteile aktivieren mehr die Massefunktion, die vorderen mehr die Dehnungsfunktion: Je größer der Sog durch den sich erweiternden Vokaltrakt ist, desto weiter hinten reagiert das Zwerchfell. Das entspricht in etwa der Vokalfolge u-o-a.

Zwerchfellbewegungen (Singen, Lachen, Schluchzen, Stöhnen, Gähnen) haben eine ansteckende Wirkung: Bei allen Gattungen, die über ein Zwerchfell und den entsprechenden Reflex verfügen, lösen sie die entsprechende Emotion aus. Deshalb gilt insbesondere für den Gesang, der ja auch vor allem eine emotionale Ausdrucks- und Kommunikationsform darstellt: Zum Singen dazu rationalisierte Sekundäremotionen können überladend, irritierend und störend wirken. Die im funktionalen Gesang fortwirkende Einatmungstendenz, das inalare la voce, bedeutet, die Zwerchfellaktivierung weiter zu verstärken, statt sie nach und nach erschlaffen zu lassen, wie das bei allen anderen ausatmungsgesteuerten Aktionen der Fall ist. Und das aktiviert auch fortlaufend die Emotionsebene, die ja direkt mit dem Zwerchfell verknüpft ist. So wird aus einer Körperfunktion Gesang. 

WISSENSWERTES FÜR DIE CHORLEITUNG

WISSENSWERTES FÜR DIE CHORLEITUNG

Einen Chor zu leiten bedeutet nicht zuletzt, für die stimmliche Gesundheit der Chormitglieder Verantwortung zu übernehmen, sie zu pflegen und zu fördern. Außerdem ist man, wenn man diese Position bekleidet, automatisch eine Hauptbezugsperson in Bezug auf Singen für alle Chormitglieder und oft die einzige professionelle Quelle für alle Fragen um Gesang und Stimmpflege. Daher ist es sehr wichtig für alle in diesem Beruf, über die anatomischen und neuronalen Voraussetzungen des Singens so Bescheid zu wissen, dass die funktionale Gesunderhaltung der ihnen anvertrauten Stimmen gewährleistet ist.

Die Bewegungen beim Dirigieren können im Idealfall sogar diejenigen Körperfunktionen der Chormitglieder empathisch anregen, die den Gesangsreflex auslösen und unterstützen. Das Gegenteil kann allerdings auch passieren, nämlich dass die Dirigierbewegungen störend und hemmend auf das Singen einwirken. 

Leider gibt es in der Ausbildung zu diesem Beruf noch keine flächendeckende funktionale Unterweisung, so dass sich ein paar Missverständnisse und Irrmeinungen über das Singen hartnäckig zu halten scheinen. Genaue Erklärungen für die einzelnen Teilbereiche finden sich in der Enzyklopädie. An dieser Stelle sei nur auf spezielle Themenbereiche rund um die Chorarbeit hingewiesen.

 

MÄNNERSTIMME / FRAUENSTIMME 

Männerstimme und Frauenstimme sind anatomisch annähernd gleich. Die Stimmlippen des Mannes sind um etwa ein Viertel länger als bei der Frau. Der Unterschied im Klang beruht auf der stumm mitschwingenden Masse. Das ist vergleichbar mit dem Unterschied im Klang einer Violine und eines Violoncellos beim Spielen der selben Tonhöhe.

Die Männerstimme hat mehr Muskelmasse, und dadurch auch mehr Potential, Kontraktionsspannung aufzubauen. Sie kann also von der Phonstärke her lautere Töne erzeugen. Frauenstimmen sind dadurch gut hörbar, dass ihr Frequenzspektrum in einem von unseren Ohren besonders intensiv wahrnehmbaren Bereich liegt. Babys machen sich in diesem Frequenzbereich bemerkbar. Obendrein haben hohe Frequenzen ohnehin eine weitere Reichweite als tiefe. Von der Dezibelzahl her betrachtet ist der Klang von Frauenstimmen aber immer leiser als der von Männerstimmen. 

Der Übergang zwischen „Bruststimme“ und „Kopfstimme“ ist bei Männer- und Frauenstimmen annähernd auf der selben Tonhöhe, nämlich etwa bei d`. Er ist ein akustisches Phänomen und kein anatomisches: Die Eigenresonanz der Luftröhre, die bei Männern und Frauen annähernd gleich gestaltet ist, hat etwa diese Frequenz Beim Singen dieser Tonhöhe wird sie zur Vibration angeregt, ähnlich wie eine Tasse auf dem Klavier bei bestimmten Frequenzen mitvibriert. Das bewirkt eine Störung der regelmäßigen Stimmlippenschwingung. Der Vocalismuskel reagiert daruf mit einer Schließtendenz- Schließen bei unerwarteten Luftverwirbelungen ist seine Primärfunktion, um die Lunge zu schützen.

Bässe singen demnach meistens in der Bruststimme, Sopranistinnen in der Kopfstimme, und Tenöre, Countertenöre und Altistinnen müssen den Übergang ausgleichen. 

Die Höhe der Frauenstimme folgt den selben akustischen Gesetzmäßigkeiten wie das Falsett der Männerstimme. Für Männer fühlt es sich naturgemäß „falsch“ an, sich stimmlich in der Kopfstimme zu bewegen. Das ist der Ursprung dieses Ausdrucks, denn jahrhundertelang wurden Schriften über Gesang von Männern verfasst. Für Frauen ist diese Stimmlage wegen ihrer kürzeren Stimmlippen von Natur aus gegeben. 

 

KINDERSTIMME 

Das Schreien des Säuglings ist ermüdungsfrei, weil wir ohne den Vocalismuskel umhüllenden Schleimhautligamente, also ohne Stimmbänder zur Welt kommen. Die Verbindung zwischen beiden ist erst mit Vollendung des 17. Lebensjahres abgeschlossen. Außerdem steht beim Säugling der Kehlkopf ganz hoch. Die Tonerzeugung ähnelt einem Pfeifen, wobei der Mundraum als Resonator fungiert.

Je jünger ein Kind ist, desto geringer ist die Differenzierungsmöglichkeit, und desto mehr atmet es in den Bauch, weil die Aufrichtung noch nicht abgeschlossen ist. Auch die Form der Rippenbogen ist im Verhältnis zu der eines erwachsenen Menschen viel weniger gebogen, eigentlich dreieckig. So ist die Entfächerung der Rippen durch die Kontraktion des Zwerchfells und der sekundären Einatmungsmuskeln je nach Alter gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Deshalb muss bei der Atmung die Bauchdecke reagieren. Auch die Körperaufrichtung ist noch nicht vollständig möglich. Das bedeutet, Kinder singen in einem Überdruckmodus, zumindest bis etwa zum achten Lebensjahr, meistens aber bis zur Pubertät. Deshalb haben sie auch kein Vibrato, ein Phänomen der Stimme des erwachsenen Menschen, das sich erst bei abgeschlossener Aufrichtung einstellen kann. 

Kinderstimmen haben einen schwachen Grundton und einen schwachen 1. Vokalformanten wegen der geringen Muskelmasse. Außerdem kann der weiche Gaumen noch nicht gehoben und deshalb der Vokaltrakt nicht vollständig aufgespannt werden. Aus diesen Gründen klingen Kinderstimmen heller als die Stimmen von erwachsenen Frauen. (Belcantobegriff: voce bianca)

 

MITSPRECHEN

Viele Chorleitende sprechen die gesungenen Texte beim Dirigieren mit. Das ist eine gute Gelegenheit, den singenden Personen sängerisch vorteilhafte Artikulationsbewegungen zu vermitteln. Damit das gelingt, gibt es die Möglichkeit, die Texte während der Einatmung zu artikulieren. Das ergibt ein völlig anderes Konzept der Mundöffnung als bei der Ausatmung. Das System ist dann im Öffnungsmodus.

 

MUNDÖFFNUNG 

Caruso hat mit einem Flaschenkorken zwischen den Zähnen geübt. Die optimale Mundöffnung beim Singen beträgt etwa zwei Fingerbreiten zwischen den Zahnreihen. Öffnet man den Kiefer weiter, schließt der Rachenraum wieder, weil der Zungenrücken nach hinten gedrängt wird. Dadurch senkt sich auch das Gaumensegel. Deshalb ist auch die sogenannte Gähnstellung, auch Gähnweite genannt, eigentlich kontraproduktiv. Die optimale Weite und Länge des Vokaltrakts wird auf diese Weise wieder verringert. Ist die Entfernung der vorderen Zahnreihen voneinander kleiner als etwa zwei bis drei Zentimeter, steht der Kehlkopf zu hoch.

Deshalb ist es sinnvoll, Einsingübungen zu wählen, bei denen der Kiefer auf der Position eines dunklen „a“ geöffnet ist, wobei der Lippenring in aktiver Dehnung bleibt. Sie sollten auch vom Konsonantengebrauch her so sängerisch wie möglich gewählt sein, also mit drucklosen, öffnenden Konsonanten, oder ganz ohne. Summen ist in diesem Zusammenhang nicht zu empfehlen. Der Kehlkopf steht dann wegen des geschlossenen Kiefers nicht and der tiefen Position, die er für das Singen einnehmen sollte. Das heißt, man trainiert etwas ein, was so für den angestrebten Zweck nicht verwendbar ist.

 

NASENATMUNG / MUNDATMUNG

„Ich atme beim Singen, als ob ich an einer Rose rieche.“ (Zitat Caruso) Die Nase ist ausgestattet mit einem unteren „Ruheluftweg“ und einem oberen Luftweg über das Riechorgan. Die einzige Möglichkeit, das Gaumensegel „willentlich“ zu heben, ist über die Vorstellung des Riechens. Sie ist verknüpft mit der des Schmeckens und damit der Aktivierung der Zungenspitze und dem „Spitzen“ der Lippen. 

Die sängerische Einatmung beginnt durch die Nase, dann durch Mund und Nase. Ab etwa zwei Zentimeter Mundöffnung schließt das Gaumensegel von selbst. Von da an folgt reine Mundatmung mit gedehntem oberem Atemweg. Bei geöffnetem Mund ist es ab einer bestimmten Öffnung nur mit gehobener Zunge möglich, durch die Nase einzuatmen.

Reine Nasenatmung, besonders forcierte, bewirkt einen Verschluss im gesamten Atemsystem. Sie ist deshalb für sängerische Atmung ungeeignet. Bei Nasenatmung ist der Raum nicht gestaltet und deshalb die tiefe Frequenz schwach.

Nasalität ist das Gegenteil von Kopfigkeit. Sie wird erzeugt durch Zungendruck und flache Position des weichen Gaumens als Reaktion darauf. 

 

REGISTER 

Der Begriff Register ist irreführend. Eigentlich ist die Stimme ein Einregisterinstrument wie das Monochord, mit 2 Komponenten, nämlich Masse und Dehnung. Das Phänomen Brust- und Kopfstimme ist rein akustischer Natur: Entweder wird die Luftröhre zur Eigenvibration angeregt, oder nicht. In der Funktion des Vocalismuskels besteht dabei kein qualitativer Unterschied. Wie beim Stimmen einer Saite wird durch Dehnen des elastischen Materials eine Verlängerung und Verschmälerung erreicht. Das lässt die Tonhöhe des davon erzeugten Klanges höher werden. Oder, was die Saite nicht kann, der Muskel kontrahiert aktiv, wird dadurch dicker und kürzer, und der erzeugte Klang wird tiefer. Der den Stimmmuskel dehnende Antagonist heißt Ringknorpel-Schildknorpelmuskel. Er befindet sich vorne unten am Schildknorpel.

Das dehnungsdominante Register wird durch die Kontraktion dieses Muskels erzeugt. Er dehnt das Ligament, das den eigentlichen Vocalismuskel umschließt. Das sind die eigentlichen Stimmbänder. Der entstehende Klang fühlt sich tatsächlich „höher“ an, weil die Stimmlippen dünner sind und weniger bis keine Masse im unteren und hinteren Bereich des Stimmmuskels schwingt. Damit werden vor allem hohe Frequenzen zur Resonanz angeregt. Sie sind aus Gründen der Resonanzverhältnisse hauptsächlich im Kopfbereich spürbar. Daher kommt der Begriff „Kopfstimme“.

Genauso ist es mit den Vokalen „u“ und „i“: Sie werden aus dem selben Grund Dehnungsfunktion als „kopfig“ bezeichnet. Bis zur Tonhöhe fis`` ist noch ein immer geringer werdender Masseanteil vorhanden. Darüber hinaus ist die Masse nicht abgekoppelt, sondern vollständig, längstmöglich gedehnt und passt sich der Schwingung des gedehnten Ligaments an. Das ist die tiefere Bedeutung des Begriffs „voix mixte“.

Die „Bruststimme“ wird wegen der fühlbaren Vibrationen im Brust- und Bronchialbereich als solche bezeichnet. Durch Kontraktion des Vocalis entstehen tiefe Frequenzen, die die Resonanz der Luftröhre anregen.

Funktional gesehen ist die Dehnung der Stimmlippen, wie bei der Saite, ein gradueller Vorgang ohne Brüche.

 

SINGEN BIOLOGISCH BETRACHTET 

Es ist der komplizierteste zusammengesetzter Reflex, der dem Menschen eigen ist, gehört aber wie alle Reflexe zum Grundpotential jedes Menschen. Beginn ist ein neurologischer Impuls durch den Bewegungsreiz der sich weitenden 8.-5. Rippenpaare an die Nerven, die in der Wirbelsäule verlaufen. Eine spezielle Form der tiefen Einatmung, ab ca. 50% Lungenvolumen, löst ihn aus, vergleichbar mit der Auslösung des Niesreflexes, die ja auch einer sehr tiefen Einatmung bedarf. 

Durch eine spezielle Mundöffnung ohne Zungendruck, ähnlich wie beim Trinken, und den Zug des Zwerchfells auf die Bronchien wird der Kehlkopf gesenkt. Reflektorisch auf Mundöffnung und diesen Zug hebt sich das Gaumensegel gegenläufig. Wie bei allen elastischen Materialien erzeugt auch hier Zug Gegenzug. Der weiche Gaumen wird nicht durch Druck der Zunge nach unten zu dieser Hebung angeregt, das würde den Rachenraum verengen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Bei zu geringem Einatmungsvolumen wird der Gesangsreflex nicht ausgelöst. Auch dieses Phänomen hat die Klangerzeugung beim Singen mit dem Niesen gemeinsam: Auch da stoppt der Reflex, wenn das erforderliche Einatmungsvolumen nicht erreicht wird. Die Tonproduktion ist dann anders organisiert und ähnelt eher dem Rufen. 

Ist der Gesangsreflex soweit von ihm zuwider laufenden Gewohnheiten befreit, dass er dominant die Vorgänge beim Singen leiten kann, ist er selbstregulierend und selbstoptimierend. Allein die Wahrnehmung von angenehm, „stimmig“ reguliert ihn.

Ein Bewegungsablauf wird immer von der neuronal feinsten Bewegung geleitet, und die üben in dem Fall die Stimmlippen aus („Fingerspitzengefühl“). 

Die schließende Schutzfunktion des Vocalismuskels wird ersetzt durch seine kinetische Energie und Schließbereitschaft. Aber er schließt nicht, sondern vollführt durch den Reflex ausgelöste regelmäßige, sehr schnelle Schwingungen.

Wie alle Reflexe wird der Gesangsreflex ausschließlich von den intuitiven Hirnregionen gesteuert ohne Eingreifen der analytischen Funktionen des Gehirns. Das hat weitreichende Konsequenzen auf die Herangehensweise beim Unterrichten und auch bei der individuellen Selbstoptimierung: Über reines Wissen ist es unmöglich, etwas so unbewusst Ablaufendes, Komplexes und mit dem Verstand überhaupt nicht Erfassbares sinnvoll zu beeinflussen. Die Regulationsmechanismen dafür laufen außerhalb der bewusst steuerbaren Gehirnareale ab.

Das ist ein Grund, warum Sänger und Sängerinnen sich wehren, wenn durch zu viele analytische Ansagen sich das System von der intuitiven auf die analytische Regulierung umschaltet: Dann funktioniert das körpereigene „Instrument“ nicht mehr optimal. Dadurch erhöht sich die Fehlerquote immer weiter, ohne dass der ausübende Sänger, die ausübende Sängerin etwas dagegen tun könnte. Natürlich ist das besonders für die Singenden unbefriedigend und frustrierend, weil der Ansatz kontraproduktiv ist. Hier liegt auch ein Grund für die sprichwörtliche Emotionalität, die in der Sängergarde weit verbreitet ist: Ihre Arbeit, ihre „Technik“ kann nur optimal funktionieren, wenn sie von überwiegend positiver Gefühlslage und intuitiver Herangehensweise geprägt ist.

 

STIMMSITZ 

Wo „sitzt“ die Stimme? Was bedeutet das überhaupt? Es gibt Vibrationswahrnehmungen im Vokaltrakt bei der Phonation, direkt an und über den Stimmlippen und am oberen Ende des „Instruments“, am geschlossenen Gaumensegel. Die Umlenkung oder Brechung der in der Phonation entstandenen stehenden Welle durch Dazwischenschieben einer Art Rampe mit Hilfe schräger Zungenhebung ermöglicht die Bildung der Vokale „e“, „i“, „ä“, „ö“ und „ü“ (Zungenhebungsvokale). Das erzeugt eine dritte Vibrationswahrnehmung am harten Gaumen. Diese Wahrnehmung wird gerne als „Sitz“ bezeichnet. Sie ist sehr deutlich spürbar, meistens viel deutlicher als die untere und obere primäre Schwingungswahrnehmung, weil sie an einem Knochen resoniert. Daraus hat sich die „Sitztechnik“ entwickelt. Da die oben genannten Vokale alle viele helle Frequenzen aufweisen, wollte man dies den dunkleren Vokalen „a“, „o“ und „u“ auch zugänglich machen durch eine ähnliche schräge Zungenhebung. Diese Vokale werden sängerisch aber nur durch Kontraktion des Lippenrings gebildet, wie beim Saugen. Eine schräge Hebung des Zungenrückens für diese Vokale zieht den Kehlkopf mit hoch. Dadurch wird der Stimmklang zwar heller, verliert aber an tiefen Frequenzen und somit an Phonstärke.

In einer Klangsäule bilden sich immer so viele Teilfrequenzen des Grundtons, wie die Länge des Rohres ermöglicht. Sehr hohe Frequenzen, wie der sprichwörtliche Sängerformant, können also nur in einem optimal langen Vokaltrakt entstehen, bei tiefstmöglicher Position des Kehlkopfs. Durch die Sitztechnik werden auf Grund der Verkürzung des Vokaltrakts tiefere Teiltöne mit eher näselnder Klangfarbe eingetauscht gegen die ganz hohen Frequenzen. Die bestimmen aber die Tragfähigkeit, weil sie am weitesten hörbar sind, und obendrein Orchesterinstrumente sie nicht herstellen können.

Gleichzeitig ist das Ganze durch die suboptimale Kehlkopfposition auf Dauer stimmschädigend. Für die entsprechende Phonstärke muss mehr Luftdruck aufgewendet werden. Die Stimmlippen werden durch den Überdruck zu Masseankopplung anregt, um den durch das Hochziehen entstandenen Verlust von schwingender Muskelmasse auszugleichen.

 

TONVORSTELLUNG

Wie ist es praktisch möglich, „die Tonhöhe sauber zu treffen“? Was läuft da im Körper ab? Weil die Tonhöhe unbewusst reguliert wird über das interne Spannungsverhältnis der beiden Antagonisten, nämlich der Stimmlippen und des äußeren Kehlkopfmuskels, ist es auch nicht möglich, sie willentlich anzusteuern. Wir nehmen erst dann die Frequenz des Tones wahr, wenn wir eine Kontrolle der entstandenen Schwingung über das Hören gewonnen haben. Aber im Laufe der Zeit bildet sich dadurch ein Gefühl für Tonhöhen, eine Muskelerinnerung, die es ermöglicht, eine zuvor gehörte oder auch nur vorgestellte Frequenz voreinzustellen. Das ist im Grunde dasselbe Muskelspannungsgedächtnis, das jeder Mensch braucht, der ein Instrument lernt: Am Anfang hat man keinerlei Anhaltspunkte für Tonabstände und Lagenwechsel, etwa bei Streichinstrumenten. Aber nach und nach bekommt man durch Übung ein Gespür dafür und muss dann immer weniger korrigieren. Auf die gleiche Weise kann man lernen, ein Tasteninstrument zu spielen, ohne hinzuschauen. Man muss nicht mehr kontrollieren, wo sich die Tasten befinden, die man treffen will. Es wird möglich, durch eine Art „Wünschen“ die Finger dazu zu bringen, zum Beispiel genau die Bewegung eines Oktavabstandes voreinzustellen.

Leider wird von Chorleitenden immer wieder gefordert, sich „schon den höchsten Ton in der folgenden Phrase vor dem Toneinsatz vorzustellen.“ Das führt logischerweise dazu, dass das System auf Grund seiner Vorerfahrung genau diese Frequenz vorbereitet. Beginnt nun aber die Phrase mit einem tieferen Ton, ist natürlich die Voreinstellung nicht optimal, und demzufolge auch die Qualität der entstehenden Schwingung nicht.

Funktional richtig und für die Stimmgesundheit viel mehr zu empfehlen ist, den Stimmlippen die Tonhöhenänderungen während des Singens zu überlassen. Sie sind dafür von Natur aus vorbereitet und können das am allerbesten. Nötig dazu ist nur eine sängerische Einatmung und Mundöffnung und die innere Vorstellung des ersten Tones.

Es ist natürlich auch möglich, diese Tonhöhe am Instrument anzugeben. Das löst den selben Effekt aus, wie wenn man ihn sich vorstellt.

Bei Chören, die hauptsächlich aus Leuten bestehen, die gesangstechnisch mehr oder weniger ausgebildet sind, ist es nicht  empfehlenswert, vorzusingen, weil damit unbewusst auch die persönliche Singweise der vorsingenden Person in die individuelle Voreinstellung mit übernommen wird. So perfekt kann niemand vorsingen, dass das Ergebnis funktional absolut optimal ausfällt. Die unbewusste Weitergabe von individuellen Gewohnheiten und Fehlern ist kontraproduktiv.

Im Grunde gilt das für alle Fälle des Lernens durch Nachahmung, aber im Fall der Nachahmung von Gesangstechnik ergibt sich eine spezielle Problematik: Der Vorgang des Singens läuft unbewusst und unsichtbar ab und ist obendrein stark mit Emotionen verknüpft. Deshalb ist er weder bewusst kontrollierbar, noch ist er durch Sinneseindrücke wie Sehen oder Hören direkt steuerbar, wie das beim Spiel von Instrumenten der Fall ist. Das bedeutet: Der singende Mensch bemerkt nicht vollbewusst, was er tut, und was er übernimmt.

 

ÜBERDRUCK UND UNTERDRUCK IN PROBE UND AUFFÜHRUNGSSITUATION

Aus der Sicht des Publikums und derer, die einen Chor leiten, fällt ein visueller Aspekt ins Auge, der diametral gegen die funktionalen Bedürfnisse des „Instruments Mensch“ steht.

Es kann die Konzentration auf die Musik tatsächlich stören, wenn der Chor sich mehrfach während einer Probe oder Aufführung setzt und wieder aufsteht. Allerdings gilt es, die Abwägung zu treffen, was für die Musik wichtiger ist: Ein gut choreographiertes Erscheinungsbild der Ausführenden, oder ein guter Klang.

Bei Orchestermusikern wird nie in Frage gestellt, dass sie ihre Instrumente individuell absetzen können, wann immer sie das brauchen. Die Muskulatur kann sich erholen, und sie können daraufhin wieder optimal musizieren. Bei Sängern, deren Instrument der ganze Körper ist, wäre das eigentlich noch wichtiger, ja elementar notwendig. Denn die Aufrichtungsmuskulatur ist in zweiter Linie auch Atemmuskulatur. Wenn sie ermüdet, kann eine vollständige Einatmung nicht mehr erfolgen. Damit wird der Gesangsreflex auch nicht mehr ausgelöst. Kommt jetzt noch dazu, dass schwere Noten in den Händen gehalten werden müssen, wird der Brustkorb durch das Gewicht auf Dauer verengt. Dann wird gesundes Singen vollends unmöglich.

Eine Erleichterung wäre die Bereitstellung von Notenpulten, wie das bei Instrumentalisten selbstverständlich ist, obwohl ihre Instrumente durch die körperliche Position der Spielenden keinen Schaden nehmen. Das Mindeste wäre aber, dass die Sänger und Sängerinnen genügend Platz rechts und links von sich haben, um beim Halten der Noten die Ellbogen heben zu können, und so die Erweiterung der Rippen zu ermöglichen.

Müssen die Chormitglieder aber bei der Aufführung dicht gedrängt stehen und selbst die Noten halten, wie es immer noch allgemein üblich ist, macht sich das schnell im Klang bemerkbar:  Er wird hart und unflexibel. Außerdem verliert er stark an Tragfähigkeit, weil zu viel Überdruck unter den schwingenden Stimmlippen den Vokaltrakt verengt und die Funktion des Schreiens auslöst. Das wiederum wirkt sich negativ auf das Hörerlebnis und die emotionale Botschaft aus: Aggressivität statt Wohlgefühl wird akustisch transportiert. Das hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf die Zuhörenden, und nicht zuletzt auf den Leiter, die Leiterin selbst.

Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass manche Chorleiter Forteklänge für ungesund halten. Es ist wirklich so, dass durch Überdruck erzeugte laute Töne die Stimme strapazieren und außerdem unangenehm für die Zuhörenden sind. Es ist aber keine Lösung, wenn der Chor deshalb angehalten wird, „die Stimme zu schonen“ und überwiegend piano zu singen. Denn bei leiser Dynamik ist es noch schwerer, die Einatmungstendenz aufrechtzuerhalten. Dafür muss ja der Luftfluss durch die Stimmfalte noch feiner dosiert werden. Obendrein wird die direkte Stimmmuskulatur durch laute Dynamik viel effektiver trainiert. Hier verhält es sich wie bei jedem anderen Muskeltraining auch: Bei größerer, funktional richtiger Belastung stellt sich ein besserer Trainingserfolg ein.

Durch dieses Missverständnis entsteht leicht ein Teufelskreis, der immer mehr in das Singen mit Überdruck führt: Sowohl die Einatmungsmuskeln als auch die Stimme selbst sind ohne funktional richtiges Training irgendwann nicht mehr in der Lage, auf Dauer die nötige Kraft für gesundes Singen bereitzustellen. Der Weg, Singen effizient und für Ausübende und Publikum angenehm zu gestalten ist, die entsprechenden Muskelgruppen sinnvoll zu trainieren, so dass sie die Klangerzeugung in der Unterdruckfunktion leisten können.

Es ist also kein Zeichen von „Bequemlichkeit“ der Singenden, wenn sie fordern, genügend Platz auf der Bühne zu haben und keine zu schweren Noten halten zu müssen. Auch der Wunsch, sich immer wieder setzen zu können, entspricht einem guten Gespür für einen gesunden Umgang mit den eigene sängerischen Ressourcen. All das ist eine funktionale Notwendigkeit, die der Musik, den Ausführenden und den Zuhörenden dient. 

 

 WIE STEHT MAN BEIM SINGEN?

Um gesunde, schöne und farbenreiche Klänge zu erzeugen, ist eine gute Balance von Stabilität und Flexibilität im Körper nötig. Denn die Atemmuskeln sind mit Ausnahme des Zwerchfells alle auch Körperaufrichtungsmuskeln. Wenn sie das „Instrument“ Körper in Form halten, kann die Tonerzeugung ungestört erfolgen.

Die Füße solle parallel, eher leicht nach außen gedreht sein und senkrecht unter den Hüftgelenken stehen, also näher zusammen als mit „hüftbreit“ üblicherweise assoziiert wird. Das ist wichtig für die Statik. Die Knie sind gestreckt, aber die Kniescheiben entspannt.

Das untere Becken ist leicht nach vorne gekippt, die untersten Zentimeter der Bauchmuskeln durch die mäßige Kontraktion des Beckenbodens etwas angespannt. Gut wäre auf einer Skala von 1-10 eine Kontraktionsstärke bei etwa 3.

Der Oberbauch ist in die Länge gedehnt durch die Rippenhebung für die Einatmung, und aus demselben Grund im Bereich des Sonnengeflechts leicht nach innen gezogen.

Die Rippen sind seitlich erweitert, und dadurch die darauf aufliegenden Schulterblätter nach außen gedreht. Das bedeutet, dass die äußeren Spitzen der Schulterblätter etwas nach oben steigen. Wird das verhindert, ist eine ausreichende Einatmung nicht möglich. Wenn Noten in den Händen gehalten werden, sollte es möglich sein, die Ellbogen rechts und links möglichst weit vom Körper abzuheben. Das unterstützt die Rippenentfächerung. Der Hals ist lang und gedehnt, die obere Krümmung zeigt etwas nach hinten, wie beim „Blick in den zweiten Rang“. Die Kau- und Mimikmuskulatur ist entspannt.

Auf all das kann beim Singen im Sitzen auch geachtet werden. Einiges, z.B. die Beckenkippung, ist im Sitzen sogar besser herstellbar. Anlehnen kann unterstützend auf die Atmung in den hinteren Teil der Lunge wirken, denn der Hauptteil der Lunge liegt im Rücken. Auch für die Abflachung der unteren Wölbung der Wirbelsäule, das „Hohlkreuz“, wirkst sich Anlehnen günstig aus. Es ist weder nötig noch zielführend, „an der Stuhlkante“ zu sitzen. Das verstärkt im Gegenteil die Hochatmung und den Überdruck.

 

ZU HOCH / ZU TIEF 

Intonation entsteht am Grundton. Ohne Grundtonwahrnehmung kann Intonation nicht geregelt werden, da Tonhöhenregelung, wie bei allen Saiteninstrumenten, nur am Grundton erfolgen kann.  

Für das Verstehen von Sprache nutzt der Gehörsinn den zweiten, oberen Vokalformanten, der erste, untere ist beim Sprechen nur ansatzweise ausgebildet.  Dieser Umstand erschwert das Erkennen der tiefen Frequenzen im Klang für darin ungeübte Ohren erheblich. Beim gesungenen Ton ist aber der erste Vokalformant, der etwa am selben Ort entsteht wie der Grundton, ausschlaggebend für die Regelung der Intonation. Wird also der Versuch gemacht, nur über den zweiten Vokalformanten die Intonation zu regeln, über die Vokalfarbe, hat das eine Manipulation der Form des Vokaltraktes zur Folge

Das wirkt auf Dauer stimmschädigend, weil so die optimalen funktionalen Voraussetzungen für Phonation gestört werden. Vergleichbar ist diese Vorgehensweise mit dem „Stopfen“ von Blechblasinstrumenten: Man verformt den Resonator, aber die erzeugte Frequenz bleibt dieselbe, weil sie ja an der Klangquelle erzeugt wird und nicht im Resonator. Es ist sogar so, dass durch den Versuch, die Intonation durch Erhöhung des Luftdrucks „nach oben“ zu regulieren (wie es bei Blasinstrumenten üblich ist), mehr Muskelmasse der Stimmlippen in Schwingung versetzt wird und so die Intonation „nach unten“ rutscht. Dadurch entsteht ein stimmschädigender und für alle Beteiligten frustrierender Teufelskreis: Durch den Versuch, höher zu singen, den Ton vermeintlich höher zu schieben, wird der Klang tiefer und lauter. Oder umgekehrt: Klingt der Ton zu hoch, wird mit Entspannung, also Verringerung des Luftdrucks und des Körpertonus gearbeitet. Dadurch reduziert sich die Einatmungstendenz, die den Vokaltrakt offen hält. Er verengt sich, und die Resonanz der stehenden Welle zurück auf die Stimmbänder und damit den Grundton wird unterbrochen. Das Klangergebnis ist hell, scharf und ohne tiefe Frequenzen. (Dieses Phänomen tritt vor Allem in der Sopranlage auf: Die Stimme klingt „körperlos“, isoliert und ähnelt, auch von der Klangerzeugung her, mehr einem Pfeifton ohne Vibrato.) Es ist also kontraproduktiv, mit Hilfe von Luftdruck die Intonation regulieren zu wollen, da das Mischungsverhältnis von Masse- und Dehnungsdominanz dadurch noch mehr gestört wird. So wird das Gegenteil von dem erreicht, was angestrebt wurde. 

Allgemein kann gesagt werden, dass der Eindruck von „zu tief“ oft bei zu wenig hoher Schwingung und der von „zu hoch“ bei zu wenig tiefer Schwingung im Klang entsteht. 

Ein Unterschied zwischen Frauen- bzw. Kinderstimmen und Männerstimmen ist noch interessant: Stimmen, die vor Allem in der ein- und zweigestrichenen Oktave singen, haben wegen der höheren Lage weniger Obertöne. (Je höher der Grundton ist, desto weniger Teiltöne liegen darüber.) Daraus ergeben sich bei ihnen mehr Probleme in der Beurteilung von Intonation als bei tieferen Stimmen: Da sich bei ihnen das System auf Grund der höheren Teiltonzahl besser mischt, fallen Ungenauigkeiten weniger auf.

ERSTE HILFE, SELBSTSTUDIUM UND CHORSTIMMBILDUNG

Nachdem Singen ein von Geburt an angelegter ganzkörperlicher Vorgang ist, der durch eine spezielle Nutzung der körperlichen Ressourcen und Gegebenheiten erzeugt wird, können die einzelnen Bereiche auch im alltäglichen Leben erkannt und trainiert werden.

Das kann erfolgen durch Selbstbeobachtung und Selbstwahrnehmung bei allen reflektorischen Handlungen. Es gibt einatmungsdominant und ausatmungsdominant ablaufende Muskelaktionen, anders ausgedrückt "hin zu..." oder "weg von...": Ein gutes Beispiel ist die Atemtendenz beim Schieben (Trizeps) und genüsslichen Räkeln (ebenfalls Trizeps): Beide Bewegungen sind von der Richtung her gleich, aber mit einer anderen Atempräferenz verschaltet. Beim Schieben wird die Ausatmung aktiviert, ebenso der Stimmlippenschluss durch Überdruck und eine Verengung des Rumpfes, beim Räkeln die Einatmung, der Stimmlippenschluss durch Sog und eine Erweiterung des Rumpfes.

Ähnliche Beobachtungen kann man machen beim Kauen bzw. Schlucken versus Trinken bzw. Schlucken, Husten versus Niesen und Pressen versus Würgen. Schluckauf und Gähnen sind beide einatmungsdominant, aber durch ihren jeweiligen Zweck nicht eins zu eins auf das Singen übertragbar. 

Auch Emotionen lösen entweder den Einatmungs- oder den  Ausatmungsreiz aus: Freude, Erstaunen, Wohlgefühl lässt uns ein- bzw. aufatmen, ("oh!", ah!"), die Stimmritze öffnet sich. Bei Angst, Zorn und Ekel atmen wir aus und verschließen uns, ("iiih, eklig...!"), verengen die Stimmritze. Bei Kummer sinkt der Körpertonus und die Atmung flacht sich ab oder stockt fast.

Es ist also möglich, die aufrichtende, tonisierende und öffnende Muskulatur gezielt wahrzunehmen und damit auch zu trainieren: Strecken oder Stretching kann im Räkelmodus mit Wohlgefühl und Einatmungstendenz ausgeführt werden (statt im Schiebemodus). Beim Aufrichten aus der Hocke, Treppensteigen und Bergsteigen, sogar beim Gehen kann bewusst der Schub aus den Waden genutzt werden. Diese Muskulatur besitzt nur der Mensch, ohne sie wäre der aufrechte Stand und Gang nicht möglich. Auch das kann als Räkeln wahrgenommen werden statt als Schieben.

Es gibt auch besonders geeignete Sportarten, die die sängerische Muskulatur stärken: Das sind vor allem Schwimmen, Klettern, Klimmzüge, Hanteltraining, Kniebeugen, Schnelles Gehen, Bergsteigen und Radfahren. Ungeeignet sind dagegen Situps, denn dadurch werden die schrägen Bauchmuskeln trainiert, die primären Ausatmungsmuskeln. Auch Gewichtheben über die Schulterebene hinaus ist kontraproduktiv, da es nur im Überdruckmodus möglich ist.

Um für sich selbst und den persönlichen Entwicklungsstand gezielte Körperübungen zum funktionalen Singen zu erhalten, ist es unerlässlich, Unterricht bei einer funktional ausgebildeten Lehrkraft zu nehmen. Für Informationen zur Umsetzung des funktionalen Ansatzes und grundsätzliche Übungen, auch für Chorleitende zur chorischen Stimmbildung, und als effektive Vorbereitung für Einzelunterricht verweise ich auf die ausführlich erklärten Trainingseinheiten im 

Potential Oriented Vocal Training (POVT) von Susanne Eisch: https://www.susanne-eisch.de/home-de/singen-lernen 

und auf die Webseite von Hilkea Knies: https://www.hilkea-knies.de/stimme-gesang/.

Ein paar sehr effektive und zielführende Körperübungen aus der funktionalen Praxis, die die sängerischen Abläufe anregen und unterstützen, will ich hier aber dennoch kurz aufführen. Die Kurzbeschreibungen sind den ersten Trainingseinheiten im Grundlagenkurs der POVT-Seite von Susanne Eisch entnommen. 

1 Stimme als Instrument
Wir beginnen mit einem ersten Überblick über unser stimmliches Instrument. Von Kopf bis Fuß erfahren wir die Zusammenhänge zwischen unserem Körper und unserem Singen und erleben, wie wir durch einfache Übungen für mehr Klang, Leichtigkeit und Stimmgenuss sorgen können.

2 Einfach erweitert - Armhebung
Wir massieren sanft und diagonal unseren schrägen Bauchmuskel und erleben, wie wir so eine mühelose und widerstandslose Brustkorberweiterung fördern und Einatmung erleichtern können. Wir werden uns unserer schrägen Bauchmuskeln bewusst und vertiefen unsere Wahrnehmung für einen vollständigen Einatmungsablauf. 

3 Hoch das Bein
Durch zentrale Funktionsketten ist unsere Einatmung mit unserem Oberschenkel verbunden. In dieser Einheit erleben wir, wie wir durch das Anheben des Beines unsere Atmung positiv beeinflussen und für einen deutlichen Klangzuwachs innerhalb unserer Stimme sorgen können.

4 Geneigt - geatmet
In dieser Übung flexiblisieren wir zentrale Muskelgruppen im Bereich des Nackens, Schultergürtels und der Bauchmuskulatur und sorgen so für eine differenzierte Beweglichkeit unserer Atmungsmukulatur. Die Einatmungsaktivität wird größer und müheloser und unsere Stimme reagiert darauf mit mehr Volumen und Klang.

5 Gebeugt - geatmet

Zentrale Teile unserer Einatmungsmuskulatur liegen auf unserer Körperrückseite. Gleichzeitig sind wichtige Teile unserer Körperaufrichtungsmuskulatur auch dafür verantwortlich, dass wir effizient und vollständig einatmen können. Wir erleben das differenzierte Zusammenspiel zwischen Aufrichtung und Einatmung genießen die positiven Auswirkungen auf unser Singen.

6 Sanft zum Raum - Kieferöffnung
Wie wir den Kiefer für die Einatmung öffnen, beeinflusst grundlegend die Gestaltung unserer oberen Luftwege. Diese sind wiederum die Voraussetzung für einen offen schwingenden Raum. Allzu häufig wird eine einfache Kieferöffnung durch starke Muskel(ver)spannungen verhindert. Mit sanften Massagen lösen wir hartnäckige Widerstände in unserer Kiefer- und Mimikmuskulatur. So kommen wir zu einer großen, schnellen Einatmung und erleben einen frei schwingenden Klang.

7 Artikulation klingt 1
Artikulation ist ein wichtiger Aspekt für unsere Textverständlichkeit beim Singen – aber auch für unseren Klang. Die Gestaltung unseres Klang-Raumes wird wesentlich von unserer Artikulationsbewegung beeinflusst. In dieser Einheit beschäftigen wir uns mit den Vokalen „a-o-u“ und erleben Lippenrundung als Weg zu einem vollständigen und runden Klangerlebnis.

8 Artikulation klingt 2
Wir erforschen weiter die Artikulationsbewegungen und erleben eine differenzierte Zungenbewegung bei den Vokalen „a“, „ä“, „e“ und „i“. So sind Klangverstärkung und Textverständlichkeit nicht länger ein Widerspruch.

9 Was schwingt wo?
Diese grundlegende Übung klärt die unterschiedlichen Schwingungsebenen in unserem sängerischen Instrument. Wir erleben, dass wir gleichzeitig die Schwingung der Stimmlippen und die Schwingungen in unserem Vokaltrakt wahrnehmen können. Und dass diese Schwingungswahrnehmungen uns zu einer vollständigen Klangverstärkung und differenzierten Artikulation leiten können.

EPILOG

Zu wissen, welche sängerischen Konzepte funktional sinnvoll sowie anatomisch, akustisch und neuronal begründbar sind und welche Kompensationen oder Vermeidungsstrategien sind, ist ein wichtiger Wegweiser. Um die eigenen Gewohnheiten und die der Schülerinnen und Schüler von der funktionalen Warte aus einordnen und entsprechende Wege und Teilziele verantwortungsvoll wählen zu können, ist es notwendig, die zielführenden Konzepte von denen unterscheiden zu können, die in die Irre leiten.

Dieses theoretische Wissen ersetzt aber in keiner Weise die praktische intensive Beschäftigung mit dem eigenen Körper und den eigenen Gewohnheiten und Glaubenssätzen. Da sich niemand von außen beobachten kann, da ein lernender Mensch zwar ein Gespür für gangbare Wege und gesunden Umgang mit der eigenen psychosomatischen Konstitution hat, aber weder eigene Erfahrungswerte im Hinblick auf eine realistische Zielsetzung und potentielle Möglichkeiten, die er selbst bisher nicht erlebt hat, noch Kenntnis von unbewussten Prägungen, Haltungen, Gewohnheiten, Strategien und Traumata, ist es ihm nicht möglich, eine reale Vision von dem Weg zu entwickeln, der ihn dorthin führen kann. Dazu kommt, dass die täglich ausgeübte Sprachgewohnheit mit der sängerischen Artikulation nur sehr eingeschränkt kompatibel ist, und bestimmte artikulatorische Bewegungsabläufe ganz neu erlernt werden müssen. Dafür ist es unbedingt notwendig, sich einer erfahrenen Lehrperson anzuvertrauen. Wer das nötige Fachwissen und die erforderlichen Fähigkeiten des funktionalen Hörens, Sehens und Fühlens entwickelt und Wege des Unterrichtens gelernt hat, kann im Unterricht sicher und ohne Umwege auf das angestrebte Resultat hinleiten, funktional gesund und lustvoll singen zu können bis ins hohe Alter.

 

 

 

 

 

INDEX DER ERKLÄRTEN BEGRIFFE

Ansatz -> Sitz / Vordersitz

Ansatzrohr -> Vokaltrakt

Aperto ma cuperto

Appoggiare la voce <- Stütze

Artikulation

Atmung

Aufrichtung

Bauchmuskulatur

Belting

Bewegung

Bewusstsein

Bocca ridente

Bruch -> Übergang

Canto fiorito

Canto sul fiato

Chiaroscuro

Colpo di petto

Constrictoren

Cuperto / la cupula

Decken

Dehnung

Dehnungsfunktion

Doppelventilfunktion

Dynamik / Lautstärke

Einsatz

Einschwingvorgang

Einsingen

Emotion

Falsett

Filare la voce

Formant

Gaumen

Gesangsreflex

Gestaltung

Glissando

Glottisschlag

Gola aperta

Höhe

Inalare la voce

Intonation

Kehlkopf

Kehlkopfsenkung

Kinderstimme (Wissenswertes für die Chorleitung)

Klangfarbe

Knödel

Koloratur

Konsonanten

Legato

Ligament

Lippen

Luftdruckregelung

Luftwege

Lunge

Männerstimme / Frauenstimme / Kinderstimme (Wissenswertes für die Chorleitung)

Mangiare la voce

Markieren

Masse

Mediakompression

Messa di voce

Mezza voce

Mimikmuskulatur

Mischung <- Voix mixte

Mundöffnung / Kieferöffnung

Muskulatur

Nase

Nasenatmung / Mundatmung (Wissenswertes für die Chorleitung)

Öffnung

Ohr

Passaggio

Pfeifregister

Portamento

Randschwingung / Randstimme

Raum

Register

Registerdivergenz

Resonanz

Resonator

Rhythmus

Rippen

Rundung

Saugreflex

Schnute

Schreien

Schwa

Schwingung / Schwingungswahrnehmung

Segment

Singen biologisch betrachtet (Wissenswertes für die Chorleitung)

Sitz / Vordersitz <- Ansatz (Wissenswertes für die Chorleitung)

Staccato

Stimmlippen

Stimmfach

Stumme Masse

Taschenfalten

Tiefe

Timbre -> Stimmfach / Klangfarbe

Tonhöhenregelung

Tonus

Tonvorstellung

Trachelazug

Tragfähigkeit

Training / Üben / Unterrichten

Überdruck und Unterdruck in Probe und Aufführungssituation (Wissenswertes für die Chorleitung)

Übergang <- Bruch

Ventrikel / Vestibül

Vibrato

Vocal fry

Voce bianca

Voix mixte -> Mischung

Vokal

Vokalausgleich

Vokalfarbe

Vokaltrakt <- Ansatzrohr

Wahrnehmung

Wirbelsäule

Wissen

Wünschen

Zu hoch - zu tief (Wissenswertes für die Chorleitung)

Zunge

Zwerchfell

 

SÄNGERISCHE REDEWENDUNGEN UND IHRE FUNKTIONALE ZUORDNUNG

ATMUNG/AUFRICHTUNG

Auf dem Atem -> Canto sul fiato

Auf dem Körper -> Aufrichtung

In den Bauch/Beckenboden atmen -> Atmung / Zwerchfell 

Mit der Bauchmuskulatur stützen -> Bauchmuskulatur / Doppelventilfunktion

Nachächzen -> Mediakompression 

Solar-Lunar -> Atmung

Stütze -> Doppelventilfunktion / Inalare la voce /  Stimmlippen

Überstützen -> Inalare la voce

 

EINSATZ

Freier Ansatz -> Einsatz

Von oben - von unten -> Doppelventilfunktion

 

KLANGFARBEN

Dunkel / hell -> Chiaroscuro

Durchschlagskraft -> Mediakompression

Eng / gepresst -> Kehlkopfsenkung / Zunge

Gaumig -> Gaumen

Hauchig -> Mediakompression

Klangkern -> Mediakompression

Körperklang -> Register

Nasenresonanz -> Nase

Maske / Vordersitz -> Sitz

Metall -> Mediakompression

Rund / spitz / flach -> Mundöffnung / Kehlkopfsenkung / das Zunge

Weich / hart -> Doppelventilfunktion / Formanten

 

MIMIK

Bäckchen -> Bocca ridente

Breitspannung -> Bocca ridente 

Freudiges Staunen -> Bocca ridente / Saugreflex

 

PHONATION

Den Ton halten -> Legato

Den Ton trinken -> Inalare la voce

Es singt -> Gesangsreflex

Glottisschlag -> Einsatz

Kopfigkeit / Kopfton -> Dehnungsfunktion

Nachächzen -> Einatmungstendenz

Schieben -> Doppelventilfunktion

Vorne singen -> Artikulation

 

REGISTER

Mittelstimme -> Register / Mezza voce

Randstimme -> Register

Schnarrregister / Strohbass -> Vocal Fry

Verstärktes/gestützes Falsett -> Doppelventilfunktion

Voix mixte -> Register

 

SPRACHBEHANDLUNG

Artikulation -> Artikulation 

Offen Singen -> Mundöffnung / Zunge

Parlando -> Gesangsreflex / Konsonanten

Vokalausgleich -> Formant / Vokale

 

VOKALTRAKT

Ansatzrohr -> Vokaltrakt 

Dämpfen -> Aperto ma cuperto / Cuperto

Decken -> Aperto ma cuperto / Uhr Cuperto

Gähnweite / Gähnstellung -> Mundöffnung

Hinter der Nase -> Schwingungswahrnehmung

In den Unterkiefer singen -> Mundöffnung

Knödel -> Zunge

Staunen -> Mundöffnung / Inalare la voce

Summen -> Kehlkopfsenkung / Mundöffnung 

Verbrustet Singen -> Kehlkopfsenkung

 

 

 

 

 

 



ANDERE GESANGSTECHNIKEN IM LICHT DER FUNKTIONALEN ERKENNTNISSE

 Atemtypen (Terlusollogie) -> Atmung, Doppelventilfunktion, Inalare la voce, Luftdruckregelung, Trachealzug

Complete Vocal Technique (CVT) -> Appoggiare la voce, Doppelventilfunktion, Gesangsreflex, Kehlkopfsenkung, Mediakompression, Mundöffnung – Kieferöffnung, Saugreflex, Vibrato

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Gesangsmethode nach Halseband -> Doppelventilfunktion, Gesangsreflex, Inalare la voce, Kehlkopfsenkung 

Sitztechnik nach Frederik Husler -> Ansatz, Aperto ma cuperto, Atmung, Chiaroscuro, Kehlkopfsenkung, Inalare la voce, Nase, Schwingung – Schwingungswahrnehmung, Sitz – Vordersitz, Vokale, Zwerchfell

Diagnostik und Pädagogik der Stimmbildung von Otto Iro -> Atmung, Appoggiare la voce, Doppelventilfunktion, Höhe, Luftdruckregelung, Masse, Mundöffnung – Kieferöffnung, Randschwingung, Register, Registerdivergenz, Rundung, Segment, Tiefe, Übergang, Vibrato

Schwedisch-italienische Gesangstechnik nach Jones -> Doppelventilfunktion, Gesangsreflex, Inalare la voce, Kehlkopfsenkung 

Laxvox -> Doppelventilventilfunktion, Gesangsreflex, Inalare la voce, Mundöffnung - Kieferöffnung

Lichtenbergermethode -> Chiaroscuro, Einsatz, Formanten, Gesangsreflex, Inalare la voce, Kehlkopfsenkung, Klang, Ohr, Tonus, Vibrato, Wahrnehmung 

Minimallufttheorie nach Paul Bruns -> Atmung, Inalare la voce

Schlaffhorst-Andersen -> Doppelventilfunktion, Gesangsreflex, Inalare la voce, Kehlkopfsenkung, Konsonanten, Vokale, Zwerchfell 

Sitztechnik nach Frederik Husler -> Ansatz, Aperto ma cuperto, Atmung, Chiaroscuro, Kehlkopfsenkung, Inalare la voce, Schwingung – Schwingungswahrnehmung, Vokale - Zwerchfell

Schule der Stimmenthüllung nach Werbeck-Swärdström -> Doppelventilfunktion, Gesangsreflex, Luftdruckregelung, Mundöffnung - Kieferöffnung 

Speech Level Singing (SLS) -> Belting, Falsett, Konsonanten, Luftdruckregelung, Mischung, Mundöffnung - Kiegeröffnung, Register, Schrillheitsfrequenz, Schwingung – Schwingungswahrnehmung, Trachealzug, Register

Staumethode nach George Armin -> Appoggiare la voce, Doppelventilfunktion, Inalare la voce, Luftdruckregelung, Trachealzug

Der wissende Sänger (Franziska Martienßen-Lohmann) -> Appoggio, Formamt, Nase, Kehlkopfsenkung, Konsonanten, Randschwingung – Randstimme, Register, Sitz - Vordersitz, Sprachgewohnheit, Vibrato, Zunge, Zwerchfell

Gabriele Weinfurter